Handwerkerin Johanna Röh
Entweder selbstständige Tischlerin oder schwangere Frau, beides zusammen geht nicht ohne extreme Einbußen unter einen Hut. Johanna Röh will das ändern. © M. Hecht
Kämpferin für eine Reform des Mutterschutzes
05:10 Minuten
Johanna Röh ist Tischlermeisterin – und sie ist schwanger. Als Selbstständige hat sie zwar einen Anspruch auf eine Haushaltshilfe, nicht aber auf Betriebshilfe. Das will sie ändern. Röh hat eine Petition zur Neuregelung des Mutterschutzes gestartet.
Den alten Stall des Zweiseitenhofs hat Johanna Röh als Werkstatt ausgebaut. Auf der aktuellen Baustelle im Nebengebäude schraubt Geselle Niels einen Küchenschrank fest. Seine Chefin blickt skeptisch. Sie erklärt:
„Es ist total schwer, da zu stehen und nicht das Gefühl zu haben, der Person das jetzt aus der Hand zu reißen und selber zu machen, denn ich sollte es gerade nicht, ich kann es zum Teil auch gar nicht. Ich kann es nicht heben und nicht machen und gleichzeitig muss ich anderen dabei zugucken, wie sie in dem Lernprozess sind, in dem ich auch mal war, der ja auch natürlich ist. Trotzdem ist es für mich eine ungewohnte Rolle und auch keine, die ich so super gerne mag.“
Kein Mutterschutz für selbstständige Schwangere
Johanna Röh ist Tischlermeisterin und schwanger – im dritten Trimester. Trotz noch laufender Baustellen, die sie als Chefin zu beaufsichtigen hat, hängt die 34-jährige Unternehmerin derzeit ständig im Büro fest.
Zum wiederholten Mal hat sie schon mit ihrer Krankenkasse telefoniert. Die will ihr kein Krankengeld zahlen, sie ist schließlich nicht krank. Für selbstständige Schwangere gibt es weder einen Gehaltsausgleich noch einen angemessenen Mutterschutz. „Wäre ich jetzt angestellt, dann würde ich ein Beschäftigungsverbot bekommen mit vollem Lohnausgleich“, sagt sie. Die Tischlermeisterin ist nicht die Einzige, die in ihrer Schwangerschaft um die Existenz ihres Betriebes bangt.
„Ich höre das von so vielen, die sich selbstständig gemacht haben, die sich gegen Kinder entschieden haben, weil das so nicht geht. Oder andersherum: Die sich dafür entschieden haben, in eine sichere, angestellte Position zu gehen oder Berufsschullehrerin zu werden oder was anderes zu machen, nur weil das sonst nicht mit der Selbstständigkeit vereinbar wäre. Und für mich wäre das so eine krasse berufliche Einschränkung, auf die Selbstständigkeit zu verzichten, nur weil das als Frau dann mit einer Familie nicht möglich wäre."
Anspruch auf Haushaltshilfe
Johanna Röh ist eine Macherin. Schon in der Schule konnte sie nicht still sitzen und entschied sich schließlich für einen Schulabschluss mit gleichzeitiger Tischlerinnen-Ausbildung. Nach ihrer Ausbildung ging sie auf Wanderschaft. Vier Jahre lang lebte und arbeitete sie in verschiedensten Betrieben in Kanada, Neuseeland und Japan. Dort fasste sie die Entscheidung, sich selbstständig zu machen:
„Das Gute an der Selbstständigkeit ist, dass ich jedes Projekt von vorne bis zum Schluss betreue und auch mitgestalten kann und dadurch das Künstlerische habe, aber auch die harte körperliche Arbeit und das Technische an den Maschinen. Und das gibt mir total viel.“
Jetzt gerade kann die Tischlermeisterin allerdings weder schwer heben, noch an den vibrierenden Maschinen arbeiten und ist noch bis zur Geburt auf ihren Gesellen und ihre Auszubildende angewiesen.
„Was ich auch interessant finde, ist, dass man eine Haushaltshilfe beantragen könnte, wenn man als Schwangere ausfällt, aber eine Betriebshilfe gibt es nicht. Dass ich im Betrieb ausfallen kann, wird nicht mitgedacht.“
Röh hat eine Petition gestartet
Weil die Lücken im System für selbstständige Schwangere so gravierend sind, hat Johanna Röh gemeinsam mit Handwerkskolleginnen eine Petition für eine Reformierung des Mutterschutzes gestartet. Über 56.000 Menschen haben diese Petition bereits unterschrieben.
„Ich finde es einfach so ungerecht, dass ich keine Lust habe, einfach nur so zu tun, als ob es völlig in Ordnung und völlig normal wäre. Mir wird das nichts mehr bringen. Aber ich hoffe echt, dass es so nicht weiter geht.“
Nach der Geburt will die Unternehmerin sich zwei Monate Auszeit nehmen. Das Wort Mutterschutz benutzt sie nicht. Schließlich finanziert sie diese Zeit für sich und ihren Betrieb gemeinsam mit ihrem Mann, der als kaufmännische Fachkraft angestellt ist, aus eigener Tasche.
„Wenn wir jetzt getauschte Rollen hätten, und ich wäre die Angestellte im Büro, wäre es gar kein Thema. Wenn wir allein Bedingungen schaffen, in denen es möglich ist, genauso eine Vereinbarkeit zu schaffen für die Frauen und Mädchen, dann haben wir eigentlich schon den größten Teil des Fachkräftemangels gelöst.“