Händler enttäuscht von strengen Auflagen
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Die Händler sind sauer. Für die Wiedereröffnung des Hamburger Fischmarktes wurden ihnen Auflagen wie bei einer Großveranstaltung gemacht. Zudem dürfen die Händler ihre Angebote nicht mehr laut ausrufen. Das wird die Atmosphäre des Marktes verändern.
"So, denn kommen Sie mal mit!" Dieter Bruhn, besser bekannt als Aale Dieter gibt das Tempo vor. Mit schnellen Schritten geht der 81-Jährige entlang der Elbe voran. "Immer weiter, alles Fischmarkt bis runter zum Wasser. Alles Fischmarkt-Fläche."
Und auf dieser Fläche findet normalerweise jeden Sonntagmorgen der Fischmarkt statt. Im Sommer ab 5 Uhr morgens, im Winter ab 7 Uhr. Seit März allerdings war hier sonntagmorgens nichts mehr los, während andere Wochenmärkte in der Stadt längst wieder ihren Betrieb aufgenommen haben.
Urgestein vom Fischmarkt
"Nebenbei gesagt: Da stehe ich. Da unten an der Elbe. Schon jetzt 62 Jahre." Hier hat Dieter Bruhn normalerweise sonntags seinen Stand. Er ist das Urgestein vom Fischmarkt. Nun sorgt er sich um die Zukunft seines Fischmarkt, der über Hamburgs Stadtgrenzen hinweg bekannt ist.
"Gucken Sie mal hier wie breit. Alles Fischmarkt sonntags!"
Mit dem minutenlangen Marsch im Eiltempo soll deutlich werden: Hier ist Platz, die Kunden können problemlos Abstand halten.
"Sie merken, dass ich so ein bisschen aufgeregt, so ein bisschen wütend werde. Das hat auch seinen Grund. Man muss immer verhältnismäßig und auch richtig urteilen. Aber einfach drüber weg über Existenzen zu entscheiden und zu sagen: So machen wir das. Und fertig. Das ist Blödsinn, übertrieben, sag ich mal. Blödsinn aber übertrieben."
Dieter Bruhn kann die jüngste Entscheidung des Bezirksamts Altona, das zuständig für den Fischmarkt ist, nicht verstehen. Der Bezirk Altona hat zwar grünes Licht gegeben: Der Markt darf ab Ende Oktober wieder öffnen. Allerdings nur mit 60 Ständen, auf einer kleinen Fläche, die eingezäunt wird.
Der Fischmarkt bekommt Auflagen wie eine Großveranstaltung und läuft nicht mehr unter dem Label Wochenmarkt. Die Waren werden nicht ausgerufen. Sicherheitsleute werden den Einlass für maximal 500 Besucher zur Zeit regeln. Abstand und Maske versteht sich von selbst. Knackpunkt ist allerdings die geänderte Zeit – von 11 Uhr bis 15 Uhr.
Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg verteidigt das Konzept: "Das ist so der Spagat, den wir gehen mussten. Auf der einen Seite das Infektionsgeschehen auch im Griff zu behalten. Und aber auch die Wirtschaftlichkeit des Fischmarktes zu betrachten. Und dann aber auch das Ladenöffnungszeitengesetz natürlich zu beachten. Und dort ist halt klar hinterlegt, dass zurzeit des Hauptgottesdienstes keine regelmäßigen Geschäftszeiten sind."
Anderes Publikum wird kommen
Wilfried Thal vertritt die Händler in Hamburg. Er freue sich zwar, dass es wieder losgehe. Die Händler hatten aber nach den sechs Monaten Pause auf weniger strenge Auflagen gehofft.
"Die andere Zeit letztendlich auch von 11 bis 15 Uhr bringt ganz andere Menschen auf den Plan, als den, der morgens einfach hardcore-mäßig aufsteht und sagt: 'Ich will zum Fischmarkt, ich will mir Blumen kaufen, ich will mir einen Arm voller Blumen mitnehmen, ich will eine Tüte voll Fisch, ich will eine Tüte voll Gemüse dort mir ergattern.' Das wird dann natürlich ein ganz anderes Publikum sein, das vielleicht eher einen Kaffee trinken möchte oder einen Keks dazu."
Zur frühen Uhrzeit könnten Betrunkene auf den Fischmarkt strömen, die sich nicht an Maskenpflicht und Abstand halten würden, so die Befürchtung im Altonaer Rathaus: "Dann hätten wir genau die Situation gehabt, was ja bisher die Marke Fischmarkt ausmacht: Nämlich die Betrunkenen aus dem Kiez und der Sternschanze und wer weiß woher sammeln sich dort. Und das können wir als Bezirksamt auch im Schulterschluss mit der Sozialbehörde einfach nicht verantworten."
Der Stand wird sich nicht lohnen
Dieter Bruhn findet diese Angst übertrieben. "Wo sind denn diese ganzen Betrunkenen, die da Randale machen, nichts! Gar nichts. Der Fischmarkt ist so vernünftig und ruhig geworden, wie die Menschen sind. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Gut, das kommt mal vor. Da ist mal einer, der hat sich einen kleinen reingetüdelt. Aber die meisten sind doch von der Reeperbahn oder der Freiheit, die sind doch schon im Bett. Was soll das?"
Für die Händler ist es unverständlich – zumal derzeit auch die Massen an Touristen wegfielen. Frühschoppen ist da sonst sehr beliebt. Und das Nachtleben auf St. Pauli fahre unter Corona-Bedingungen auf Sparflamme. Sein Stand werde sich wahrscheinlich nicht lohnen, sagt Aale Dieter. Wie viele hofft er, dass der Fischmarkt so bald wie möglich wieder in seiner gewohnten traditionellen Form am Morgen stattfinden kann.