Ein Solitär im weißen Kleid
Das Modell für den neuen Elbtower zu enthüllen, war einer der letzten Termine für den nach Berlin wechselnden Noch-Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz. Drei Mal so hoch wie die Elbphilharmonie soll sich der Turm mal über die Stadt erheben. Aber die Hamburger sind skeptisch.
Es war die letzte, große Präsentation des neuen Vizekanzlers und Bundesfinanzministers in seiner Eigenschaft als Hamburger Bürgermeister: Olaf Scholz ließ es sich nicht nehmen, trotz Erkältung das wohl spektakulärste Bauprojekt persönlich vorzustellen:
"Das ist ein ganz besonderer Tag für Hamburg. Und ich möchte Ihnen vorstellen, wie in dem kommenden Jahrzehnt, nahezu 30 Jahre nach der Ankündigung der Hafencity durch einen meiner Amtsvorgänger Bürgermeister Henning Voscherau im Jahr 1997, das Bild der Hafencity 2025/26 vollendet werden könnte. Nämlich mit einem Hochhaus vor den Elbbrücken, einem wirklich hohen Gebäude für Hamburg, mit über 200 Metern und - wie ich überzeugt bin - einem hervorragenden Gebäude."
An der Wand rechts hinter Olaf Scholz ist der Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs zu sehen. Der Entwurf des Architekten David Chipperfield, der nach Ansicht des Senats und des Oberbaudirektors, den Stadtteil vom Reißbrett, die Hafencity vollenden wird: ein fast weißer, sich hoch aufschwingender schlanker Bau auf einem sieben Stockwerke hohen Sockel, leicht in sich gedreht. In direkter Nachbarschaft zu den mächtigen stählernen Elbbrücken, die neben dem Elbtower plötzlich filigran und winzig aussehen. Der Turm, 233 Meter hoch, überragt alle anderen Hamburger Bauwerke, mit Ausnahme der Antennenanlage des Fernsehturms.
Eine Antwort auf die Elbphilharmonie
Auch Franz-Josef Höing, Hamburgs Oberbaudirektor, kommt aus dem Schwärmen von dieser neuen Landmarke für die Stadt kaum heraus. Vor sich, auf dem runden Konferenztisch schlägt Höing eine aufwendig gearbeitete Broschüre der Architekten auf.
"Es wird ein weißes Haus sein. Ein Haus mit einem weißen Kleid, mit einem weißen Gewand. Und in der Formensprache – es kommt ja sehr beschwingt daher – versucht es schon, eine Antwort auf diese Elbphilharmonie zu finden. Ohne sich anzubiedern."
Keine Frage, drei Mal so hoch wie die ohnehin schon imposante Elbphilharmonie, nämlich 60 Stockwerke hoch, muss sich der Elbtower kaum mit dem Konzerthaus messen. Der Turm soll den markanten Schlusspunkt unter das Projekt "Hafencity" setzen. Seit 20 Jahren wächst dieser zwischen Fleete und Elbe gebaute Stadtteil am nördlichen Elbufer in Richtung Osten. Die alten, nicht mehr genutzten Hafenflächen weichen geplanter Stadt. Am Abend, bei der Bürgeranhörung zu Hamburgs neuem Megaprojekt, bleiben trotzdem viele Besucher skeptisch, einige stören sich an der Ästhetik, andere an den Auswirkungen auf den benachbarten Stadtteil Rothenburgsort, in dem die Mieten heute noch einigermaßen erschwinglich sind:
"Muss es so ein Riesen-Phallus sein? Muss es so ein Klotz am Anfang sein, der für mich ein Bollwerk ist?"
"Was aber nicht passieren darf: Es bleibt meistens nicht bei einem Hochhaus! Und der Kontrast zum Elbtower ist zu krass im Verhältnis zu Rothenburgsort, weil dort vielleicht die Mietpreise steigen."
Ein privater Investor soll den Elbtower bauen
Aber genau diese Probleme hätten die Behörden im Blick, versichert Oberbaudirektor Franz-Josef Höing. Und ein zweites Frankfurt am Main werde sicher nicht entstehen, erklärt er. In Hamburg, wo einst alles, was nur entfernt nach Wolkenkratzer aussah, verpönt war, wird der Elbtower ein Solitär bleiben:
"Ich glaube, da kann man alle beruhigen: es gibt nicht so viele Stellen in dieser Stadt, wo wir über derart viele Häuser reden. Vielleicht ist es der einzige Standort, und es hat keinerlei Rückwirkungen auf Debatten an anderer Stelle."
Immerhin: eine zweite Elbphilharmonie, inklusive Kostenexplosion, jahrelangen Stillständen auf der Baustelle und teuren, juristischen Streitigkeiten, ein solches Desaster kann der Elbtower nicht werden, ist sich Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sicher:
"Die Elbphilharmonie war ein völlig anderes Bauvorhaben. Ein öffentlicher Bauherr. Hier ist es sozusagen die Aufgabe eines privaten Investors, dieses Haus zu bauen. Und dann ist das sozusagen eine rein private Aufgabe, das zu schultern."
Und außerdem, erklärt Höing, soll ein Fünftel der über 100.000 Quadratmeter öffentlich zugänglich sein. In Restaurants, Sportzentren oder einem Saal für Konzerte könnten die Hamburgerinnen und Hamburger zumindest die unteren Etagen nutzen. Eine genauso öffentlich zugängliche Aussichtsstelle für Normalbürger wäre zumindest schon einmal angedacht gewesen. Ob diese Idee aber durchsetzbar ist, ist offen.