Laster, Luxus, Lieblingsgetränk
Ende des 17. Jahrhunderts hat in Hamburg das erste Kaffeehaus eröffnet - sechs Jahre früher als in Wien. Doch die Bevölkerung war dem neuen Getränk gegenüber skeptisch. Eine der Befürchtungen: Kaffee macht impotent. Wie es dazu kam, zeigt das Kaffeemuseum der Hansestadt.
In einem breiten Schwall fließen die dunkelbraun gerösteten Kaffeebohnen aus dem Röstofen. 200 Grad heiße Bohnen, die dann mit Luft gekühlt, gleich darauf gemahlen werden. Mitten in der historischen Hamburger Speicherstadt ist das Kaffeemuseum untergebracht.
"Hier war früher tatsächlich ein reines Kaffeelager drin. Der Speicher ist 121 Jahre alt, von 1896."
Sagt Museumsleiterin Bärbel Dahms. Im Keller zeigt sie die vielen, über Jahrzehnte gesammelten Exponate: fein gearbeitete arabische Kaffeekannen- und tassen, handliche Röstöfen für den Hausgebrauch, Kaffeemühlen und die ersten Filter zur Zubereitung des Heißgetränks.
"Man kann sehr genau sagen, wann wir das erste Kaffeehaus hatten in Hamburg. Und das war sechs Jahre vor Wien, nämlich 1677! Wenn man weiß, dass die Araber noch bis Mitte des 17. Jahrhunderts das Monopol auf den Kaffeehandel hatten und vom wichtigsten Hafen der Welt damals, dem Hafen Mocca, exportiert, verschifft haben, dann sind wir mit 1677 ziemlich früh dran – wie gesagt: sechs Jahre vor Wien das erste Kaffeehaus! Aber die Bremer waren noch eher dran, vier Jahre früher."
Dem neuen Getränk gegenüber waren die Bremer und Hamburger nicht sofort aufgeschlossen. Wer konnte schon wissen, welche Neben- und Langzeitwirkungen der Kaffeegenuss haben würde. Einerseits wurde dem Wachmacher eine heilende Wirkung zugeschrieben, andererseits hieß es: allzu maßloser Kaffeekonsum könne zu Impotenz führen. Der australische Forscher Ian Bursten, erzählt Bärbel Dahms im Keller des Kaffeemuseums, hat für diesen Verdacht eine andere Erklärung parat:
"Der hat herausgefunden, dass die Bordelle oftmals über den Kaffeehäusern lagen. Das heißt, es war nicht der Kaffee, der impotent gemacht hat, sondern es waren andere Betätigungen im Rahmen dieses Kaffeehauses, die gar nicht so direkt damit zusammen hingen, sondern nur örtlich zusammen lagen."
Konkurrenz für die Brauer
In der Frühzeit der europäischen Kaffeekultur konnte sich nur der Adel die teure Importware leisten. Die Dienerschaft, erzählt Bärbel Dahms, servierte das Getränk in orientalischen Kostümen. Erst später setzte sich das Kaffeetrinken bei breiteren Schichten durch. Sehr zum Verdruss der vielen kleinen Brauereien.
"Hamburg war ja eine Bierstadt. Und als dann der Kaffee einzog, gab es durchaus auch Probleme für einige Gastwirte, die dann Angst um den Bierabsatz hatten."
Bis dahin galt Dünnbier, also Bier mit nur wenig Alkohol, als Grundnahrungsmittel. Durch den wenn auch geringen Alkoholgehalt konnten Keime und Bakterien abgetötet werden. Sogar Kinder und Jugendlichen stillten ihren Durst mit Dünnbier, um nicht das verschmutzte Wasser aus den Kanälen trinken zu müssen. Nach und nach entwickelten die Kaffeeimporteure Qualitätskontrollen. Bärbel Dahms zeigt eine winzige Röstmaschine: Die blecherne Trommel ist gerade mal so groß wie eine kleine Konservendose und sieht ein bisschen aus wie eine Dampfmaschine:
"Das sagen ganz viele. Es hat sogar offene Flammen gehabt. Das heißt, wir haben hier einen Behälter, der Spiritus rein, dann hatte man hier die offenen Flammen unter dem Zylinder. Und den Zylinder - und jetzt kommt's: Den musste man drehen."
Der Staat verdient prächtig
Erst wurden die Proben in den Herkunftsländern von handelsreisenden Kaffeeexperten verkostet. Dann, bei der Ankunft der Ware im Hamburger Hafen wurden wiederum Proben gezogen. Kontrolliert wurde und wird, ob die Bohnen auch tatsächlich die versprochene Qualität haben. In den Museumsvitrinen sind historische Kaffeekannen aus Porzellan ausgestellt, eingearbeitet die mahnenden und werbenden Sinnsprüche: "Mensch, lass ab vom Alkohol, nur im Kaffee liegt Dein Wohl!"
Zum Massengetränk wurde Kaffee in Deutschland erst in den 60er-Jahren. Bis dahin kostete ein Pfund stolze 16 D-Mark. Ein horrender Preis angesichts niedriger Durchschnittslöhne von 160 bis 250 D-Mark. Danach fielen die Kaffee-Preise, die Löhne stiegen langsam. Aufhalten konnte den Siegeszug des Getränks auch nicht mehr der Strafzoll, mit dem der Staat den Kaffee schon vor über 250 Jahren belegte:
"Lässt sich zurückführen auf Friedrich den Großen. Und diese Verbrauchssteuer, die Kaffeesteuer heutzutage, die zahlen wir immer noch. Und das sind pro 500 Gramm Kaffee ein Euro und neun Cent."
Und darauf kommen noch einmal sieben Prozent Mehrwertsteuer. Der Staat verdient also prächtig am Kaffeekonsum der Deutschen. Pro Kopf und Tag trinken wir fast einen halben Liter Kaffee und bescheren dem Finanzminister jedes Jahr Einnahmen von immerhin einer Milliarde Euro.