Handfestes Theater um moralische Fragen

Von Bernhard Doppler |
Auch nach vier Jahrhundert bieten die Werke von Pedro Calderon de la Barca eine zeitlose Aktualität. Sein "Das Leben ein Traum" umspielt Fragen nach Wahrheit, Wirklichkeit und Willensfreiheit. Doch Karin Beier belässt es nicht bei einem Lehrstück, sondern zeigt ein Ensemble voller Spielfreude, das Komisches und Erhabenes gekonnt mischt.
Was ihre zeitlose Aktualität betrifft, scheinen Calderons vier Jahrhunderte alte Dramen den großen Werken Shakespeares nicht nachzustehen. Am Wiener Burgtheater konnte dies Karin Beier in einer Neuinszenierung von "Das Leben ein Traum" beweisen. Goethe schon bewunderte den mathematischen "Plan" von Calderons Dramen, schätzte das Ausbleiben von naiver Naturnachahmung und Rührung und rühmte Calderons große Theatralik und "Bretterhaftigkeit".

Ein Theater also ohne psychologische Erklärungen, das leidenschaftlich unauflösbare Paradoxa durchspielt: Besteht Willensfreiheit ausgerechnet dann, wenn man an ein unabänderliches Schicksal glaubt, erfüllt sich das Schicksal ausgerechnet dann, wenn man sich vor ihm fürchtet, ist die Wirklichkeit zu einer geliebten Frau nur dann gegeben, wenn man sie gerade nicht berührt? Vor allem: Was ist Wahrheit? Was Theater? Was gut und was das Gegenteil? Was Wirklichkeit? Was Schlaf oder Traum? Beides heißt im Spanischen "sueno".

Aus Angst vor seiner vorhergesagten Bösartigkeit hat der König seinen Sohn Sigismondo von der Zivilisation abgesperrt, doch als er in einem manipulierten Traum die Chance gibt, sich am Hof zu bewähren, bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen. Der Sohn wird wieder weggesperrt, doch er hat noch eine zweite Chance: Revolutionäre befreien ihn und er macht nun alles richtig im Sinne eines guten Königs. Weil er die Aktion für einen weiteren Traum hält? Oder weil er vom ersten Traum gelernt hat?

Karin Beier zeigt zuerst eine Versuchsanordnung. Auf drei Stuhlreihen um die Bühne haben die Darsteller und die Musiker des "Vienna Star Orchestra" Platz genommen, auch die Darsteller zum Teil mit Geigen bewaffnet. In der Mitte der weggesperrte Sigismondo. Doch so sehr sich das Drama im Auskosten philosophischer Paradoxa - in einer ausgezeichneten Neubearbeitung durch das Künstlerkollektiv Soeren Voima - gefällt: Es ist vor allem handfestes Theater und nicht nur moralisches Lehrstück. Komisches und Erhabenes, Zynisches und Banales mischen sich unter den adeligen Figuren und ihren Dienern.

Besonders bei der zweiten Bewährung Sigismondos dreht Karin Baier den Abend ins schrill Revuehafte. Calderons barocke Metaphern werden schräg bebildert, die Figuren agieren im Monthy Python-Stil, Sigismondo als Revolutionsführer sowohl als Schlagersängerchen aber auch mit Hitlerbärtchen. Agiert er selbst oder ist es nur ein Film, den er mit 3-D-Brille und Popcorn-Schachtel konsumiert? Calderon hat es vermutlich ernster gemeint - aber so sicher kann man sich bei seiner Doppeldeutigkeit auch nicht sein.

Vor allem ist es die Besetzung mit zwei großen Komödianten, die im Wiener Burgtheater schon mehrfach in Nestroy-Rollen brillierten, die das "Bretterhafte" (Goethe) und Theatralische aus Calderons Werk hervorzuholen wissen: Peter Simonischek als König und Nicholas Ofczarek als Sigismondo, wobei sein kleines Bäuchlein, das so gar nicht zum fast verhungerten jungen Gefangenen passen will, auch auf der Bühne von den Mitspielern thematisiert wird.

Michael Wittenborn als Diener und Martin Reinke, der ständig als Erzieher sowohl das Für als auch das Wider mit bedenkt, verstärken die Komödiantik des auch musikalisch sehr gut dosierten Abends. Mit Recht wird im Programmheft der für "Musikalische Organisation" Verantwortliche (Otmar Klein) extra im Leading Team mit angeführt.


Das Leben ein Traum
Von Pedro Calderón de la Barca
Premiere am 8.2.2009 am Wiener Burgtheater
Regie: Karin Beier
Bühne: Thomas Dreißigacker
Kostüme: Maria Roers
Musik: Jörg Gollasch
Choreographie: Valentí Rocamora í Torà
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Susanne Meister
Musikalische Organisation: Otmar Klein