Die Rote Flora soll bleiben
In der Roten Flora in Hamburg wird gefeiert: Seit 25 Jahren ist das Gebäude besetzt. Und die Debatten um eine Räumung gehören, trotz immer wieder aufflammender Krawalle rings um das linksautonome Zentrum, der Vergangenheit an.
Die Rote Flora macht Schlagzeilen. In Hamburg, in Deutschland. Und im letzten Jahr, am 21. Dezember schafft es das autonome Zentrum sogar in die russischen, französischen und britischen Nachrichtensendungen. 7000 Menschen haben sich vor dem Gebäude im Hamburger Schanzenviertel versammelt, demonstrieren für den Erhalt der Flora demonstrieren. Noch bevor sie losmarschieren können, liefern sich schwarz vermummte Aktivisten und die Hundertschaften der Polizei die erste Schlacht. Steine fliegen, Wasserwerfer fahren auf, Barrikaden werden gebaut, Pfefferspray in die Menge geschossen. Die Bilanz: 500 Verletzte, Rippen- und Schädelbrüche, Arm- und Nasenfrakturen, Augenverletzungen.
Umkämpftes Haus im Schanzenviertel
Das Haus, um das seit 25 Jahren mal mehr, mal weniger heftig gekämpft wird, die Rote Flora am Schulterblatt, hat seine besten Zeiten hinter sich. Wie ein fauler Zahn steht das einst prachtvolle, 1888 als Varieté-Theater eröffnete Gebäude zwischen fünfstöckigen Gründerzeitbauten. Die Fassade ist schmutzig, das große, von Säulen eingerahmte Portal zugemauert, mit Graffiti besprüht. Rechts und links, wie auf Werbetafeln, die aktuellen Parolen der linken Szene: "Campen gegen Atomkraft!". Und: "Gegen profitorientierte Stadtentwicklung!".
Hinter dem Gebäude wartet Andreas Blechschmidt, zeigt die aus Beton gegossene Skaterbahn. Blechschmidt gehört zum Sprecher-Team der Roten Flora. Erzählt die Geschichte des Hauses:
"Das historische Flora-Theater war ein großes Varieté-Theater mit einem Zuschauerraum, der über 2.000 Plätze umfasste. Es gab einen historischen Kristallpalast. Das ist im April 1988 alles abgerissen worden, um halt das 'Phantom der Oper', dieses neue Musical an diese Stelle zu bauen. Und das jetzt hier am Schulterblatt noch stehende Restgebäude sollte so ein bisschen das historische Zitat sein. Aber ursprünglich hätte hier im Sommer 1989 ein sechsstöckiger Betonklotz eigentlich entstehen soll. Dort, wo jetzt ein Park beziehungsweise sich die Skate-Bowl befindet."
Andreas Blechschmidt ist einer der Flora-Sprecher. Dunkle Hose, schwarze Jacke, dichte schwarze Haare, klarer Blick. Erste Erfahrungen mit professionellen Hausbesetzungen hat er in den Kämpfen um die Hamburger Hafenstraße gemacht. Mitte der 80er-Jahre war das. 1987 wurden die Pläne für das Musicaltheater am Schulterblatt bekannt. Die linke Szene, Ladenbesitzer und Stadtteilinitiativen kämpften gegen die Pläne. Am heftigsten die linksautonome Szene.
Im Sommer 1988 besetzten Aktivisten das Gebäude, die Polizei räumte, die Besetzer kamen wieder. Und vereinbarten 1990 mit der Stadt eine Zwischennutzung. Für gerade mal vier Wochen:
"Wenn das jemand im Sommer 1990 gesagt hätte, dass wir mal ein 25-jähriges Besetzungsjubiläum feiern können, den hätte ich glaube ich ein bisschen für quartalsirre erklärt."
Parteiübergreifender Konsens
Der Autonomen-Sprecher lächelt. Und hat allen Grund dazu. Trotz der heftigen Krawalle bei der "Flora bleibt!"-Demonstration im Dezember gehört es mittlerweile zum parteiübergreifenden Konsens in Hamburg: das Zentrum soll bleiben, wo es ist und wie es ist. Etliche Innensenatoren hatten nach ähnlichen Krawallen immer wieder eine Räumung und den Abriss der Flora gefordert.
2001 hatte die Stadt das Gebäude für nur 370.000 D-Mark an den Immobilien-Investor Klausmartin Kretschmer verkauft, um endlich Ruhe zu haben. Kretschmer wollte die Flora erhalten und fördern, sie ausbauen zu einem für alle offenen Kulturzentrum. Jetzt will der Hamburger Senat unter Bürgermeister Olaf Scholz das Haus zurückkaufen. Weil Klausmartin Kretschmer nun wohl doch die Nase voll hat von den Nutzerinnen und Nutzern seiner Immobilie. Die hatten ihm von Anfang an ein lebenslanges Hausverbot erteilt.
Kretschmer selbst gibt keine Interviews. Das übernimmt sein Berater, der Hamburger Immobilienspekulant Gerd Baer. Baer war es, der Ende letzten Jahres mit seinen Verkaufsideen für die Flora den Konflikt anheizte: Demnach sollte nur die Fassade des Hauses erhalten werden, als historisches Zitat integriert in ein fünf- bis sechsstöckiges Stadtteilzentrum. Mit Kita und Konzertsaal, mit Tiefgarage, Proberäumen und drei Musik-Clubs. Sogar Räumlichkeiten für die Linksextremisten seien denkbar.
Unter bestimmten Bedingungen dürften auch die Linksautonomen mitmachen, erklärte Baer damals. Lächelnd. Zurückgelehnt im schweren Ledersessel in seinem Büro in der Innenstadt:
"Es gibt eine Bedingung! Es ist ja bekannt, dass die linksextremistischen Besetzer das politische Ziel haben, den Staat abzuschaffen, die Demokratie abzuschaffen, die deutsche Verfassung abzuschaffen. Auch die Stadt Hamburg und alles Eigentum. Das, denke ich mal, sollten sie überdenken! Und auch der Gewalt abschwören! So ein bisschen können sie ruhig sein, das ist ok und demokratisch und legal. Aber diese Gewaltsachen, die sollten sie vielleicht doch mal überdenken. Ja. Das ist so unser Vorschlag. Und wir sind gesprächsbereit. Im Moment sagen sie noch nein und sind nicht gesprächsbereit. Aber das dauert ja alles seine Zeit und vielleicht sieht das in einem halben Jahr oder einem Jahr ganz anders aus."
Noch Anfang des Jahres behauptete Baer, eine amerikanische Investment-Firma hätte großes Interesse an dem Projekt. Und am Ende könnte aus der Flora sogar eine Aktiengesellschaft werden. Mit Vorzugsaktien für Schanzenbewohner.
Unterstützung aus der ganzen Republik
Die linksautonomen Flora-Besetzer nahmen die Kampfansage an. Aus dem ganzen Bundesgebiet reisten Unterstützer des Projekts an und lieferten sich die heftigsten Auseinandersetzungen mit der Polizei seit Jahren. Dabei zeichnete sich schon ab, dass die Hamburger Politik längst auf der Seite der Besetzer stand: Der zuständige Bezirk Altona veränderte den Bebauungsplan für das Areal. Danach darf dort nur ein Stadtteilzentrum errichtet werden, jede kommerzielle Nutzung ist untersagt. Und der Hamburger Senat entschied, die Immobilie zurückzukaufen. Nicht für sieben oder acht Millionen Euro wie von Gerd Baer gefordert, sondern für "nur" eine Million Euro. Anfang März verkündete Finanzsenator Peter Tschentscher, dass nun eine Anwaltskanzlei prüfen solle, ob Eigentümer Klausmartin Kretschmer zum Verkauf gezwungen werden kann:
"Wir tun dies, weil wir für eine friedliche, gewaltfreie Entwicklung der Stadt nicht wollen, dass ein privater Eigentümer mit seinen Verwertungsinteressen unsere Stadt allein durch Ankündigungen und Pläne – die aus unserer Sicht auch nicht durchsetzbar sind – in Aufruhr versetzt."
Im Juni wurde bekannt: der Flora-Eigentümer Klausmartin Kretschmer ist insolvent. Das Gebäude wird Ende des Jahres zwangsversteigert. Eine Bank, das Finanzamt und Handwerksbetriebe fordern einen Betrag "im niedrigen siebenstelligen Bereich", erklärte der Zwangsverwalter. Die Stadt Hamburg wird mitbieten bei der Versteigerung, andere Interessenten wird es kaum geben. Denn auch nach einem Eigentümerwechsel bleibt das Nutzungsrecht der Rotfloristen bestehen.
Gegenüber der Roten Flora liegt die so genannte Piazza. Dort, wo vor zehn Jahren noch Autos parkten, ist der Platz heute gepflastert mit großen, glatten, steingrauen Platten. Zehn Meter breit, rund 200 Meter lang: Cafés, Bars, Kneipen und Restaurants reihen sich aneinander. Die Tische und Bierbänke sind fast vollbesetzt. Frische Biere stehen auf den langen Holztischen, Rotwein, Sekt und Limonaden. Die Hälfte der Gäste trägt coole Sonnenbrillen, die Männer mit gepflegtem Vollbart, die Frauen mit dezentem Make-Up. Hippe Großstädter, Altersdurchschnitt: Anfang dreißig.
Die Meinungen über die Rote Flora auf der anderen Straßenseite gehen auseinander:
"Es sollte vielleicht umfunktioniert werden. Dass tatsächlich auch alle eine Chance haben, dieses Gebäude zu nutzen und es nicht nur herunterkommt. Denn irgendwann kann man es gar nicht mehr nutzen, wenn es so weitergeht." – "Ja, das gehört dazu, nicht wahr? Es ist das einzige Überbleibsel von der Sternschanze, was wir noch haben. Guck dich mal um, die ganzen Läden." – "Hier kostet ein Kaffee fünf Euro! Früher durfte ich hier nicht spielen, weil es so gefährlich war. Es ist nicht schön, aber irgendwie gehört es dazu!"
Bauarbeiten hinter dem zugemauerten Portal
Vor zehn Jahren wurde die Fixerstube gleich neben der Flora geschlossen. Heute steht ein halbes Dutzend Schwarzafrikaner am Eingang zum kleinen Park hinter dem Zentrum. Die Männer nicken den Passanten zu, versuchen ihr Haschisch zu verkaufen. Auf den breiten Stufen zum zugemauerten Flora-Portal campieren Obdachlose auf ihren Matratzen. Rechts neben dem Gebäude liegen Zementsäcke auf einer Holzpalette. Es wird gebaut in der Flora.
Andreas Blechschmidt geht die Rampe hoch, öffnet die erste von zwei massiven Stahltüren, führt hinein.
"Wir nehmen jetzt den Seiteneingang und gehen erstmal in die Flora rein."
Die Tür ist vollgeklebt, bemalt und verbeult wie der Rest des Hauses. – Drinnen führt der Weg über zerschlissene Dielen in den großen Saal der Roten Flora:
"Das tolle an dem Raum ist sicherlich, dass er sehr variabel ist. Hier haben Punk-Konzerte stattgefunden. Hier finden aber genauso Lesungen statt, aber auch Kino, die Lesbisch-schwulen Filmtage. Hier gehen ein paar Räume auch ab. Einmal das Café, was jetzt gerade renoviert wird. Es gibt noch einen kleineren Raum, der für Garagen-Punk-Konzerte genutzt wird. Und die Siebdruck-Werkstatt geht hier auch noch ab mit einem eigenen Raum."
Probenräume, Selbsthilfe-Werkstatt, Volksküche
Unten im Keller gibt es Proberäume für Musiker, eine Selbsthilfe-Werkstatt für Fahrräder und Motorräder. Die Volksküche, die VoKü, in der für ein paar Euro veganes Essen serviert wird, ist gerade wegen Umbau geschlossen. Umgebaut wird, damit Besucher die Flora nicht nur über den stahltürbewehrten Seiteneingang betreten können, sondern auch direkt vom Schulterblatt aus.
Anna gehört zur Baugruppe der Roten Flora, steht auf der Baustelle zwischen Rigips-Platten und Zementsäcken. Stolz auf die Fortschritte der Arbeiten:
"Wir sitzen jetzt im ehemaligen VoKü-Raum, der völlig auseinandergerupft ist. Die Menschen, die hier bis eben noch gearbeitet haben, sind gerade mittagessen. Vor einigen Jahren haben sich mal ein paar Menschen zusammengetan in der Flora und haben überlegt, wie man diesen Ort eigentlich neu nutzen kann. Und ein Wunsch war, dass es einen Ort des Zusammentreffens geben soll. Einen Ort, wo man sich niedrigschwellig treffen kann und vorbeischauen kann. Ein kleinerer Ort, wo man Diskussionen, Veranstaltungen, die nicht unbedingt in der großen Halle stattfinden sollen machen kann."
Der Umbau wurde lange diskutiert. Vom so genannten Plenum der Flora, dem Entscheidungsgremium der Linksautonomen. Immer Mittwochs treffen sich rund zwei Dutzend Nutzerinnen und Nutzer des Hauses, debattieren, segnen Flugblätter ab, planen alle Baumaßnahmen. Nach dem laufenden Umbau soll es nicht nur einen Vordereingang, sondern auch eine rollstuhlgerechte Toilette geben. Und ein zweites Treppenhaus, über das die anderen Stockwerke erreichbar sind. Wild drauflos bauen die Besetzerinnen und Besetzer aber nicht. Eine Architektin hat vorher die Baupläne ausgearbeitet, ein Statiker berechnet, wie viel die über hundert Jahre alten Wände noch tragen können. Bezahlt wird der Umbau aus den Einnahmen der Flora. Aus Eintrittsgeldern bei Konzerten, durch den Getränkeverkauf.
Spendenfinanziertes Archiv unterm Dach
Durch Spenden wird das "Archiv der soziale Bewegungen" im Dachgeschoss der Flora finanziert. In dem hellen hohen Raum arbeitet der Archivar Armin. Ehrenamtlich. Sein Geld verdient er als Taxifahrer. Armin erzählt, was alles gesammelt wird:
"Von der Spannbreite her nehmen wir alles auf, was – in Anführungsstrichen – 'links' ist. Wir sind da auch relativ undogmatisch."
Abgelegt werden die Schriften in braunen, durchnummerierten Pappkartons in den Holzregalen. Natürlich ist die "Zeck", die hauseigene Zeitschrift dabei, die Berliner "Interim", die "Konkret" oder die verbotene "radikal". Gesammelt werden auch Flugblätter linker Gruppen. Schließlich soll die Nachwelt erfahren, wie die Linksautonomen die Welt sehen, erklärt Armin:
"Es gibt ja immer diesen Spruch, dass Geschichte von den Siegern gemacht wird. Und da ist es natürlich so, dass man dem auch ein bisschen was entgegensetzen muss. Wenn man sich die Auseinandersetzungen um RAF-Gefangene anguckt, da ist es schon notwendig, zusagen, dass es auch nicht nur die eine Seite gibt. Dass es nicht nur die bösen Terroristen gibt, sondern dass es auch den SS-Mann Schleyer gab. Und solche Sachen halten wir halt für wichtig, um das der Nachwelt zu erhalten."
Die linksautonome Sicht auf die Welt erklärt Andreas Blechschmidt draußen, am Rand der Skaterbahn hinter der Roten Flora. Danach braucht es diesen Ort, um sich zu organisieren, um Widerstand zu leisten. Gegen den Umgang der Stadt mit Flüchtlingen zum Beispiel, also – linksautonom formuliert: gegen Rassismus. Gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, sprich: Imperialismus. Gegen Aufmärsche von Neo-Nazis. Und von Anfang an, seit 1989, geht es den Aktivisten darum, ein Zeichen gegen die Aufwertung des Viertels zu setzen, gegen steigende Mieten und die vielen schicken Boutiquen. Die sind in den letzten zehn Jahren überall dort entstanden, wo sich kleine Einzelhändler wegen der Mietsteigerungen nicht mehr halten konnten. Mit der Roten Flora, so Blechschmidt, hat die linksautonome Szene…
"… einen möglichst hierarchiearmen Raum. Einen Raum, der sich als Gegenöffentlichkeit versteht, einen Raum, der sich kommerziellen Verwertungsinteressen entziehen will, der sich einer Logik von Gewinnmaximierung möglichst entziehen will. Das ist für uns das wichtige konstituierende Vorzeichen des Projekts Rote Flora. Um das geht es uns im Wesentlichen."
Das Nutzungsrecht ist festgeschrieben
Und dabei ist den Nutzerinnen und Nutzern ganz egal, wem das Gebäude gehört. Immerhin können sie sich auf ein Nutzungsrecht berufen. Das hatte die Stadt beim Verkauf des Hauses 2001 im Kaufvertrag festgeschrieben. Und ob die Stadt Hamburg oder ein Investor wie Noch-Eigentümer Klausmartin Kretschmer im Grundbuch steht, interessiert die Aktivisten deshalb nicht.
Besser wäre es, so Blechschmidt, diese Grundbuchseite einfach zu streichen. – Ein Garant für weniger Krawalle, weniger Schlachten mit der Polizei ist der Rückkauf der Flora durch die Stadt sicher nicht:
"Die Politik der Flora erübrigt sich nicht in der Organisierung von Gewalt. Sondern zuallererst geht es um politische Auseinandersetzungen. Aber, und das sicherlich kein Geheimnis, wir haben als Projekt immer gesagt, dass wir das staatliche Gewaltmonopol nicht akzeptieren und dass wir glauben, dass es nötig ist, auch formale und legale Regeln auch bewusst zu übertreten. Es gäbe die Rote Flora nicht, wenn man sich auf Unterschriftenaktionen und symbolische Politik beschränkt hätte."
Schließlich wären auch die Hafenstraßen-Häuser ohne die autonome Bewegung längst abgerissen und durch teure Neubauten ersetzt worden, so Andreas Blechschmidt.
Vor vier, fünf Jahren haben die Krawalle rund um die Flora, am 1. Mai oder beim Schanzenfest im Frühherbst nachgelassen. Mittlerweile kommt es sogar vor, dass die Linksautonomen eingreifen, wenn jugendliche und gänzlich unpolitische Randalierer aus Spaß am Radau Polizisten attackieren. Die Ausschreitungen im letzten Dezember waren eher ein kurzer Rückfall in alte Zeiten, in denen Polizei und Autonome besonders ruppig aufeinander losgingen. Zum 25. Geburtstag der Roten Flora herrscht in Hamburg der parteiübergreifende Konsens: Das Zentrum soll bleiben, ein Rückkauf durch die Stadt ist der richtige Weg.
Unter bestimmten Bedingungen ist auch der Innenexperte der Hamburger CDU Kai van Vormizeele damit einverstanden:
"Dann muss ich ein Konzept haben. Und das Konzept muss vor allem eins - denke ich - klar und deutlich machen: Es gilt auch für die Rote Flora der Rechtstaat. So einfach ist das. Und wenn das sichergestellt ist und die Stadt das finanzieren will, dann soll sie es tun."
Auch Kai van Vormizeele ist genervt von den Provokationen des Flora-Eigentümers Klausmartin Kretschmer und dessen Berater. Diese Provokationen ist die Stadt los, wenn ihr das Flora-Gebäude gehört.
Nicht alle wollen gratulieren
Glückwünsche für die Rote Flora kommen Vormizeele nicht über die Lippen. Und auch Dirk Kienscherf, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, lässt sich dazu nicht hinreißen:
"Ich wünsche der Roten Flora eine friedliche Zukunft! Wir sagen der Flora ganz klar zu: Sie kann dort bleiben. Es gibt keinerlei Überlegungen, da etwas zu verändern. Wir akzeptieren die Situation dort so, wie sie ist. Wir wollen den Frieden dort wahren. Und wir glauben, dass wir zusammen mit dem Stadtteil da auf einem guten Weg sind."
Lässt sich die Stadt also von den Besetzern erpressen? Nach dem Motto: Ihr kauft das Gebäude oder wir, die Autonomen gehen auf die Straße, machen Krawall. Kienscherf weicht der Frage aus. Lobt lieber die Besonnenheit, mit der Rotfloristen auftreten. Und weiß: die Aktivisten interessiert es nicht, welcher Eigentümer im Grundbuch steht. Im Zweifel werden sie weiterhin so militant und gewalttätig ihre Ziele verfolgen wie in der Vergangenheit.
Das bestätigt der Hamburger Verfassungsschutzpräsident Manfred Murck. Er hält den Rückkauf durch die Stadt für eine gute Idee, dämpft aber die Hoffnungen auf eine ganz friedliche Zukunft der Flora:
"Es wird Luft aus diesem Konflikt rausnehmen. Diese unsäglichen kleinen Nadelstiche und Störungen des Investors werden nicht mehr sein. Aber die autonome Szene ist die autonome Szene. Die beschreiben wir seit Jahrzehnten. Und da jetzt zu hoffen, dass die sich nun komplett integrieren würden in die Stadt und alles gut finden, nur weil sie jetzt ihr Gebäude da auf Dauer haben, dass die sagen: 'Ja prima, jetzt haben wir das und jetzt machen wir gar nichts mehr!', das wäre illusionär! Aber es wäre ein Beitrag zu einer besseren Konfliktregelung."
Lob für den Verfassungsschutz
Andreas Blechschmidt, der Sprecher der linksautonomen Flora-Besetzer schätzt die Analysen der Hamburger Verfassungsschützer. Die würden sich immerhin viel Mühe geben, um linksautonome Positionen zu verstehen, findet er:
"Im Moment hat die Politik eher so einen taktischen Burgfrieden mit uns geschlossen. So eine Güterabwägung: Will man sich diesen Stress antun, eine Räumung mit robusten Auseinandersetzungsszenario? Will man sich das antun? Und da hat die Politik glaube ich im Moment sich entschieden, sich das im Moment nicht antun zu wollen. Aber aus unserer Sicht ist auch immer wieder eine politische Konstellation denkbar, wo es um die Existenz der Roten Flora geht. Insofern ruhen wir uns auf unseren vermeintlichen Lorbeeren nicht aus. Sondern wollen die Flora auch in Zukunft konsequent als besetzten Ort verteidigen. Und insofern: Investoren kommen und gehen – aber bis jetzt kann man sagen: die Flora bleibt bestehen."
"Keinen Fußbreit den Faschisten, keine Handbreit dem System, schreib’s an jede Häuserwand, schreib’s an jede Häuserwand: lass die Rote Flora stehen, lass die Rote Flora stehen!" (O-Ton Rote-Flora-Song)
Die Rote Flora bleibt bestehen – das scheint in Hamburg der Fall zu sein. Ganz im Gegensatz zu einem ähnlich berühmten besetzten Haus – dem Kunsthaus Tacheles in Berlin nämlich.