"Hamster Hipster Handy"-Ausstellung

Spannende Schau über das Smartphone als Kulturobjekt

Das Kunstwerk "Social Network" von Peter Picciani in der Ausstellung «Hamster-Hipster-Handy. Im Bann des Mobiltelefons» im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main; Aufnahme vom April 2015
Das Kunstwerk "Social Network" von Peter Picciani in der Ausstellung «Hamster-Hipster-Hand - Im Bann des Mobiltelefons» im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main; Aufnahme vom April 2015 © picture alliance / dpa
Von Rudolf Schmitz |
Eine Komposition aus Klingeltönen, Selfies von Künstlern oder von Hackern gedrehte Videos: Die Schau "Hamster Hipster Handy" im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst konfrontiert die Besucher damit, wie sehr sich das Mobiltelefon in unseren Alltag geschlichen hat.
Das Plakat zeigt ein Handy mit Heiligenschein. Und zur Begrüßung gibt es eine Komposition aus Klingeltönen. Sie kommen von einigen Handys an der Wand, präsentiert in Kreuzform. Das Smartphone ist zum Fetisch geworden, zum heiligen Gegenstand. Für viele ist es der liebste Kommunikationspartner.
"Die Intention dieser Ausstellung ist eben, diesem rätselhaften Objekt, was unser gesamtes Alltagsleben in kürzester Zeit eigentlich verändert hat, nachzuspüren und zu gucken, was findet man an Fundstücken."
Die Kuratorin Birgit Richard, Kunstpädagogin an der Frankfurter Goethe-Universität, ist auf Erstaunliches und Bizarres gestoßen. Selbstverständlich Abzüge von "Selfies" in jeder Machart, also von Selbstporträts mit dem Handy. Bei Jung und Alt grassiert das Selfie wie eine Seuche. Es ist die moderne Form der Existenzversicherung: Ich fotografiere mich, also bin ich.
"Das heißt, es ist eine verbreitete kulturelle Alltagspraktik, die bestimmte Auswüchse annehmen kann, wenn ich an so etwas denke wie Butt Selfies, Kim Kardachian ist da ein Beispiel, also jedes Körperteil wird irgendwann in die Kamera gehalten, und das zeigt natürlich auch die unangenehmen Auswüchse, die das geben kann, wenn ich mich permanent vermarkten muss ..."
Tränen-Selfies als Protest gegen grassierende Fröhlichkeit
Die Künstlerin Laurel Nakadate fotografiert sich jeden Tag weinend: tränenüberströmt oder auch nur mit feuchten Augen. So protestiert sie permanent gegen die grassierende Fröhlichkeit der Selfie-Kultur. Wussten Sie, dass Hacker in Ihr Smartphone eindringen und Sie ausspionieren können, indem sie unbemerkt die Foto- oder Filmfunktion aktivieren? In der Ausstellung gibt es eine Installation von 42 Videosequenzen gehackter Smartphones. Die ahnungslosen Nutzer sind zwar unkenntlich gemacht, aber das Eindringen in jeden Moment ihres Alltags wirkt unheimlich genug. Die Frankfurter Schau mit Installationen, Fotografien, Objekten, Videos zeigt vor allem eins: wie sehr das Smartphone unser Leben bereits durchdrungen hat, ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht.
Das berühmte Selfie, das der chinesische Künstler Ai Weiwei während seiner Verhaftung im Jahr 2009 gemacht hat und das per Twitter um die Welt ging, zeigt das Smartphone als politisches Instrument. Und ein Sketch mit Anke Engelke enthüllt seine Absurdität: Weil sie auf dem Fahrrad telefoniert, kommt es zum Crash mit einem Auto. Blutend am Boden liegend, telefoniert sie weiter. Wie im übrigen alle Beteiligten, auch der herbei gerufene Sanitäter:
"Sie sind also die Dame, die laut Facebook blutend neben ihrem Fahrrad am Boden liegt? Ja... Keine Angst, ich werde mich um Sie kümmern. Aber erst einmal kriegen Sie von mir ein 'Gefällt mir' ..."
Instrument zur Erzeugung von Sozialprestige
Die Kuratorin Birgit Richard selbst ist durchaus Handy affin. Deshalb kennt sie alle kursierenden Abkürzungen, die bestimmte neurotische Verhaltensweisen von Handynutzern charakterisieren.
"Das sogenannte 'Fubbing', das heißt - man nimmt die Ereignisse gar nicht mehr wahr, an denen man teilnimmt, weil man ja immer auf diesen Screen gucken muss, immer fotografieren muss und man muss immer selbst gut aussehen dabei, das eigentliche Ereignis huscht irgendwie an einem vorbei. Oder es gibt noch mal einen Begriff, er heißt 'Fomo' - Fear of missing out -, also die Angst irgendetwas zu verpassen, wenn ich nicht permanent auf mein Smartphone schaue."
Die Ausstellung im Frankfurter Museum Angewandte Kunst vermittelt die Faszination, die in den neuen Bildwelten und Kommunikationsformen steckt. Und manche Exponate erschließen sich nur, wenn man das eigene Smartphone in Gang setzt. Zum Beispiel bestimmte Codes scannt, um dann Bilder zu empfangen, die sonst unsichtbar wären. Wenn der sogenannte Hipster, also die Konsumfigur des 21. Jahrhunderts, das eigene Essen fotografiert und postet, dann will er allerdings, dass dies jeder sieht. Das Smartphone dient heute oft genug als Instrument zur Erzeugung von Sozialprestige.
"Das geschieht nicht mehr unbedingt über das Gerät, sondern über die Bilder und Bildwelten, die man zur Schau stellt."
Die Frankfurter Ausstellung ist fesselnd amüsant und erschreckend raffiniert. Ohne falsche Prüderie oder naive Warnhinweise präsentiert sie das Lustobjekt Smartphone auf Augenhöhe heutiger Technologie.