Wer zahlt den Preis der hohen Kunst?
Die Eröffnung der Elbphilharmonie habe Hamburg in einen Rausch versetzt, sagt Amelie Deuflhard, künsterische Leiterin von Kampnagel. Das Gebäude sei "spektakulär". In diesen Zeiten blühender Hochkultur fordert sie mehr finanzielle Mittel für die freie Szene.
Heute Abend wird die Hamburger Elbphilharmonie mit einem Festakt eröffnet. Doch wie sieht das Verhältnis der Finanzierung von Hochkultur und freier Kunstszene in der Hansestadt aus?
Amelie Deuflhard, künstlerische Leiterin von Kampnagel in Hamburg, fordert im Deutschlandradio Kultur mehr Mittel für die andere Seite der Kultur:
"Die freie Szene in Hamburg – und das bezieht sich auf alle Kunstsparten – ist wirklich nicht gut gestellt. Da muss dringend nachgebessert werden. Das hat nicht direkt etwas mit der Elbphilharmonie zu tun. Es gab eigentlich in keinem Kunstbereich in Hamburg Kürzungen. Es war quasi frisches Geld, was da investiert wurde. Aber die freie Szene – die braucht auch in Hamburg deutlich mehr Geld."
Die Elbphilharmonie mit den explodierten Baukosten sei jetzt "teuer geworden", so Deuflhard. Sie beschrieb eine gewisse Atmosphäre der Verzückung in der Stadt:
"Wenn ich mir so den Rausch anschaue, in dem Hamburg sich gerade befindet und auch von außen quasi die Aufmerksamkeit ansehe: Ja, finanziell hat sich das vielleicht nicht gelohnt, aber das ist ja in der Kunst öfter mal so."
Sie habe sich das Gebäude in allen Bauphasen genau angeschaut, sagt Deuflhard. Die Elbphilharmonie sei spektakulär und vielleicht auch ein Gegenentwurf zu Scharouns Berliner Philharmonie:
"Diese Gänge, es ist alles enger, gedrungener, individualisierter. Ich glaube, man kann da sein und vollkommen problemlos zehn Leute, die am gleichen Tag auch da waren, nicht treffen, weil man sie weder im Saal so richtig sieht noch in den Foyers, die durch die unterschiedlichen Stockwerke sehr verschlungen sind."
"Die freie Szene in Hamburg – und das bezieht sich auf alle Kunstsparten – ist wirklich nicht gut gestellt. Da muss dringend nachgebessert werden. Das hat nicht direkt etwas mit der Elbphilharmonie zu tun. Es gab eigentlich in keinem Kunstbereich in Hamburg Kürzungen. Es war quasi frisches Geld, was da investiert wurde. Aber die freie Szene – die braucht auch in Hamburg deutlich mehr Geld."
Die Elbphilharmonie mit den explodierten Baukosten sei jetzt "teuer geworden", so Deuflhard. Sie beschrieb eine gewisse Atmosphäre der Verzückung in der Stadt:
"Wenn ich mir so den Rausch anschaue, in dem Hamburg sich gerade befindet und auch von außen quasi die Aufmerksamkeit ansehe: Ja, finanziell hat sich das vielleicht nicht gelohnt, aber das ist ja in der Kunst öfter mal so."
Sie habe sich das Gebäude in allen Bauphasen genau angeschaut, sagt Deuflhard. Die Elbphilharmonie sei spektakulär und vielleicht auch ein Gegenentwurf zu Scharouns Berliner Philharmonie:
"Diese Gänge, es ist alles enger, gedrungener, individualisierter. Ich glaube, man kann da sein und vollkommen problemlos zehn Leute, die am gleichen Tag auch da waren, nicht treffen, weil man sie weder im Saal so richtig sieht noch in den Foyers, die durch die unterschiedlichen Stockwerke sehr verschlungen sind."
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Diskutiert und auch viel kritisiert ist sie geworden. Egal, heute wird die Elbphilharmonie eröffnet. Bisher gab es ja Begeisterung allerorten, und wer jetzt daran erinnert, dass dieser Superluxusbau auch mit Geld erkauft wurde, das anderswo an der kulturellen Basis in der Provinz fehlen könnte, der gilt schlicht als Spielverderber. Eine Institution, was alternative Kultur in Hamburg angeht, ist die Kampnagel-Fabrik, und Chefin dort selbst auf Kampnagel ist Amelie Deuflhard und als solche der freien Szene sehr zugewandt. Wie sie zur Elbphilharmonie steht, darüber will ich jetzt mit ihr reden. Frau Deuflhard, schönen guten Morgen!
Amelie Deuflhard: Schönen guten Morgen!
Billerbeck: Die Elbphilharmonie scheint den Verantwortlichen lieb, aber eben auch sehr teuer. Wir kennen ja die Summen: fast 800 Millionen Euro hat sie am Ende gekostet. Ist das zu teuer oder darf man sich sowas auch mal etwas mehr kosten lassen?
Deuflhard: Ja, ich würde sagen, so ein Gebäude, das hat jetzt eben gekostet, was es gekostet hat. Wir wissen das ja alle: es gab in der Bauphase viele Pannen, und jetzt ist es teuer geworden. Wenn ich mir so den Rausch anschaue, in dem Hamburg sich gerade befindet, und auch von außen quasi die Aufmerksamkeit – ja, finanziell hat es sich vielleicht nicht gelohnt, aber das ist ja in der Kunst öfter mal so.
Billerbeck: Waren Sie denn schon drin?
Deuflhard: Ja klar.
Billerbeck: Ja.
Deuflhard: Ich war eigentlich in allen Bauphasen drin. Ich war schon auf dem Kaispeicher oben drauf, bevor es losging und war in allen Bauphasen drin. Zuallerletzt letzte Woche bei der choreografischen Führung von Sasha Waltz, aber auch in anderen Bauphasen.
Architektonischer Gegenentwurf zur Berliner Philharmonie
Billerbeck: Und? Nun wollen wir natürlich wissen: wie gefällt Ihnen das Ding?
Deuflhard: Ja, es ist … Ich weiß nicht, ob Sie Hamburg kennen.
Billerbeck: Klar.
Deuflhard: Es ist schon spektakulär. Das Innengebäude, sehr ungewöhnlich auch, es ist fast wie so ein architektonischer Gegenentwurf zur Scharounphilharmonie in Berlin.
Billerbeck: Ach, das ist interessant. Die Assoziation hatte ich auch, ja.
Deuflhard: Ja, es ist … Diese Gänge, es ist alles enger und gedrungener und individualisierter. Also es ist so, ich glaube, man kann da sein und vollkommen problemlos zehn Leute, die am gleichen Tag auch da waren, nicht treffen, wenn man sie wieder im Saal so richtig sieht, noch in den Foyers, die sehr verschlungen sind durch die unterschiedlichen Stockwerke quasi des Gebäudes.
"Die freie Szene in Hamburg ist nicht gut gestellt"
Billerbeck: Nun müssen wir trotzdem noch mal aufs Geld kommen und das Verhältnis zwischen freie Szene und diesem Wahnsinnsbau, der da jetzt entstanden ist. Da gibt es ja durchaus trotzdem Kritik, und Sie sind ja als Chefin von Kampnagel, Deutschlands größter freier Spiel- und Produktionsstätte, da mitten drin. Da haben Sie sicher Verständnis dafür, oder haben Sie vielleicht ähnliche Befürchtungen, dass dieser Preis, der da gezahlt wurde für die Elbphilharmonie eben woanders fehlt, wo der Rock dann eben zu kurz sein wird?
Deuflhard: Also im Moment ist es tatsächlich nicht der Fall, wobei Kampnagel – wir machen ja auch viele internationale Produktionen, aber die freie Szene an und für sich in Hamburg – und das bezieht sich auf alle Kunstsparten – ist wirklich nicht gut gestellt, und da muss dringend nachgebessert werden. Das hat nicht direkt was mit der Elbphilharmonie zu tun. Es gab keine Kürzungen und zwar eigentlich in keinem Kunstbereich in Hamburg. Es war quasi frisches Geld, wie man so schön sagt, das das investiert wurde, und auch für den Spielbetrieb, aber trotzdem werden da, glaube ich, alle Kunst- und Kulturschaffenden in Hamburg sehr aufmerksam sein, dass nichts passiert, und die freie Szene, das muss in Hamburg der nächste Schritt sein – Berlin und viele andere Städte sind da vorausgegangen –, die braucht auch in Hamburg deutlich mehr Geld.
Billerbeck: Kommen wir mal zum Programm der Elbphilharmonie. Sie haben es ja gesagt, Sie waren schon drin bei der tänzerischen Einführung von Sasha Waltz zum Beispiel, aber wenn man sich das Programm anguckt, das jetzt kommt, dann könnte man – böse formuliert – sagen, am Eröffnungsabend gibt es einen Strauß bunter Melodien, die die Besucher erwartet, also eine musikalische Mischung von Renaissance bis Moderne, Wolfgang Rihm hat ein Auftragswerk geschrieben, dazu gibt es Beethoven, Messiaen, Wagner, Praetorius und, und, und.
Dann gibt es ein Eröffnungsfestival, da kommt das Chicago Symphony Orchestra, später dann ein Abend mit Arvo Pärt, also ein Este, der so atmosphärisch spirituelle Musik macht, und es gibt eine Veranstaltung mit dem Schauspieler John Malkovich – ist eine bunte Mischung. Gefällt Ihnen die?
Deuflhard: Ja, also das Programm machen für die Elbphilharmonie ist schon dadurch eine Mischung, als es eben im Gegensatz zu anderen Konzerthäusern, zum Beispiel auch Berlin oder vielen anderen … Es wird ja nicht kontinuierlich von einem Orchester bespielt, sondern es ist tatsächlich die Idee, dass auch internationale Orchester eingeladen werden. Das NDR-Orchester macht Veranstaltungen, es werden Festivals sein. Es ist so ein bisschen die Struktur der Elbphilharmonie.
Also es gibt auch Konzertveranstalter, die sich da einmieten, und es gibt eben das eigene Programm, und ich finde, wenn man so die Rahmenbedingungen bedenkt, die die haben, und zum Programm machen – Christoph Lieben-Seutter, der Intendant, jetzt allen voran –, ich finde, dass die ein ganz gutes Programm hingekriegt haben, wo man auch die Rahmenbedingungen nicht so gut erkennen kann, die gar nicht mal so einfach sind.
Künstlerische Kooperation mit der Elbphilharmonie
Billerbeck: Wird es denn auch Berührungspunkte geben zwischen Kampnagel und der Elbphilharmonie, haben Sie sich da schon eingebracht?
Deuflhard: Man muss tatsächlich sagen, dass die Elbphilharmonie schon seit acht Jahren, also auch bevor sie stand – aber das Label gibt es ja schon lange, und Christoph Lieben-Seutter ist auch schon hier –, dass wir schon seit acht Jahren sehr intensiv zusammenarbeiten, auch auf unterschiedlichen Ebenen. Wir machen zusammen das Neue-Musik-Festival, "Greatest Hits", das findet auf Kampnagel statt.
Wir werden bei "Theater der Welt", was sich ja jetzt im Mai, Juni, was Kampnagel zusammen mit dem Thalia-Theater macht, werden wir eine Produktion in der Elbphilharmonie zeigen, zusammen auch mit der Elbphilharmonie, und wir machen auch ein Sommerfestival in der Elbphilharmonie, was ich noch nicht verraten kann. Also es gab schon immer viele Kooperationen, und es wird auch weiterhin Kooperationen geben mit der Elbphilharmonie – in beide Richtungen: die machen Sachen bei uns, wir machen Sachen bei denen.
Billerbeck: Amelie Deuflhard war das, Chefin auf Kampnagel in Hamburg, über die Elbphilharmonie, die heute eröffnet wird. Ich danke Ihnen!
Deuflhard: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.