Gedränge, Geschiebe − und keine Abhilfe in Sicht
Der Hamburger Hauptbahnhof platzt aus allen Nähten − vor allem wegen der Pendler. Täglich 550.000 Fahrgäste drängeln sich auf viel zu kleinen Bahnsteigen und durch die engen Bahnhofshallen. Doch Entlastung ist in weiter Ferne.
Am frühen Morgen, um kurz nach acht, warten nur drei Dutzend Pendler auf Gleis 13. Dann rollt ein Regionalzug aus Niedersachsen in den Hauptbahnhof ein. Die Türen öffnen sich, die Passagiere strömen heraus, füllen den gesamten Bahnsteig. Mehmet Cici kennt das Geschiebe. Jeden Morgen fährt der Hamburger zur Arbeit nach Lüneburg, abends wieder zurück:
"Das war immer so! Das ist ein allgemeines Problem mit den Ausgängen, dass nicht ausreichend Ausgänge da sind. Wenn zwei Züge hier eintreffen auf einmal, wenn zum Beispiel einer aus Buchholz kommt, der andere aus Lüneburg, dann haben Sie das Problem!"
Auf Gleis 13/14 wird besonders deutlich, welche Menschenmassen im Hamburger Hauptbahnhof tagtäglich unterwegs sind. Auch Heino Salge, wie jeden Morgen auf dem Weg nach Lüneburg, fragt sich, warum die Deutsche Bahn hier nicht endlich für Abhilfe sorgt.
"Gleis 13/14 ist das schmalste von allen. Und wenn der Zug praktisch hier hält, auf A bis C, dann ist alles auf einen Ausgang konzentriert. Das ist schon sehr viel, was da zusammenkommt."
Hamburg Hbf gilt als überlasteter Schienenweg
Und ausgerechnet an diesem Bahnsteig halten zu Stoßzeiten oft zwei Züge hintereinander. Das Problem ist schon seit Jahren bekannt. Und jedes Jahr, mit dem Anwachsen der Pendlerströme, wird es größer. Schon seit 2010 gilt der Bahnhof ganz offiziell als so genannter "überlasteter Schienenweg".
In Betrieb genommen vor über hundert Jahren ist der Hamburger Hauptbahnhof der bundesweit am intensivsten genutzte Eisenbahnknotenpunkt. Rund 550.000 Menschen nutzen ihn täglich. Und mittlerweile, erzählt Birger Wolter vom Fahrgastverband "Pro Bahn", würden auch immer wieder Ordner an den Zugängen zum Bahnsteig eingesetzt:
"Das passiert durchaus bei Spitzenzeiten, am Wochenende, insbesondere auch dann, wenn Sonderveranstaltungen in Hamburg sind, wenn Sonderzüge eingesetzt werden. Aber manchmal auch einfach dann, wenn es hohe Verspätungen im Fernverkehr gibt, Zugausfälle, die Menschen also schon hier auf dem Gleis 13/14 stehen, ihr Zug nicht kommt. Dann kommt es natürlich erst recht zu Überfüllungen, wo dann in der letzten Zeit schon des Öfteren auch Ordner eingesetzt wurden, die dann den Zugang zum Bahnsteig gesperrt haben. Habe ich gerade selbst auch letzten Sonnabend erlebt, wo dann immer zugweise die Fahrgäste zu den Bahnsteigen gelassen wurden."
Die "große Lösung" ist schwierig
Birger Wolter von "Pro Bahn" steht unten auf dem Bahnsteig, über ihm die Brücke, über die Autos, Laster, Busse am Bahnhofsgebäude vorbeirollen:
"Die Idee ist dann eben halt, wenn wir hier jetzt in Richtung Süden schauen - da fährt jetzt auch gerade ein Metronom-Zug ein - dass dort eben ein weiterer Treppenabgang geschaffen wird. Es ist letzten Endes auch ein Kompromiss, letztendlich bedarf es einer großen Lösung. Diese große Lösung kann aber auch nur in Zusammenarbeit mit Bahn und Stadt passieren."
Diese große Lösung wollen auch die Deutsche Bahn und die Stadt Hamburg. Allerdings sei es noch viel zu früh, genaue Angaben dazu zu machen, wie diese Lösung aussehen könnte, wie viel sie kostet und wann sie einmal umgesetzt werden sein wird, erklärt der Sprecher der Deutschen Bahn Egbert Meyer-Lovis:
"Das ist natürlich bei einem Hauptbahnhof, der in der Innenstadt liegt, nicht so ganz einfach. Sie können rechts und links, wenn man so will, gar nicht ausweichen, da haben Sie gar keine Chance. Auf der einen Seite liegt zum Beispiel der U-Bahn-Tunnel. Und auf der anderen Seite gibt es einen alten Bunker, der vier- oder fünfstöckig ist. Das heißt, die können sich mit den Gleisen nicht mehr ausbreiten rechts und links."
Infrage käme nur die auch von "Pro Bahn" vorgeschlagene Lösung, zusätzliche Aufgänge am Südsteg des Bahnhofs zu bauen. Und dafür wiederum müsste die bisher vom Autoverkehr genutzte Steintorbrücke dauerhaft dicht gemacht werden:
"Der Individualverkehr muss ja dort weiträumig, wenn man das machen würde, umgeleitet werden. Was macht man mit den Buslinien? Das ist ja ein sehr komplexes Thema, das auch weitreichende Auswirkungen in den Stadtverkehr hat."
Vor zwei Jahren habe man sich entschlossen, zunächst eine so genannte Verkehrsstromanalyse durch die Stadt erstellen zu lassen. Die Bahn selbst steuert dann eine Personenstromanalyse bei. Die Ergebnisse beider Untersuchungen sollen, versichert Egbert Meyer-Lovis, schon in wenigen Monaten vorliegen:
"Das Gutachten wird jetzt im Herbst vorliegen. Final. Mit allen seinen Details. Und daraus kann man ja erst die endgültige Konsequenz ableiten, welche baulichen Maßnahmen man machen kann. Sonst brauche ich das Gutachten nicht."
An das Gutachten schließt sich dann eine Machbarkeitsstudie an, die wiederum auch einer denkmalrechtlichen Prüfung standhalten muss. Mitte der 20er-Jahre soll die Erweiterung des Hauptbahnhofs abgeschlossen sein.
Bis dahin werden aller Voraussicht nach die Passagierzahlen noch einmal gestiegen sein. Bis dahin müssen die Reisenden sich noch mit dem Gedränge im Bahnhof abfinden.
"Bin dran gewöhnt"
Wieder rollt ein Zug auf Gleis 13 ein, rund tausend Menschen steigen aus, schieben sich dicht gedrängt in Richtung Treppe und Rolltreppe. Die meisten nehmen es mit Gelassenheit:
"Ja, ist voll. Finde ich aber nicht so schlimm!"
"Ich pendele nicht jeden Tag. Nur manche Tage. Letzte Woche war es mir zu voll, diese Woche scheint mir alles noch wie üblich. Dran gewöhnt vielleicht."
"Ich pendele nicht jeden Tag. Nur manche Tage. Letzte Woche war es mir zu voll, diese Woche scheint mir alles noch wie üblich. Dran gewöhnt vielleicht."