Gesperrte Hörsäle und bröckelnder Putz
Plastikeimer fangen Regen auf, krebserregende Stoffe liegen im Boden, der "Philosophenturm" wurde gesperrt: Die Sanierungskosten an den Gebäuden der Hamburger Universität werden auf eine Milliarde Euro geschätzt. Um die Finanzierung zu sichern, sollen die Hochschulimmobilien verstaatlicht werden.
Im weitläufigen Foyer der Sozialökonomen an der Uni Hamburg sitzen Studierende, trinken Kaffee, lesen in ihren Lehrbüchern, plaudern in der Pause zwischen den Vorlesungen. Licht fällt durch die großen Glasfenster in der Decke des Betonbaus. Aber diese Fenster machen Probleme, zumindest bei Regenwetter:
"Wir sind hier im Fachbereich Sozialökonomie, im Flur. Wir sehen hier auf dem Boden etwa zehn Eimer. Die stehen hier, weil - wenn es anfängt zu regnen - ist das Dach nicht ganz dicht und dann regnet es rein. Und die Eimer sind jetzt seit mehreren Jahren schon hier dafür da, dass es nicht alles auf dem Boden verläuft. Wenn hier ordentlich was runter kommt - Hamburger Herbstwetter -, dann muss man da auch aktiv werden, damit sie nicht überlaufen."
Oliver Vornfeld, Geoffrey Youett und Vincent Eckert habe zum Rundgang über den Campus eingeladen. Zur Besichtigung des immensen Sanierungsstaus an den Gebäuden, in denen der akademische Nachwuchs für die deutsche Leistungsgesellschaft ausgebildet wird. Alle drei gehören dem AStA der Uni Hamburg an.
"Wir sind hier im Fachbereich Sozialökonomie, im Flur. Wir sehen hier auf dem Boden etwa zehn Eimer. Die stehen hier, weil - wenn es anfängt zu regnen - ist das Dach nicht ganz dicht und dann regnet es rein. Und die Eimer sind jetzt seit mehreren Jahren schon hier dafür da, dass es nicht alles auf dem Boden verläuft. Wenn hier ordentlich was runter kommt - Hamburger Herbstwetter -, dann muss man da auch aktiv werden, damit sie nicht überlaufen."
Oliver Vornfeld, Geoffrey Youett und Vincent Eckert habe zum Rundgang über den Campus eingeladen. Zur Besichtigung des immensen Sanierungsstaus an den Gebäuden, in denen der akademische Nachwuchs für die deutsche Leistungsgesellschaft ausgebildet wird. Alle drei gehören dem AStA der Uni Hamburg an.
Kleine bauliche Verbesserungen, kaputte Grundsubstanz
Die Studenten überqueren den Campus, stehen am Fuße des berüchtigten Philosophenturms. Hellgrau und blassgelb getüncht, fast zwanzig Stockwerke hoch, sieht der Turm von außen fast wie neu aus. Aber dieser Eindruck täuscht, erklärt Geoffrey Youett.
"Von außen mag das noch ganz fein aussehen, was daran liegt, dass die Fassade auch irgendwann einmal überarbeitet wurde. Aber der Philosophenturm ist schon sinnbildlich für die Flickschusterei, in die wir ja als Universität auch hineingetrieben wurden. Immer wieder kleine bauliche Verbesserungen. Aber die Grundsubstanz ist natürlich über die Jahre immer weiter kaputt gegangen. Wir haben hier Leitungen, die einfach durch die Stockwerke durchgebohrt wurden. Das ist am Ende nur noch ein einziger Kamin gewesen."
Und als im Laufe der auch noch die Brandschutzvorschriften verschärft wurden, musste die Universitätsleitung eine Sondergenehmigung beantragen, um das Gebäude weiterhin nutzen zu dürfen. Aber auch diese Sondergenehmigung ist mittlerweile erloschen, der Philosophenturm ist gesperrt. Bis die die Bauarbeiten abgeschlossen sind, müssen die Studierenden nun zwischen dem Uni-Campus und der weit entfernten City-Nord, in ein Übergangsgebäude hin- und herpendeln.
"Optimistische Schätzung ist eine halbe Stunde. Das ist allerdings Augenwischerei. In Wirklichkeit braucht man jetzt 40 bis 45 Minuten. Wir haben zwischen den Seminaren und Vorlesungen eine halbe Stunde Zeit. Man kann sich also ausrechnen, wozu das führt. Die Studienbedingungen sind doch deutlich verschlechtert dadurch."
"Ich gehe immer zehn Minuten oder eine Viertelstunde früher aus meiner Vorlesung, damit ich dann auch rechtzeitig am Überseering 35, zur Ersatz-Unterbringung zum Philosophenturm komme."
Nächste Station des Rundgangs ist die Theologische Fakultät. Der Weg dorthin führt vorbei am Pferdestall. So heißt der historische Bau, in dem die Politikwissenschaftler sitzen. Auch hier gab es zuletzt Überraschungen über Schadstoffe im Fußbodenbelag:
"Hier ist jetzt rausgekommen, dass im ersten und zweiten Stock die Belastung mit Naphtalin im Boden relativ hoch ist. Da hatte man schon vermutet, dass da irgendwas nicht in Ordnung ist, weil es in den Räumen auch merkwürdig riecht. Jetzt haben sie mal rausgefunden: jede Menge Naphtalin im Boden. Und das ist ein Stoff, der ist stark gesundheitsschädlich, krebserregend. Und da sind die ersten beiden Seminarräume dicht gemacht und ein paar Büros."
"Von außen mag das noch ganz fein aussehen, was daran liegt, dass die Fassade auch irgendwann einmal überarbeitet wurde. Aber der Philosophenturm ist schon sinnbildlich für die Flickschusterei, in die wir ja als Universität auch hineingetrieben wurden. Immer wieder kleine bauliche Verbesserungen. Aber die Grundsubstanz ist natürlich über die Jahre immer weiter kaputt gegangen. Wir haben hier Leitungen, die einfach durch die Stockwerke durchgebohrt wurden. Das ist am Ende nur noch ein einziger Kamin gewesen."
Und als im Laufe der auch noch die Brandschutzvorschriften verschärft wurden, musste die Universitätsleitung eine Sondergenehmigung beantragen, um das Gebäude weiterhin nutzen zu dürfen. Aber auch diese Sondergenehmigung ist mittlerweile erloschen, der Philosophenturm ist gesperrt. Bis die die Bauarbeiten abgeschlossen sind, müssen die Studierenden nun zwischen dem Uni-Campus und der weit entfernten City-Nord, in ein Übergangsgebäude hin- und herpendeln.
"Optimistische Schätzung ist eine halbe Stunde. Das ist allerdings Augenwischerei. In Wirklichkeit braucht man jetzt 40 bis 45 Minuten. Wir haben zwischen den Seminaren und Vorlesungen eine halbe Stunde Zeit. Man kann sich also ausrechnen, wozu das führt. Die Studienbedingungen sind doch deutlich verschlechtert dadurch."
"Ich gehe immer zehn Minuten oder eine Viertelstunde früher aus meiner Vorlesung, damit ich dann auch rechtzeitig am Überseering 35, zur Ersatz-Unterbringung zum Philosophenturm komme."
Nächste Station des Rundgangs ist die Theologische Fakultät. Der Weg dorthin führt vorbei am Pferdestall. So heißt der historische Bau, in dem die Politikwissenschaftler sitzen. Auch hier gab es zuletzt Überraschungen über Schadstoffe im Fußbodenbelag:
"Hier ist jetzt rausgekommen, dass im ersten und zweiten Stock die Belastung mit Naphtalin im Boden relativ hoch ist. Da hatte man schon vermutet, dass da irgendwas nicht in Ordnung ist, weil es in den Räumen auch merkwürdig riecht. Jetzt haben sie mal rausgefunden: jede Menge Naphtalin im Boden. Und das ist ein Stoff, der ist stark gesundheitsschädlich, krebserregend. Und da sind die ersten beiden Seminarräume dicht gemacht und ein paar Büros."
An vielen Stellen hat der Regen dunkle Flecken hinterlassen
Aber hier, im Pferdestall der Politikwissenschaftler, ist noch längst nicht klar, wie und wann das Problem durch eine Sanierung gelöst werden kann. Fünf Minuten Fußmarsch sind es bis zur Theologischen Fakultät. Ein typischer Siebzigerjahre-Sichtbetonbau, an vielen Stellen hat der Regen mit den Jahren dunkle Flecken hinterlassen. An anderen Stellen, verteilt über die ganze Fassade, sind dicke Betonbrocken herausgebrochen. Die Lebensgefahr für all jene, die hier ein- und ausgehen, ist aber gebannt, erklärt Oliver Vornfeld vom AStA der Uni Hamburg:
"Was wir hier sehen, ist die Beseitigung von Baumängeln auf eine sehr, ich weiß nicht, ob das so sagen kann: kreative Weise. Die Gefahr, dass von oben Steine herunterbröckeln - man sieht es auch, an vielen Stellen ist das ausgebrochen -, die Gefahr wird dadurch gebannt, dass man eine Überdachung macht, unter der man dann durchgehen kann, damit einem nichts zustößt. Wie gesagt: eine äußerst kreative Weise der Bewältigung von Baumängeln!"
"Viele Stahlträger hängen da schon raus. Die sollte man ja eigentlich auch nicht sehen. Und das fällt dann hier halt mal runter und deshalb gibt es jetzt diese Holzüberbauung, damit man das nicht auf den Kopf kriegt."
In die Eingänge zur Theologischen Fakultät gelangt man nur durch zusammengenagelte verbretterte Laubengänge. Mit extra-starker Holzdecke. - Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen kennt diese provisorischen Laubengänge. Er weiß vom Naphtalin in den Böden der Politikwissenschaftler, von den Wassereimern der Sozialökonomen und dem gesperrten Philosophenturm. Den Sanierungsstau, den er mit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren von seinen Vorgängern geerbt hat, bestreitet Dieter Lenzen nicht:
"Akute Sanierungen liegen um 200 Millionen. Um Schäden zu beseitigen, die die Benutzbarkeit von Gebäuden in Frage stellen. Die Sanierungen, die etwas längerfristig gemacht werden müssen, laufen gegen eine Milliarde. Das kann man nicht über Nacht, das kann keine Gemeinde schaffen, aber es muss sein…"
"Was wir hier sehen, ist die Beseitigung von Baumängeln auf eine sehr, ich weiß nicht, ob das so sagen kann: kreative Weise. Die Gefahr, dass von oben Steine herunterbröckeln - man sieht es auch, an vielen Stellen ist das ausgebrochen -, die Gefahr wird dadurch gebannt, dass man eine Überdachung macht, unter der man dann durchgehen kann, damit einem nichts zustößt. Wie gesagt: eine äußerst kreative Weise der Bewältigung von Baumängeln!"
"Viele Stahlträger hängen da schon raus. Die sollte man ja eigentlich auch nicht sehen. Und das fällt dann hier halt mal runter und deshalb gibt es jetzt diese Holzüberbauung, damit man das nicht auf den Kopf kriegt."
In die Eingänge zur Theologischen Fakultät gelangt man nur durch zusammengenagelte verbretterte Laubengänge. Mit extra-starker Holzdecke. - Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen kennt diese provisorischen Laubengänge. Er weiß vom Naphtalin in den Böden der Politikwissenschaftler, von den Wassereimern der Sozialökonomen und dem gesperrten Philosophenturm. Den Sanierungsstau, den er mit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren von seinen Vorgängern geerbt hat, bestreitet Dieter Lenzen nicht:
"Akute Sanierungen liegen um 200 Millionen. Um Schäden zu beseitigen, die die Benutzbarkeit von Gebäuden in Frage stellen. Die Sanierungen, die etwas längerfristig gemacht werden müssen, laufen gegen eine Milliarde. Das kann man nicht über Nacht, das kann keine Gemeinde schaffen, aber es muss sein…"
Staatseigene Betriebe sollen zuständig werden
Im Übrigen hätten unzählige andere Universitäten in Deutschland die gleichen Probleme mit einem Sanierungsstau bei ihren Bestandsbauten. Und natürlich seien in den letzten Jahren auch zahlreiche, hochmoderne Uni-Neubauten wie der Forschungscampus des weltweit einzigartigen Röntgenlasers in Hamburg-Bahrenfeld, entstanden, so Hamburgs Uni-Präsident. Aufgelöst werden soll der bestehende Sanierungsstau durch einen radikalen Systemwechsel im Management der Hochschul-Immobilien. Nicht die Universität soll in Zukunft für die Sanierung ihres Bestands und für Neubauten zahlen, sondern ein städtisches Immobilien-Unternehmen, die Sprinkenhof GmbH:
"Die Stadt hat sich entschieden und das haben einige andere Bundesländer, nicht alle, auch gemacht, ein so genanntes Mieter-Vermieter-Modell einzuführen. Das bedeutet, dass ein staatseigener Betrieb die Gebäude errichtet beziehungsweise in Besitz nimmt und herrichtet. Und die Hochschule muss dann das Gebäude davon mieten. Die Mietsumme wird dem Gesamthaushalt hinzugeführt, so dass das sozusagen ein durchlaufender Posten ist. Davon verspricht man sich, dass diese staatseigenen Firmen dann auch tatsächlich dafür sorgen, dass die Gebäude auf dem neuesten Stand sind."
Beim Erhalt und Neubau der Hamburger Schulen hat sich dieses Modell bewährt. Dort waren vor zehn Jahren die Sanierungskosten mit über zwei Milliarden Euro beziffert worden. Dann übernahm die neu gegründete städtische Firma "Schulbau Hamburg" die Sanierung und Instandhaltung der Schul-Immobilien. Je nach Gebäudezustand zahlen die Schulen seitdem Miete für ihre Gebäude. Dieter Lenzen ist optimistisch, dass mit dem Mieter-Vermieter-Modell die Immobilien der Uni nach der Sanierung auch dauerhaft instandgehalten werden können. Die große Herausforderung sei aber auch, die Gebäude an einen sich ständig verändernden Lehrbetrieb anzupassen:
"Insbesondere in den Experimentalwissenschaften, aber auch im Bereich der Lehre sind die Veränderungen so, dass sie mit den klassischen Räumen unter Umständen gar nichts mehr anfangen können. Und vor allem, dass sie sie anpassen müssen sowohl an Sicherheitsrichtlinien als aber auch an Bedarfe, die aus der Wissenschaft selbst hervorgehen. Insofern bleibt das eine Daueraufgabe. Auf der anderen Seite will ich davon ausgehen, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre der Gesamtsanierungsstau abgebaut ist. Aber dann kommen natürlich schon die nächsten Gebäude, die sozusagen dran sind!"
Plastikeimer, die den Regen auffangen und verbretterte Schutzgänge, die vor herabfallenden Fassadenteilen schützen, diese Provisorien sollen dann aber in jedem Fall der Vergangenheit angehören.
"Die Stadt hat sich entschieden und das haben einige andere Bundesländer, nicht alle, auch gemacht, ein so genanntes Mieter-Vermieter-Modell einzuführen. Das bedeutet, dass ein staatseigener Betrieb die Gebäude errichtet beziehungsweise in Besitz nimmt und herrichtet. Und die Hochschule muss dann das Gebäude davon mieten. Die Mietsumme wird dem Gesamthaushalt hinzugeführt, so dass das sozusagen ein durchlaufender Posten ist. Davon verspricht man sich, dass diese staatseigenen Firmen dann auch tatsächlich dafür sorgen, dass die Gebäude auf dem neuesten Stand sind."
Beim Erhalt und Neubau der Hamburger Schulen hat sich dieses Modell bewährt. Dort waren vor zehn Jahren die Sanierungskosten mit über zwei Milliarden Euro beziffert worden. Dann übernahm die neu gegründete städtische Firma "Schulbau Hamburg" die Sanierung und Instandhaltung der Schul-Immobilien. Je nach Gebäudezustand zahlen die Schulen seitdem Miete für ihre Gebäude. Dieter Lenzen ist optimistisch, dass mit dem Mieter-Vermieter-Modell die Immobilien der Uni nach der Sanierung auch dauerhaft instandgehalten werden können. Die große Herausforderung sei aber auch, die Gebäude an einen sich ständig verändernden Lehrbetrieb anzupassen:
"Insbesondere in den Experimentalwissenschaften, aber auch im Bereich der Lehre sind die Veränderungen so, dass sie mit den klassischen Räumen unter Umständen gar nichts mehr anfangen können. Und vor allem, dass sie sie anpassen müssen sowohl an Sicherheitsrichtlinien als aber auch an Bedarfe, die aus der Wissenschaft selbst hervorgehen. Insofern bleibt das eine Daueraufgabe. Auf der anderen Seite will ich davon ausgehen, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre der Gesamtsanierungsstau abgebaut ist. Aber dann kommen natürlich schon die nächsten Gebäude, die sozusagen dran sind!"
Plastikeimer, die den Regen auffangen und verbretterte Schutzgänge, die vor herabfallenden Fassadenteilen schützen, diese Provisorien sollen dann aber in jedem Fall der Vergangenheit angehören.