Hamburger Universitätspräsident fordert schnelle Lösung bei Hochschulfinanzierung
Der Präsident der Universität Hamburg begrüßt die geplante Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern bei der Hochschulfinanzierung. Dass damit auch Einrichtungen der Wissenschaft und nicht nur Projekte durch den Bund gefördert werden könnten, sei "eine Selbstverständlichkeit im internationalen Vergleich", sagte Dieter Lenzen.
Matthias Hanselmann: Die Föderalismusreform, von vielen als ein Jahrhundertwerk gepriesen, beinhaltet einen Kardinalfehler. Darüber sind sich jetzt inzwischen parteiübergreifend viele einig. Der Fehler heißt: das Kooperationsverbot zwischen dem Bund und den Ländern. Was sagt das Kooperationsverbot? Nehmen wir einen krassen Fall: Selbst wenn ein Bundesland pleite ist, darf der Bund ihm kein Geld für Bildung überweisen.
Das Kooperationsverbot war mit der Föderalismusreform ins Grundgesetz aufgenommen worden und untersagt dem Bund allgemein, in Bereiche zu investieren, für die allein die Länder zuständig sind. Dies gilt vor allem für die Schulen, aber auch für dauerhafte Schulen an Hochschulen. Das könnte sich ändern, denn es gibt einen Gesetzentwurf von Bildungsministerin Schavan, der als Grundgesetzänderung light bezeichnet wird. Die Grundgesetzänderung ist heute vom Kabinett auf den Weg gebracht worden.
Ich habe mit Dieter Lenzen gesprochen, er ist Erziehungswissenschaftler und Präsident der Universität Hamburg, und ihn gefragt, ob er auch für diese Grundgesetzänderung light ist, oder ob er wie zum Beispiel Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier, die völlige Abschaffung dieses Verbotes fordert?
Dieter Lenzen: Für die Hochschulen und den Wissenschaftsbereich genügt die Veränderung der Situation im Hinblick auf Wissenschaft, das heißt, dass es möglich ist, eben auch Einrichtungen und nicht nur Projekte durch den Bund fördern zu lassen, eigentlich eine Selbstverständlichkeit im internationalen Vergleich. In der Tat einer der Kardinalfehler, die bei der Föderalismusreform aus welchen Gründen auch immer gemacht worden sind.
Hanselmann: Mit Projekten meinen Sie langfristige Projekte einer Universität?
Lenzen: Im Augenblick ist es so, dass der Bund zwar finanzieren darf Forschungsprojekte beispielsweise, die über mehrere Jahre gehen, aber er darf nicht eine Einrichtung finanzieren, also beispielsweise ein Institut oder ein Labor oder eine andere große Einrichtung der Universitäten. Wohl darf er finanzieren die Einrichtungen, die wie etwa die Max-Planck-Gesellschaft oder die Helmhotz-Gemeinschaft als Forschungsgemeinschaften existieren und sowieso vom Bund zum größten Teil bezahlt werden.
Hanselmann: Welche Probleme hatten Sie denn bisher durch dieses Kooperationsverbot, durch die strenge Bund-Länder-Trennung?
Lenzen: Die Veränderung hat mehrere Probleme mit sich gebracht. Erstens im Hochschulbau, das heißt, der Bund musste sich aus der Mitfinanzierung des Hochschulbaus zurückziehen, was für viele Bundesländer bedeutet hat, dass marode Bauten eben noch länger auf Sanierungen warten müssen. Aber das Wesentliche sind natürlich die Einrichtungen selber. Ich will das an einem Beispiel sagen: Die Universität Hamburg verfügt über eine Akademie der Weltreligionen, die vor einigen Jahren angefangen worden ist, aufzubauen. Wir können sie aus Mitteln des Landes nicht weiter finanzieren. Dieses wäre ein gutes Beispiel dafür, dass der Bund die Finanzierung übernehmen könnte für diese ja national wichtige Aufgabe, den Dialog zwischen den verschiedenen Religionen in unserem Zuwanderungsland in Gang zu bringen.
Hanselmann: Sie haben es angesprochen, Geld muss her, das steht ja im Vordergrund. Und damit sind wir auch beim Thema Drittmittelbeschaffung: Ich glaube, inzwischen sind es 20 Prozent, die Universitäten in Deutschland an Drittmitteln heranholen müssen, also von Forschungsgemeinschaften, von der Industrie und so weiter. Würde sich in diesem Bereich, also der Drittmittelbeschaffung auch etwas ändern?
Lenzen: Die Drittmittel, die in den Universitäten landen, sind ja zu einem erheblichen Teil Bundesmittel, beispielsweise die, die über die Deutsche Forschungsgemeinschaft per Wettbewerb verteilt werden. Das wird auch so bleiben. Aber jenseits dieser wettbewerblichen Mittel ist es trotzdem erforderlich, überhaupt die Grundausstattung zu beschaffen, damit auch übrigens kleine Universitäten in die Lage versetzt werden, überhaupt Anträge zu stellen. Denn wenn Sie ein Forschungsprojekt über mehrere Jahre machen wollen, müssen Sie einen sehr ausführlichen, sehr langen und sehr gut recherchierten Antrag formulieren. Dafür brauchen Sie Personal, um das aufarbeiten zu können, und viele Institute sind dazu gar nicht in der Lage, weil ihre Ausstattung nicht ausreicht.
Hanselmann: Jetzt haben Sie vorhin betont, dass Sie für eine Änderung sind dieses Kooperationsverbotes. Sind Sie für eine komplette Abschaffung, das heißt, das würde auch die Schulen betreffen?
Lenzen: Das muss man sich sehr gründlich überlegen. Natürlich ist es so, dass sich die Länder und teilweise auch die Kommunen im gesamten Bildungsbereich schwertun. Sie wollen auf der einen Seite den alleinigen Einfluss und die alleinigen Bestimmungsrechte über das Bildungswesen haben, auf der anderen Seite können sie es aber gar nicht finanzieren. Es ist vollkommen klar, dass in dem Augenblick, wo der Bund in die Finanzierung einsteigen würde, er natürlich beanspruchen muss – denn es handelt sich ja um Steuergelder – mitzubestimmen, wofür sie verwendet werden, und möglicherweise auch Einfluss auf Lehrpläne und Ähnliches zu nehmen.
An dieser Stelle wird es schwierig, weil die Länder sich dagegen wehren werden. Sie fordern sozusagen, das Geld zu bekommen, ohne dass sie sich inhaltlich abstimmen wollen. Das ist nicht sehr realistisch. Ich bin aber davon überzeugt, dass im nächsten Jahrzehnt auch eine Mitfinanzierung der Schulen erforderlich sein wird, weil das Missverhältnis des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern so ist, wie es ist.
Hanselmann: Vielleicht noch mal genauer : Einige Bundesländer wollen im Schulbereich das Kooperationsverbot gar nicht antasten, wie Sie gerade gesagt haben, Bayern zum Beispiel. Andere fordern vehement, dass es geändert werden soll. Wo liegen denn da genauer die Interessen?
Lenzen: Also, es gibt auch hier so etwas wie ein Nord-Süd-Gefälle. In den südlichen Bundesländern besteht eine sehr feste Absicht, selber bestimmen zu wollen, was in dem jeweiligen Bildungssystem passiert. Das unterscheidet sich ja zum Teil auch erheblich von anderen Bundesländern. In den armen Ländern – und das ist Bayern nun gerade nicht –, in den armen Ländern gibt es gar keine Alternative, als sich vorzustellen, dass der Bund mit eintritt. Ob man dann auch bereit sein wird, auf bestimmte Rechte zu verzichten, muss man sehen. Möglicherweise gibt es ja mal einen Verbund von einigen Bundesländern, sagen wir, den Nordländern, die sich zusammentun und eine Sonderregelung mit dem Bund verabreden.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit dem Präsidenten der Universität Hamburg über das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in Bildungssachen. Dieses Verbot ist im Grundgesetz verankert, eine Änderung des Grundgesetzes dahingehend ist heute vom Kabinett auf den Weg gebracht worden. Herr Lenzen, viele Bildungsexperten fordern einen nationalen Bildungsrat, der die Bund-Länder-Koordination übernehmen soll, eine Konsenspolitik über Länder- und Parteigrenzen betreiben soll. Befürworten Sie einen solchen Bildungsrat?
Lenzen: Ich glaube in der Tat, dass wir einen erheblichen Koordinationsbedarf haben. Die Kultusministerkonferenz kann die notwendige Einstimmigkeit in diesen Dingen nicht mehr herstellen, weil das Einstimmigkeitsgebot der 16 Länder dazu führt, dass man den kleinsten gemeinsamen Nenner häufig wählt. Insofern ist ein Bildungsrat, der mit gewichtiger Stimme Vorschläge macht, wie in Deutschland mehr Einheitlichkeit hergestellt werden kann – denn eine Verfassungsänderung ist so nicht realistisch –, sodass der Bund das entscheiden könnte, ein solcher Bildungsrat könnte zumindest einen wissenschaftlichen und auch politischen Druck erzeugen.
Es hat ihn ja bereits einmal gegeben zwischen 1965 und '75, er ist dann im Parteiengezänk untergegangen zwischen eher konservativen und eher linken Positionen damals. Daraus muss man lernen, man muss ihn anders zusammensetzen, man muss die Funktionen möglicherweise neu beschreiben, aber der Weg ist auf jeden Fall richtig.
Hanselmann: Könnte man sagen, wir haben 16 Länderministerien, das Bundesbildungsministerium und die Kultusministerkonferenz, Sie haben sie angesprochen. Reicht das nicht, würde ein nationaler Bildungsrat denn wirklich zusätzliche Erkenntnisse bringen und nicht nur den Apparat aufblähen?
Lenzen: Wenn es ein administratives Organ wäre, dann hätten Sie recht. Es muss eine schlanke, ich würde fast sagen, ambulante Organisation sein, die auf Anfrage hin tätig wird. Das heißt, wenn es Probleme gibt, Empfehlungen entwickelt, was man dazu tun kann. Wir haben zurzeit ja eine Bildungsberichterstattung, die aber keinen Empfehlungsauftrag hat. So eine Einrichtung muss schnell handeln können, es muss so sein, dass die Experten auch ausgetauscht werden, sodass nicht hier ein neuer Konservatismus entsteht. Aber man muss sich von der Vorstellung frei machen, dass es sich um eine Verwaltung handelt, sondern es muss ein Beratungsgremium sein.
Es gibt ja bereits etliche davon in der Bundesrepublik, die entweder aus privater Hand finanziert werden oder einen anderen Weg, etwa über die Hochschulen, nehmen. Und ich glaube, dass hier ein entsprechender Druck sinnvoll wäre, allerdings dann durchaus auch in Abstimmung mit den vorhandenen Organisationen, die für sich Monitoring etwa des Bildungsgeschehens betreiben oder auch regelmäßig Untersuchungen vorlegen wie zum Beispiel der Aktion Fortbildung in München.
Hanselmann: Über einen nationalen Bildungsrat und die Abschaffung oder Lockerung des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern haben wir gesprochen mit Dieter Lenzen, dem Präsidenten der Universität Hamburg.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Hintergrund: Das Kooperationsverbot - Stolperstein auf dem Weg zur Bildungsrepublik
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Ich habe mit Dieter Lenzen gesprochen, er ist Erziehungswissenschaftler und Präsident der Universität Hamburg, und ihn gefragt, ob er auch für diese Grundgesetzänderung light ist, oder ob er wie zum Beispiel Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier, die völlige Abschaffung dieses Verbotes fordert?
Dieter Lenzen: Für die Hochschulen und den Wissenschaftsbereich genügt die Veränderung der Situation im Hinblick auf Wissenschaft, das heißt, dass es möglich ist, eben auch Einrichtungen und nicht nur Projekte durch den Bund fördern zu lassen, eigentlich eine Selbstverständlichkeit im internationalen Vergleich. In der Tat einer der Kardinalfehler, die bei der Föderalismusreform aus welchen Gründen auch immer gemacht worden sind.
Hanselmann: Mit Projekten meinen Sie langfristige Projekte einer Universität?
Lenzen: Im Augenblick ist es so, dass der Bund zwar finanzieren darf Forschungsprojekte beispielsweise, die über mehrere Jahre gehen, aber er darf nicht eine Einrichtung finanzieren, also beispielsweise ein Institut oder ein Labor oder eine andere große Einrichtung der Universitäten. Wohl darf er finanzieren die Einrichtungen, die wie etwa die Max-Planck-Gesellschaft oder die Helmhotz-Gemeinschaft als Forschungsgemeinschaften existieren und sowieso vom Bund zum größten Teil bezahlt werden.
Hanselmann: Welche Probleme hatten Sie denn bisher durch dieses Kooperationsverbot, durch die strenge Bund-Länder-Trennung?
Lenzen: Die Veränderung hat mehrere Probleme mit sich gebracht. Erstens im Hochschulbau, das heißt, der Bund musste sich aus der Mitfinanzierung des Hochschulbaus zurückziehen, was für viele Bundesländer bedeutet hat, dass marode Bauten eben noch länger auf Sanierungen warten müssen. Aber das Wesentliche sind natürlich die Einrichtungen selber. Ich will das an einem Beispiel sagen: Die Universität Hamburg verfügt über eine Akademie der Weltreligionen, die vor einigen Jahren angefangen worden ist, aufzubauen. Wir können sie aus Mitteln des Landes nicht weiter finanzieren. Dieses wäre ein gutes Beispiel dafür, dass der Bund die Finanzierung übernehmen könnte für diese ja national wichtige Aufgabe, den Dialog zwischen den verschiedenen Religionen in unserem Zuwanderungsland in Gang zu bringen.
Hanselmann: Sie haben es angesprochen, Geld muss her, das steht ja im Vordergrund. Und damit sind wir auch beim Thema Drittmittelbeschaffung: Ich glaube, inzwischen sind es 20 Prozent, die Universitäten in Deutschland an Drittmitteln heranholen müssen, also von Forschungsgemeinschaften, von der Industrie und so weiter. Würde sich in diesem Bereich, also der Drittmittelbeschaffung auch etwas ändern?
Lenzen: Die Drittmittel, die in den Universitäten landen, sind ja zu einem erheblichen Teil Bundesmittel, beispielsweise die, die über die Deutsche Forschungsgemeinschaft per Wettbewerb verteilt werden. Das wird auch so bleiben. Aber jenseits dieser wettbewerblichen Mittel ist es trotzdem erforderlich, überhaupt die Grundausstattung zu beschaffen, damit auch übrigens kleine Universitäten in die Lage versetzt werden, überhaupt Anträge zu stellen. Denn wenn Sie ein Forschungsprojekt über mehrere Jahre machen wollen, müssen Sie einen sehr ausführlichen, sehr langen und sehr gut recherchierten Antrag formulieren. Dafür brauchen Sie Personal, um das aufarbeiten zu können, und viele Institute sind dazu gar nicht in der Lage, weil ihre Ausstattung nicht ausreicht.
Hanselmann: Jetzt haben Sie vorhin betont, dass Sie für eine Änderung sind dieses Kooperationsverbotes. Sind Sie für eine komplette Abschaffung, das heißt, das würde auch die Schulen betreffen?
Lenzen: Das muss man sich sehr gründlich überlegen. Natürlich ist es so, dass sich die Länder und teilweise auch die Kommunen im gesamten Bildungsbereich schwertun. Sie wollen auf der einen Seite den alleinigen Einfluss und die alleinigen Bestimmungsrechte über das Bildungswesen haben, auf der anderen Seite können sie es aber gar nicht finanzieren. Es ist vollkommen klar, dass in dem Augenblick, wo der Bund in die Finanzierung einsteigen würde, er natürlich beanspruchen muss – denn es handelt sich ja um Steuergelder – mitzubestimmen, wofür sie verwendet werden, und möglicherweise auch Einfluss auf Lehrpläne und Ähnliches zu nehmen.
An dieser Stelle wird es schwierig, weil die Länder sich dagegen wehren werden. Sie fordern sozusagen, das Geld zu bekommen, ohne dass sie sich inhaltlich abstimmen wollen. Das ist nicht sehr realistisch. Ich bin aber davon überzeugt, dass im nächsten Jahrzehnt auch eine Mitfinanzierung der Schulen erforderlich sein wird, weil das Missverhältnis des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern so ist, wie es ist.
Hanselmann: Vielleicht noch mal genauer : Einige Bundesländer wollen im Schulbereich das Kooperationsverbot gar nicht antasten, wie Sie gerade gesagt haben, Bayern zum Beispiel. Andere fordern vehement, dass es geändert werden soll. Wo liegen denn da genauer die Interessen?
Lenzen: Also, es gibt auch hier so etwas wie ein Nord-Süd-Gefälle. In den südlichen Bundesländern besteht eine sehr feste Absicht, selber bestimmen zu wollen, was in dem jeweiligen Bildungssystem passiert. Das unterscheidet sich ja zum Teil auch erheblich von anderen Bundesländern. In den armen Ländern – und das ist Bayern nun gerade nicht –, in den armen Ländern gibt es gar keine Alternative, als sich vorzustellen, dass der Bund mit eintritt. Ob man dann auch bereit sein wird, auf bestimmte Rechte zu verzichten, muss man sehen. Möglicherweise gibt es ja mal einen Verbund von einigen Bundesländern, sagen wir, den Nordländern, die sich zusammentun und eine Sonderregelung mit dem Bund verabreden.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit dem Präsidenten der Universität Hamburg über das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in Bildungssachen. Dieses Verbot ist im Grundgesetz verankert, eine Änderung des Grundgesetzes dahingehend ist heute vom Kabinett auf den Weg gebracht worden. Herr Lenzen, viele Bildungsexperten fordern einen nationalen Bildungsrat, der die Bund-Länder-Koordination übernehmen soll, eine Konsenspolitik über Länder- und Parteigrenzen betreiben soll. Befürworten Sie einen solchen Bildungsrat?
Lenzen: Ich glaube in der Tat, dass wir einen erheblichen Koordinationsbedarf haben. Die Kultusministerkonferenz kann die notwendige Einstimmigkeit in diesen Dingen nicht mehr herstellen, weil das Einstimmigkeitsgebot der 16 Länder dazu führt, dass man den kleinsten gemeinsamen Nenner häufig wählt. Insofern ist ein Bildungsrat, der mit gewichtiger Stimme Vorschläge macht, wie in Deutschland mehr Einheitlichkeit hergestellt werden kann – denn eine Verfassungsänderung ist so nicht realistisch –, sodass der Bund das entscheiden könnte, ein solcher Bildungsrat könnte zumindest einen wissenschaftlichen und auch politischen Druck erzeugen.
Es hat ihn ja bereits einmal gegeben zwischen 1965 und '75, er ist dann im Parteiengezänk untergegangen zwischen eher konservativen und eher linken Positionen damals. Daraus muss man lernen, man muss ihn anders zusammensetzen, man muss die Funktionen möglicherweise neu beschreiben, aber der Weg ist auf jeden Fall richtig.
Hanselmann: Könnte man sagen, wir haben 16 Länderministerien, das Bundesbildungsministerium und die Kultusministerkonferenz, Sie haben sie angesprochen. Reicht das nicht, würde ein nationaler Bildungsrat denn wirklich zusätzliche Erkenntnisse bringen und nicht nur den Apparat aufblähen?
Lenzen: Wenn es ein administratives Organ wäre, dann hätten Sie recht. Es muss eine schlanke, ich würde fast sagen, ambulante Organisation sein, die auf Anfrage hin tätig wird. Das heißt, wenn es Probleme gibt, Empfehlungen entwickelt, was man dazu tun kann. Wir haben zurzeit ja eine Bildungsberichterstattung, die aber keinen Empfehlungsauftrag hat. So eine Einrichtung muss schnell handeln können, es muss so sein, dass die Experten auch ausgetauscht werden, sodass nicht hier ein neuer Konservatismus entsteht. Aber man muss sich von der Vorstellung frei machen, dass es sich um eine Verwaltung handelt, sondern es muss ein Beratungsgremium sein.
Es gibt ja bereits etliche davon in der Bundesrepublik, die entweder aus privater Hand finanziert werden oder einen anderen Weg, etwa über die Hochschulen, nehmen. Und ich glaube, dass hier ein entsprechender Druck sinnvoll wäre, allerdings dann durchaus auch in Abstimmung mit den vorhandenen Organisationen, die für sich Monitoring etwa des Bildungsgeschehens betreiben oder auch regelmäßig Untersuchungen vorlegen wie zum Beispiel der Aktion Fortbildung in München.
Hanselmann: Über einen nationalen Bildungsrat und die Abschaffung oder Lockerung des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern haben wir gesprochen mit Dieter Lenzen, dem Präsidenten der Universität Hamburg.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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