Gemeinsam gegen den Niedergang
09:47 Minuten
Im Hamburger Werkhof Bernstorffstraße 117 leben und arbeiten 110 Menschen: Handwerker, Kreative und Heilpraktiker. Seit vor zwei Jahren Investoren das Areal gekauft haben, kämpft die Gemeinschaft gegen die Verdrängung. Ein Besuch.
In Rocko Schamonis Werkstatt, in der Bernstorffstraße 117, wird gewerkelt. Der Hamburger Musiker, Theater- und Buchautor teilt sich den Raum mit den Kollegen von "Silly Walks Soundsystem". Gerade werden, mit Malerpinsel und Rolle, sechs klobige Lautsprecherboxen neu gestrichen, für die nächste große Party. Hinten in der Werkstatt zeigt ein paar seiner schon gebrannten, rotbraunen Kacheln. Keramiker ist der Mann auch noch.
"Das ist zum Beispiel eine Bakunin-Kachel", sagt Schamoni. "Die ist jetzt aber noch nicht glasiert. Bakunin kennst du vielleicht?" – Bakunin ist ein Anarchist. – "Genau! Hier haben wir also Bakunin. Und hier haben wir Montaigne. Auch noch nicht glasiert. Und so ein paar von solchen Gestalten lasse ich mir immer herstellen von meinem Schnitzer, der macht mir die Vorlagen. Dann presse ich daraus Fliesen und dann brenne und glasiere ich sie und dann kommen sie zu irgendwelchen Anarchisten an die Wände."
Der Künstler führt über den Hof, vorbei am großen Viva la Bernie-Banner, nach oben in den ersten Stock. In den Raum, in dem sich seit anderthalb Jahren das Plenum der Bernstorffstraße 117, der "Bernie" trifft. 110 Menschen leben oder arbeiten auf dem Gelände mit seinem weiten, verwinkelten Hof. Und auf dem Plenum wird seit anderthalb Jahren immer wieder beratschlagt, wie das Leben und Arbeiten auf dem Hof auch in Zukunft möglich sein kann.
Der Künstler führt über den Hof, vorbei am großen Viva la Bernie-Banner, nach oben in den ersten Stock. In den Raum, in dem sich seit anderthalb Jahren das Plenum der Bernstorffstraße 117, der "Bernie" trifft. 110 Menschen leben oder arbeiten auf dem Gelände mit seinem weiten, verwinkelten Hof. Und auf dem Plenum wird seit anderthalb Jahren immer wieder beratschlagt, wie das Leben und Arbeiten auf dem Hof auch in Zukunft möglich sein kann.
Vor knapp zwei Jahren kauften zwei Berliner Investoren das gesamte Areal. Für sechs Millionen Euro. Und bislang ist fraglich, wie es weitergeht für die Handwerksbetriebe, die Musik- und Tanzstudios, die Grafiker und Heilpraktiker auf dem Gelände. Kampflos aufgeben wird die Hofgemeinschaft die "Bernie" sicher nicht.
Prominente Unterstützer
Und natürlich sei es ein Vorteil, so viele kreative, motivierte und auch ein paar prominente Menschen mit im Boot zu haben, erzählt Rocko Schamoni. "In unserem Fall ist es das Glück, dass wir viele Fürsprecher haben", sagt er. "Zum Beispiel Fatih Akin, der hier auf dem Hof gedreht hat und das zum Anlass genommen hat, sofort zu sagen: 'Da bin ich mit dabei!' Und viele Rap-Künstler, die hier aufgenommen haben oder ihre Grafik hier haben machen lassen, das ist ein großes Glück, das stimmt!"
Auf der "Viva-la-Bernie"-Homepage appelliert sogar der Präsident des FC St. Pauli, Oke Göttlich, die Gemeinschaft in der Bernstorffstraße zu erhalten. In kurzen Videofilmen erklären Unterstützer wie Schorsch Kamerun oder die Fernsehkommissarin Maria Ketikidou, warum die "Bernie" bleiben soll, wie sie ist: "Die gehören hierher! Das ist deren Platz seit 35 Jahren. Und da kommt irgendwie einer, der hat die Kohle, schmeißt die Kohle auf den Tisch und sagt: 'So, Leute! Jetzt wird hier alles anders! Nach unseren Regeln'. Nur weil sie das Recht auf ihrer Seite haben? Weil sie einen Kaufvertrag haben? Das ist so die Frage: Was ist gerecht und was ist rechtlich richtig?"
Auf der "Viva-la-Bernie"-Homepage appelliert sogar der Präsident des FC St. Pauli, Oke Göttlich, die Gemeinschaft in der Bernstorffstraße zu erhalten. In kurzen Videofilmen erklären Unterstützer wie Schorsch Kamerun oder die Fernsehkommissarin Maria Ketikidou, warum die "Bernie" bleiben soll, wie sie ist: "Die gehören hierher! Das ist deren Platz seit 35 Jahren. Und da kommt irgendwie einer, der hat die Kohle, schmeißt die Kohle auf den Tisch und sagt: 'So, Leute! Jetzt wird hier alles anders! Nach unseren Regeln'. Nur weil sie das Recht auf ihrer Seite haben? Weil sie einen Kaufvertrag haben? Das ist so die Frage: Was ist gerecht und was ist rechtlich richtig?"
Ein Ort mit langer Geschichte
An welchem Punkt die Gespräche mit den Investoren sind, darüber will Rocko Schamoni lieber nichts sagen. Und verweist stattdessen an Ralf Gauger, den Sprecher der Hofgemeinschaft. Gauger und sein Kompagnon organisieren von der "Bernie" aus den Betrieb ihrer Baufirma. Er steht in der Werkstatt zwischen Holzlager und der großen Tischkreissäge. Vor über hundert Jahren waren hier die Tiere der Altonaer Pferdebahn-Gesellschaft untergebracht. Damals zogen noch Pferde die Hamburger Straßenbahn.
"Zwischendrin war das hier mal Unterschlupf für die Leute, die unter der Sturmflut in Süd-Hamburg gelitten haben und dann kein Zuhause mehr hatten", sagt Gauger. "Die kamen hier zum Teil unter. Und dann ist das nach und nach hier Gewerbe geworden, Abstellflächen, Flächen für Werkstätten. Und einige Leute haben sich hier auch Büros gebaut. Und irgendwann haben sich hier auch einige Leute ihre Wohnungen gebaut. Das ist alles fließend ineinander übergegangen."
Ralf Gauger führt raus auf den Hof. Vorbei an den alten Sportwagen der Autowerkstatt, an einem alten Jaguar, dessen Kofferraum langsam vom Efeu überwuchert wird. Weiter hinten öffnet sich der Hof, eine uralte Kastanie spendet Schatten. Vor knapp zwei Jahren wurde der Hofgemeinschaft klar, dass es bald vorbei sein könnte mit dem Zusammenleben in der "Bernie".
"Zwischendrin war das hier mal Unterschlupf für die Leute, die unter der Sturmflut in Süd-Hamburg gelitten haben und dann kein Zuhause mehr hatten", sagt Gauger. "Die kamen hier zum Teil unter. Und dann ist das nach und nach hier Gewerbe geworden, Abstellflächen, Flächen für Werkstätten. Und einige Leute haben sich hier auch Büros gebaut. Und irgendwann haben sich hier auch einige Leute ihre Wohnungen gebaut. Das ist alles fließend ineinander übergegangen."
Ralf Gauger führt raus auf den Hof. Vorbei an den alten Sportwagen der Autowerkstatt, an einem alten Jaguar, dessen Kofferraum langsam vom Efeu überwuchert wird. Weiter hinten öffnet sich der Hof, eine uralte Kastanie spendet Schatten. Vor knapp zwei Jahren wurde der Hofgemeinschaft klar, dass es bald vorbei sein könnte mit dem Zusammenleben in der "Bernie".
Großer Aufwand für den Rückkauf
"Wir hatten mehrere Anzeichen bekommen, indem hier viele Leute rumliefen in Anzügen, mit Storyboard, dass unser Eigentümer vielleicht verkaufen will. Und ich habe ihn dann einfach mal angerufen, habe ihn gefragt, ob er verkaufen will. Und dann druckste er ein bisschen rum, sagte: 'Ja, vielleicht, wahrscheinlich, kann sein in der nächsten Zeit…' Und dann habe ich ihn gefragt, ob wir nicht als Gemeinschaft hier mitbieten können, haben ein ziemlich gutes einstündiges Gespräch geführt darüber. Und einen Monat später hatten wir auch schon den Brief auf dem Tisch, dass er verkauft hat."
Statt klein beizugeben, setzten sich die Menschen aus der "Bernie" zusammen, suchten nach Wegen, ihren Hof zu erhalten. "Im Grunde genommen erleben wir das, was alle Leute im Innenstadtbereich erlebt haben: Es kommt ein Investor von außen, sagt: 'Guten Tag! Ich habe ein Stück großes Geld! Jetzt bin ich hier und bestimme, wie die Sache läuft!' Und das wollten wir hier nicht einfach so hinnehmen und haben versucht, das zu durchbrechen, diese Logik."
Statt klein beizugeben, setzten sich die Menschen aus der "Bernie" zusammen, suchten nach Wegen, ihren Hof zu erhalten. "Im Grunde genommen erleben wir das, was alle Leute im Innenstadtbereich erlebt haben: Es kommt ein Investor von außen, sagt: 'Guten Tag! Ich habe ein Stück großes Geld! Jetzt bin ich hier und bestimme, wie die Sache läuft!' Und das wollten wir hier nicht einfach so hinnehmen und haben versucht, das zu durchbrechen, diese Logik."
Solipartys wurden organsiert und Flugblätter gedruckt. Die Hamburger Rapper von Fettes Brot, die ihre Alben in der Bernstorffstraße aufnehmen, machten mit. Dazu ihre Hofnachbarn von "Silly Walks Soundsystem", Jan Delay, D-Flame, Samy de Luxe. Vor allem aber machte sich die "Bernie"-Truppe auf die Suche nach Geld. Nach sehr viel Geld. Der Plan: den Investoren, die das Areal für sechs Millionen Euro gekauft haben, sollten sieben Millionen für einen Rückkauf geboten werden.
Sieben Millionen Euro sind nicht genug
"Dieses Geld haben wir im Grunde genommen zusammenbekommen, indem wir erstens uns einen Kredit haben zusichern lassen von einer Bank. Und zweitens um die 1,5 bis 2 Millionen Euro tatsächlich über zurzeit 164 einzelne Kreditgeber - nicht Geldgeber, keine Geschenke wollten wir haben, sondern: Kreditgeber! - haben wir zusammengesucht. Das alles haben wir in drei Monaten hingekriegt. Das war schon ein Riesen-Erfolg. Das Ergebnis war leider etwas ernüchternd, weil das Ergebnis hieß: Diese sieben Millionen sind uns nicht genug!"
Die Gespräche mit den beiden Berliner Investoren liefen trotzdem weiter, laufen heute noch. Mittlerweile werden die "Bernie"-Aktivisten auch von der Bezirkspolitik unterstützt. Der Bebauungsplan wurde geändert, um die Häuser, die Werkstätten und Lager vor einem Abriss zu schützen. Sogar die Handwerkskammer steht hinter dem Projekt. Zu viele Betriebe mussten schon wegen zu hoher Gewerbemieten ins Umland abwandern.
Die Gespräche mit den beiden Berliner Investoren liefen trotzdem weiter, laufen heute noch. Mittlerweile werden die "Bernie"-Aktivisten auch von der Bezirkspolitik unterstützt. Der Bebauungsplan wurde geändert, um die Häuser, die Werkstätten und Lager vor einem Abriss zu schützen. Sogar die Handwerkskammer steht hinter dem Projekt. Zu viele Betriebe mussten schon wegen zu hoher Gewerbemieten ins Umland abwandern.
Zurzeit herrscht eine Art juristischer Waffenstillstand. Die Ansage der Investoren, dass die Werkstätten und Wohnungen schon bald geräumt werden könnten, sei erst mal vom Tisch, erklärt Hofsprecher Ralf Gauger unter der großen Kastanie im "Bernie"-Hof. "Anfangs war die Rede von zwei Jahren, wenn überhaupt. Es war die Rede davon, dass die Leute, die hier wohnen, eigentlich gar kein Wohnrecht haben, weil es eigentlich Gewerbe ist. All diese Angriffe, die üblichen Angriffe, die man so kennt, die wurden juristisch erst mal auf Eis gelegt von Seiten der Investoren. Damit wir überhaupt die Möglichkeit haben, zu sprechen. Und diese Eskalationsschraube, die dann hätte losgehen können, die haben wir so im Grunde genommen beide verhindert, sowohl die Investoren als auch wir."
Hoffnung fürs Bernie
Zu den Details aus den Verhandlungen wollen weder Ralf Gauger noch die Investorenseite Interviews geben. Der von den Investoren beauftragte Hamburger Kommunikationsexperte Matthias Onken erklärt aber: Man sei auf einem guten Weg. Damit etwas Geld durch Getränke- und Bratwurstverkäufe für die "Bernie-bleibt"-Pläne reinkommt, wummerten erst letzten Samstag die frisch gestrichenen Boxen durch die Bernstorffstraße 117. Im geschmückten Innenhof, mit vielen Ständen, mit Hamburger DJs. Und mit Boris Lauterbach alias "König Boris" von der Rap-Band "Fettes Brot".
"Ich bin absolut hoffnungsfroh! Ich glaube, es ist auch ein Faustpfand von 'Viva la Bernie', dass wir uns die gute Laune nie haben nehmen lassen, dass wir immer humorvoll geblieben sind. Und ich glaube, wir werden uns einig werden mit den Leuten. So, dass alle was davon haben und alle glücklich sind!"
"Ich bin absolut hoffnungsfroh! Ich glaube, es ist auch ein Faustpfand von 'Viva la Bernie', dass wir uns die gute Laune nie haben nehmen lassen, dass wir immer humorvoll geblieben sind. Und ich glaube, wir werden uns einig werden mit den Leuten. So, dass alle was davon haben und alle glücklich sind!"