Flüchtlingszimmer mit schöner Aussicht
Ein Flüchtlingsheim im Hamburger Nobelviertel Harvestehude − lange gab es Widerstand und Klagen dagegen, doch am Montag sollen die ersten Menschen dort einziehen. Dass den Anwohnern ein Stein vom Herzen fiel, ist auch einer Bürgerinitiative zu verdanken.
Kleine weißgetünchte Villen säumen die schmale Straße, zur Außenalster geht man keine fünf Minuten. Hier, im feinen Harvestehude, auf den Sophienterrassen, werden in den nächsten Tagen 190 Flüchtlinge einziehen, vor allem Familien. Früher war in dem langgestreckten, dreistöckigen Bau das Kreiswehrersatzamt untergebracht. Heute, nach einem sechsmonatigen Umbau, präsentierte Rembert Vaerst, Chef der städtischen "Fördern und Wohnen", des Betreibers, die Räumlichkeiten:
"Wir sind natürlich sehr froh, dass wir diese Einrichtung jetzt in Betrieb nehmen können. Wir sind in einer Zeit, wo wir Einrichtungen möglichst früh in Betrieb nehmen, weil wir einfach viele Plätze brauchen, um die schwierigen Situationen, die wir in unseren Erstaufnahmeeinrichtungen für die Flüchtlinge haben, möglichst schnell zu beseitigen."
Und natürlich war auch Rembert Vaerst heilfroh, als nach den Klagen einiger Anwohner eine Einigung über die Nutzung der Folgeunterkunft im Nobelviertel erzielt wurde. Vor anderthalb Jahren, als die Pläne für die Unterkunft bekannt wurden, hatten drei Nachbarn Klage gegen das Projekt eingereicht. Vor allem die Dimension sei zu groß, kritisierten sie. 220 Menschen, so die ursprünglichen Pläne, sollten ins ehemalige Kreiswehrersatzamt einziehen. Zudem verstießen die Pläne gegen den Bebauungsplan.
Herzlose Villenbesitzer?
Das Hamburger Verwaltungsgericht gab den Klägern Recht, die Fronten waren klar, auch in der medialen Berichterstattung: die herzlosen Villenbesitzer verweigern den Ärmsten der Armen eine Bleibe. Trotzdem wurde am Ende nicht nur der Bebauungsplan geändert, sondern auch eine Einigung mit den Klägern erzielt:
"Der Bezirk hatte uns auch von Anfang an mit einbezogen in die Gespräche. Der Stein vom Herzen ist eigentlich gefallen in dem Moment, wo wir die Unterschrift unter die Vereinbarung zusammen gesetzt haben."
Nicht 220, sondern nur noch 190 Bewohner, vor allem Familien aus Krisengebieten - mit diesem Kompromiss können beide Seiten, der Bezirk und die besorgten Anwohner, leben. Die Zimmer im Gebäude sind spartanisch eingerichtet: Ein Tisch, drei Stühle, drei Betten, drei schmale Schränke, eine kleine Küche. Die Vorhänge fehlen noch. Es riecht nach frischer Farbe. Auch Hendrikje Blandow-Schlegel, Rechtsanwältin, Bürgerschaftsabgeordnete und Anwohnerin, freut sich, dass es endlich losgeht. Sie ist Gründungsmitglied der "Flüchtlingsinitiative Harvestehude":
"Die ersten Aktivitäten, die an den Start gehen, ist die Teestube, die täglich geöffnet ist. Parallel dazu die Kinderbetreuung und die ebenfalls parallel angebotenen Ausflüge in die Umgebung vom Stadtteil, wo wir alle Spielplätze anlaufen werden. Aber auch natürlich die Einkaufsmöglichkeiten, wo wir Spaziergänge machen zum Bezirksamt. Wir haben allerdings auch eine Umgebungskarte erstellt und gehen davon aus, dass viele auch selbständig loslaufen."
Paten helfen bei der ersten Orientierung
200 Unterstützer stark ist die Flüchtlingsinitiative Harvestehude. Den Flüchtlingen, die das wollen, werden Paten zur Seite gestellt, die dabei helfen sollen, sich in Hamburg, im Viertel, bei der Arbeitssuche zurechtzufinden. Anselm Sprandel, seit Oktober Flüchtlingskoordinator in der Hansestadt, war heute Nachmittag bei der Begehung nicht dabei. Aber froh über die Fertigstellung der Unterkunft ist er allemal:
"Ich freue mich, weil wir erstens angewiesen sind auf die Plätze, die da jetzt belegt werden können, damit wir die Menschen unterbringen. Weil wir zweitens dort schon eine große Unterstützerszene haben, die darauf warten und sich engagieren wollen. Und weil wir drittens hier auch einen kleinen Teil zur Verteilungsgerechtigkeit sozusagen beitragen. Nämlich insofern, als wir jetzt auch eine Unterkunft in Harvestehude haben und es erklärtes Ziel von uns ist, dass wir die Herausforderung, die mit der Flüchtlingsunterbringung verbunden sind, eben möglichst gleich auf die Stadt und ihre Stadtteile verteilen."
Bislang, räumt Anselm Sprandel ein, gibt es aber nach wie weiße Flecken auf Hamburgs Landkarte, Orte, in denen bislang noch keine Erstaufnahmen oder Folgeunterkünfte stehen. Aber auch das, so Anselm Sprandel, werde sich noch ändern.