Hamburger Kulturprojekt

"African Terminal" am Ende

05:51 Minuten
Menschen draußen im Park am Wasser, man man blickt auf die Landungsbrücken.
Der Park Fiction auf St. Pauli ist ein beliebter Treffpunkt. Von dort blickt man auf die Docks der "Blohm&Voss"-Werft. © imago images/Hoch Zwei Stock/Angerer
Von Axel Schröder |
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Das Projekt „African Terminal“ bot Geflüchteten praktische Hilfe an und klärte über die koloniale Geschichte Hamburgs auf. Nun steht das Projekt vor dem Aus und die Enttäuschung der Macherinnen und Macher ist groß.
"Blohm&Voss-Werft" und die Hafenkräne auf der Südseite der Elbe. Der Park ist Treffpunkt für die Menschen im Viertel, ein Stück Freiraum, mit grünen Hügeln und Stahlpalmen in der Mitte. Gleich daneben, auf dem Gelände der St. Pauli-Kirche kamen 2015 Geflüchtete unter, fanden einen Platz zum Durchatmen. Im Park entstand die Idee zum "African Terminal", erklärt eine der Mitinitiatorinnen Sibylle Peters:
"Das ist im Grunde auf St. Pauli aus informellem Zusammensein entstanden. Und so haben wir uns dort auch immer wieder getroffen."
Hamburger Kunstschaffende, Wissenschaftlerinnen und zwei Dutzend Menschen aus Gambia, Nigeria und Ghana fassten hier den Entschluss, das Projekt "African Terminal" zusammen auf die Beine zu stellen. Um miteinander und voneinander zu lernen:
"Gemeinsam haben wir uns eingearbeitet in hafenlogistische Zusammenhänge. Wir haben nämlich gelernt, wie man Gebrauchtwaren verschifft nach Westafrika. Auch als Business-School: Wie macht man das eigentlich? Die ganzen Formalitäten, die damit verbunden sind. Um zu lernen: Wie könnten wir alternative ‚Supply-Chains‘ zwischen Westafrika und Hamburg aufbauen?"

Aufklärung über die koloniale Geschichte

Die deutschen Mitglieder des "African Terminals" erklärten ihren afrikanischen Mitstreitern die Finessen der deutschen Zollverfahren. Die andere Seite wusste dafür gut Bescheid über die Lieferkette nach dem Anlanden von Waren in afrikanischen Häfen, über die Tücken des Weitertransports zum Bestimmungsort.
"Und wir haben das getan an Orten, die eine koloniale Geschichte haben in Hamburg, also am Baakenhöft, am Afrika-Terminal und auch im Museum für Kunst und Gewerbe. Und andererseits eben auch über die kolonialen Vergangenheiten dieser Orte aufgeklärt."
Denn immerhin gingen hier 1904 15.000 deutsche Soldaten an Bord ihrer Schiffe. Brachen auf zum ersten Völkermord des noch jungen Jahrhunderts, töteten zwischen 40.000 und 70.000 Herero und Nama.

Spendensammlungen für Afrika

Vor zwei Jahren war der "African Terminal" Teil des Theater-der-Welt-Festivals und im Museum für Kunst und Gewerbe kuratierte Robert Martin Buergel eine Aktion der Gruppe, bei der gespendete, für Afrika bestimmte Gegenstände gesammelt wurden. Buergel war 2007 künstlerischer Leiter der "documenta" und ist heute Direktor des Johann-Jacobs-Museums in Zürich:
"Es wurden Dinge gesammelt, aber es ging nicht so sehr um diese Dinge als solche – ich meine: auch, die waren von ökonomischem Wert, die sollten ja auch nach Afrika verschifft werden bzw. wurden sie das auch – aber das Interessanteste war eigentlich die Praxis des Handels ins Museum zu holen. Üblicherweise ist es so: das, was man im Museum sieht, ist ein Resultat von Handel. Aber da war es der Handel in Action. Und das war wichtig."

Kampf gegen Dealer - Anlass für das Aus?

Denn sehr oft findet der Handel mit Afrika unsichtbar statt, in abgelegenen Industriegebieten, ohne Publikum, unter Umgehung von Ausfuhrbestimmungen. Dass der "African Terminal" nun seine Arbeit einstellt, habe die Hamburger Innenbehörde mit ihrem Kampf gegen Kleindealer auf St. Pauli zu verantworten. So formuliert es Sibylle Peters in einen Offenen Brief an Hamburgs Innensenator Andy Grote.
"St. Pauli und viele andere Gegenden in Hamburg sind ja so genannte ‚Gefahrenzonen‘. Es werden gezielt afrikanische Migranten gestoppt. Dann durchsucht und mit auf die Wache genommen. Und ganz grundlos, auch, wenn gar nichts vorliegt, verbringt man dann die Nacht im Keller der Davidwache. Muss sich komplett nackt ausziehen, wird leibesvisitiert. Also, das passiert schon, wenn man sich komplett nach deutschem Recht korrekt verhält."
Seit drei Jahren gibt es auf Anordnung des Innensenators die sogenannte "Taskforce Drogen". Auf St. Pauli und im Schanzenviertel werden täglich Menschen mit dunkler Hautfarbe kontrolliert. Innerhalb von zwei Jahren gab es 65.000 Personenkontrollen, 30.000 Platzverweise oder Aufenthaltsverbote wurden ausgesprochen.
Den Offenen Brief von Sibylle Peters will die Behörde nicht kommentieren. Sprecher Frank Reschreiter teilt aber mit: es gehe bei den Personenkontrollen um die Bekämpfung der Drogendealerei vor allem mit Marihuana. Dass in dem offenen Brief der Innensenator selbst für das Scheitern des "African Terminal"-Projekts verantwortlich gemacht wird, sei absurd, so der Behördensprecher.

Umzug in anderen Stadtteil ausgeschlossen

Sibylle Peters räumt ein: das Aus für den "African Terminal" ist vielleicht nur ein Nebeneffekt der Hamburger Linie gegen Kleindealer. Einen Umzug in andere Stadtteile lehnt sie ab:
"Gerade auch für die afrikanischen Migranten ist St. Pauli ein ganz wichtiger Ort, weil sie dort einfach seit sie in Hamburg angekommen sind, seit sie überhaupt in Deutschland angekommen sind, ein ‚Willkommen‘ empfunden haben."
Und außerdem seien die, so Sibylle Peters: "rassistischen Personenkontrollen" insgesamt abzulehnen. Eine Lösung für den "African Terminal" ist nicht in Sicht.
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