Die Ausstellung "Eine Stadt und ihr KZ: Häftlinge des KZ Neuengamme im Hamburger Kriegsalltag 1943-1945" ist bis zum 10. Februar 2019 im Hamburger Rathaus zu sehen.
"So ausgemergelte und dürftige Gestalten"
Das KZ Neuengamme brachte mehr als 42.000 Menschen den Tod. Die Arbeitseinsätze der Häftlinge blieben der Hamburger Bevölkerung nicht verborgen. Die Ausstellung "Eine Stadt und ihr KZ" zeigt nun, was die Bürger vom Lager mitbekamen.
Vom prächtigen Hamburger Rathaus aus waren es nur rund 25 Kilometer bis zum KZ Neuengamme. Aber die Menschen im Hamburg der 1940er Jahre bekamen zunächst nur wenig mit vom Grauen hinter den KZ-Mauern.
"Das, was die Hamburger Bevölkerung mitbekommen hat, waren natürlich nicht die großen Mordaktionen im Konzentrationslager. Denn das waren tatsächlich Sachen, die hinter verschlossenen Türen geschehen sind."
Was die Bevölkerung mitbekommen haben muss
Alyn Beßmann hat die Ausstellung "Eine Stadt und ihr KZ" kuratiert. In der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ist sie zuständig für die Abteilung Dokumentation und Archiv.
Heute Abend führte Alyn Beßmann die erste Besuchergruppe durch die hohe Eingangshalle des Hamburger Rathauses. Rings um die massiven Pfeiler der Halle hängen Schautafeln mit Fotos, Originaldokumenten und erklärenden Texten. Oder die Tondokumente, die klar machen, dass die Bevölkerung in den Dörfern rund ums KZ wohl als erste merkten, wie die Menschen dort geknechtet wurden. Zum Beispiel, weil sie den Kolonnen vor und nach einem Arbeitseinsatz beim Kanalbau über den Weg liefen:
"Am Rand gingen die Wachmannschaften, mit dem Maschinengewehr im Anschlag auf die Kolonne. Und die Kolonne marschierte so in Sechserreihen und nahm die ganze Deichbreite ein. Da musste man dann mit dem Fahrrad die Kolonne überholen. Voll bei Kräften waren nur die ersten fünf Reihen. Aber was dann kam, waren so ausgemergelte und dürftige Gestalten, dass es einem wirklich sehr, sehr nahe ging. Das man an denen vorbei musste ohne dass man nun auch nur irgendwas tun konnte, helfen konnte. Insofern war das schon nicht so angenehm."
KZ-Häftlinge räumten Kriegstrümmer weg
Erst 1943, nach den Bombenangriffen der "Operation Gomorrha", hatte auch die breite Stadtbevölkerung Kontakt den Zwangsarbeitern aus Neuengamme, erzählt Kuratorin Alyn Beßmann.
"Nach den Bombardierungen sind Häftlinge herangezogen worden zum Trümmerräumen. Dann hat sich das verstetigt. Dann war es so, dass auch die Hamburger Gauwirtschaftskammer, wie die Handelskammer Hamburg damals hieß, darauf aufmerksam worden ist, dass ja KZ-Häftlinge auch Arbeitskräfte sind. Und dann gab es immer mehr Begehrlichkeiten."
Rüstungsbetriebe siedelten sich direkt neben dem KZ an. Auf dem Gelände selbst schufteten die Menschen im noch heute erhaltenen Ziegelwerk, lieferten den typisch roten Klinker für die Bauten in der Hansestadt. Die Blohm & Voss-Werft setzte die Zwangsarbeiter im Schiffs- und U-Boot-Bau ein.
Über 42.000 Menschen kostete das KZ Neuengamme das Leben, durch die Entkräftung, durch katastrophale hygienische Zustände, medizinische Versuche, durch Erschießungen, durch Zyklon B. Oder sie starben bei den Luftangriffen, weil sie nicht in den Bunker durften.
Nach dem Krieg entstand auf dem Gelände ausgerechnet ein neues Gefängnis. Walter Buhl war damals Leitender Direktor der Hamburger Gefängnisbehörde. Und seine Begründung, findet Alyn Beßmann, sei ganz erstaunlich.
"Er hat nämlich gesagt: 'Das Konzentrationslager Neuengamme lastet wie ein Fluch auf Hamburgs Gewissen, seiner Ehre und seinem Ruf. Die grauenhaften Schrecken dieses Lagers müssen ausgelöscht werden aus der Erinnerung an unsere Zeit. Hierzu wird jetzt die Gelegenheit geboten. Nämlich hier eine vorbildliche Gefangenenanstalt aufzubauen, die den Ruf Hamburgs wiederherstellt.'"
2003 wurde das Gefängnis auf dem KZ-Gelände abgerissen, 2005, 60 Jahre nach Kriegsende, die Gedenkstätte eröffnet.