"Hey Senat, so geht’s nicht"
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Die Hamburger Bar "Katze" war jüngst als Corona-Hotspot in den Schlagzeilen. Der Fall hat aber auch die Schwächen der Kontrollinstanzen offengelegt. So geht es in der Hansestadt jetzt weiter.
An lauen Sommerabenden tummeln sich auf dem Hamburger Schulterblatt die Massen. Jetzt grüßt der Herbst mit Kälte und Regen: Aber das Hamburger Schietwetter schreckt nicht alle ab. Dass es hier auf dem Schulterblatt in der Bar "Katze" einen Coronaausbruch gegeben hat, bei dem ein Mitarbeiter drei Kolleginnen und Kollegen und neun Gäste infiziert hat, hat hier jeder mitbekommen. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich.
Sie reichen von "Wir wollten jetzt nicht in die 'Katze' rein, weil wir gehört haben, dass das viel ausgebrochen ist und deswegen meiden wir das eher", bis zu "Wir gucken jetzt noch mal in die 'Katze', ob wir da ein Bier bekommen. Wir wären dann aber so ehrlich und würden unsere Namen und Telefonnummern eintragen."
In der "Katze" hat sich viel geändert
Katharina und ihre Freundinnen reihen sich in eine Schlange vor der "Katze" ein. Es ist heute Abend der einzige Laden auf dem Schulterblatt, vor dem sich eine Menschentraube bildet. Ein Türsteher regelt den Einlass. Registrierung per QR-Code, wer rein will, muss seinen Personalausweis zeigen.
Das sei neu, sagt Barmanager David Hakim. Spuckschutzwände seien im Bau und zeitnah soll auch bei jedem Gast die Temperatur gemessen werden. Nach dem Vorfall tritt man hier offenbar die Flucht nach vorn an. Dazu gehört auch die strenge Überprüfung der Kontaktdaten:
"Wir haben den Personalbedarf eher aufgestockt, weil wir jetzt mit Türstehern arbeiten, die wir früher nicht hatten. Einfach um garantieren zu können, dass sich alle Leute eintragen. Und was neu ist: Wir gucken jetzt auch sehr verschärft darauf, dass sie sich richtig eintragen und nicht mit 'Lucky Luke' unterschreiben.", so Hakim.
Nur ein Drittel der Kontaktdaten sind brauchbar
Dass etwa 100 der 600 Gäste nach dem Coronavorfall nicht ermittelt werden konnten, weil die Kontaktdaten unvollständig, unleserlich oder falsch waren, sorgte für Aufsehen im Ausgehviertel St. Pauli. Im Nachbarbezirk Mitte ging Bezirksamtsleiter Falko Droßmann selbst auf eine "offizielle Kneipentour" und sammelte Kontaktlisten zur Überprüfung ein:
"Es gibt eigentlich zwei große Gruppen von Mängeln: Der eine Mangel ist, dass reine Fantasiedaten eingetragen sind, die es nicht gibt. Der zweite große Mangel ist: Es ist so hingeschmiert, dass es vollkommen unleserlich ist. Wir haben so circa 2500 Kontakte überprüft und bei ungefähr einem Drittel haben wir die Daten, die wir brauchen."
Und noch etwas wurde bei Droßmanns Kontrolle deutlich:
"Wir hatten eigentlich auf St. Pauli nur zwei Gruppen von Läden. Die einen, die es wirklich versucht haben und auch größtenteils alle Regeln eingehalten haben. Und die, die sich an nichts gehalten haben. Also es gab relativ wenig dazwischen. Und die, die sich an nichts gehalten haben, gefährden alle.
Man kann sich auch Läden angucken, in denen es wirklich funktioniert – und die Leute, die da waren, hatten auch Spaß. Also insofern, die Verantwortung kann man nicht auf den Gastronomen übertragen und der Gastronom kann sie nicht auf die Gäste übertragen. Es sind alle mitverantwortlich."
Hamburger Bars kämpfen um ihr Image
Die Nachlässigkeit vieler Läden ärgert Dorothee Wolter, die zusammen mit Partnern die Kneipe "Kurhaus" betreibt. Sie sitzt am Tresen der liebevoll eingerichteten Bar, die viele Stammgäste im Viertel hat. Das Kurhaus gehört zum Barkombinat, einem neu gegründeten Verein, der sich selbst einen strengen Kodex zum Pandemieschutz verschrieben hat:
"Das Problem ist jetzt eben, dass Fälle, die medial so ausgebreitet werden, die gesamte Gastronomie und auch die Barszene überschatten. Das ist unfair gegenüber denen, die alles dafür tun, dass es nicht passiert."
Die bodentiefe Fensterfront zur Straße ist komplett geöffnet. Ein massiver Holzstab auf den Barhockern mit der Aufschrift "Mind the distance" erinnert ans Abstandgebot. Ohnehin dürfen hier nur drei Gruppen zusammensitzen. Maskenpflicht bei den Mitarbeitern, stündliche Reinigung. Stammgäste werden auf einer Liste geführt und machen nur ein Häkchen hinter ihrem Namen. So liegen keine Daten offen herum.
"Und einmal in der Stunde gibt es eins aufs Haus. Nämlich wir gehen rum mit einem Hygienespray und sprühen den Leuten in die Hand einmal aufs Haus sozusagen, riecht nach Tequila."
Angst vor dem Winter
Die Läden des Barkombinats tauschen sich über solche findigen Lösungen aus. Vor allem aber treten die fast 40 Mitglieder an die Politik heran und sagen: "Hey Senat, so geht’s nicht." Zuletzt hat Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher mit den anderen Landeschefs ausgemacht, dass Gäste 50 Euro Bußgeld zahlen müssen, wenn sie sich nicht oder falsch eintragen. Wie diese Regel in Hamburg umgesetzt wird, steht noch nicht fest.
Die Barbetreiber fühlen sie sich unterdessen allein gelassen und fürchten, dass es angesichts geringerer Einnahmen und strenger werdender Auflagen, nicht alle über den Winter schaffen werden.