Hannes Jaenicke: "Im Einsatz für den Lachs"
Deutschland 2020
ZDF, 16. Juni 2020 um 22.15 Uhr
Online verfügbar bis 16. Juni 2025
Warum Zuchtlachs gefährlich für die Umwelt ist
08:41 Minuten
Der Schauspieler Hannes Jaenicke dreht auch Dokumentationen: zuletzt einen Film über Lachsfarmen. Sein Fazit: Die Massentierhaltung der Fische in Kanada und norwegischen Fjorden zerstört den Wildlachsbestand und das Ökosystem.
Nach Schätzungen verzehren die Deutschen pro Kopf über 14 Kilogramm Fisch und Meeresfrüchte im Jahr. Am beliebtesten sind Alaska-Seelachs und der Lachs, der in der Regel aus norwegischen Fischfarmen kommt.
Der Schauspieler Hannes Jaenicke engagiert sich schon länger für Umweltbelange und dreht immer wieder Dokumentationen über gefährdete Tiere. Nun hat er sich den Lachs vorgenommen. Sein Fazit ist deprimierend: Lachszucht zerstöre Wildlachsbestände und das Ökosystem. Guten Gewissens könne man Lachs nicht mehr essen, sagt er.
"Giftige Angelegenheit" für die Umwelt
Grund dafür sei, dass die Lachsfarmen auf den Wanderrouten der Wildlachse lägen. In den Farmen grassierende Krankheiten würden sich so auf die Wildlachse übertragen - die aber im Gegensatz zum Zuchtlachs nicht behandelt werden. Während die Zuchtlachse Medikamente bekommen, stirbt der Wildlachs an Viren und Parasiten.
"Norwegen war mal das lachsreichste Land der Erde", sagt Jaenicke. "Mittlerweile gibt es nur noch 450.000 Wildlachse und 500 Millionen - sprich eine halbe Milliarde - Zuchtlachse." Lachskonsum sei eine "giftige Angelegenheit" für die Umwelt.
Das Interview mit Hannes Jaenicke
Dieter Kassel: Die Fernsehreihe "Hannes Jaenicke: Im Einsatz für …" gibt es seit ungefähr zwölf Jahren: Im August 2008 lief die erste Folge im ZDF. Damals ging es um Orang-Utans und im Laufe der Jahre dann unter anderem um Elefanten, Löwen und Nashörner, also alles große Tiere, bei denen man nicht sofort ans Essen denkt. In der neuen Folge, die heute Abend läuft, ist das anders: Heute Abend ist Hannes Jaenicke im ZDF im Einsatz für den Lachs. Darüber wollte ich unbedingt mit ihm und er auch unbedingt mit mir sprechen. Warum also, Hannes Jaenicke, diesmal der Lachs, der doch scheinbar gar nicht in diese Reihe passt.
Hannes Jaenicke: Ich wollte den Film schon seit Jahren machen, aber gerade weil es jetzt nicht unbedingt auf der Roten Liste der aussterbenden Spezien steht wie Nashorn, Elefant, Löwe, Gepard, hat es ein bisschen gedauert. Mich hat zunächst mal der Lebenszyklus von Lachsen total fasziniert. Ich glaube, es gibt kein Lebewesen auf dem Planeten, das sich so quält und aufopfert wie Lachse für ihren Nachwuchs. Als ich dann angefangen habe zu recherchieren, hab ich halt gemerkt, dass der Lachskonsum nicht nur für den Verbraucher und Fischliebhaber eine ziemlich giftige Angelegenheit ist, sondern leider auch für die Umwelt: Wo eine Lachsfarm gebaut wird, kollabiert in erschreckend schneller Zeit das gesamte Marineökosystem. Deswegen fand ich das ein ziemlich brisantes Thema, weil wir alle nämlich Lachs essen. Es ist einer der beliebtesten Speisefische, die wir haben, und darüber wollte ich gerne was machen.
"Lachsfarmen zerstören das gesamte Marineökosystem"
Kassel: Gerade beim Lachs haben auch Menschen, die darauf achten, was sie kaufen und was sie essen, meistens kein schlechtes Gewissen, denn man glaubt immer: wenn das von einer Zuchtfarm kommt; wenn das Tiere sind, die extra gezüchtet werden, damit wir sie irgendwann essen können, dann ist doch alles in Ordnung. Warum haben diese Lachse in einem geschlossenen Gehege so extreme Auswirkungen auf die Meere, auf Flüsse und auf Ökosysteme?
Jaenicke: Ich dachte zunächst auch, dass die Antwort auf die Überfischung der Meere Fischfarmen sind. Es ist leider genau das Gegenteil. Das hat einen relativ einfachen Grund: All diese Lachsfarmen – allein in Norwegen sind es etwa 1200 Stück – werden in Migrationsrouten der Wildlachse gebaut, das heißt, die stehen im Fjord oder sogar im offenen Meer. Diese Lachszucht ist eine klassische Massentierhaltung, und die haben natürlich ständig mit Viren, Krankheiten und Parasiten zu kämpfen. In der Farm werden die natürlich behandelt, medikamentös, chemisch – aber der Wildlachs, der dort vorbeischwimmt, egal ob er auf der Route ins Meer ist, um sich hochzupäppeln, oder auf der Route zurück zu seinen Geburtsquellen, der kriegt diese Krankheiten und wird nicht behandelt. Im Moment gibt es zwei Hauptprobleme: Ein Parasit namens Lachslaus und ein RPV genannter Virus. Den kriegen die nicht in den Griff, der vernichtet den gesamten Wildlachsbestand. Und den Lachslausbefall, den überlebt ein wilder Lachs, wenn er so drei bis fünf Tiere am Körper hat, sobald es mehr werden, überlebt er das nicht. Die wilden Lachse werden eben nicht behandelt und sind dann komplett zerfressen von diesen Lachsläusen. Die Lachsfarmen zerstören eigentlich das gesamte Marineökosystem komplett.
Nur Alaska hat Lachsfarmen verboten
Kassel: Interessant ist, dass es zum Teil Gesetze gibt, die das regeln, und zum Teil nicht. Was ich besonders spannend fand: Sie haben unter anderem auf Vancouver Island in Kanada gedreht, und quasi direkt auf der anderen Seite der Bucht liegen die USA, der Bundesstaat Washington, wo es zum Teil Verbote gibt, die es in Kanada wiederum nicht gibt. Das heißt, man scheint das auch bei den Behörden zu wissen – und teilweise versucht man, was dagegen zu machen, wenn auch vielleicht nicht immer mit großem Erfolg, und teilweise nicht.
Jaenicke: Es gibt eine Bundesbehörde – man glaubt es kaum, das ist ein republikanischer Staat: Alaska hat von vornherein alle Lachsfarmen verboten. Das ist das einzige Gebiet im gesamten Pazifik, wo der Wildlachsbestand stabil ist. Das heißt, man dürfte theoretisch alaskischen Wildlachs essen – wenn man ihn denn kriegt, der wird hauptsächlich in den USA verkauft. Alle anderen Länder lassen sich von diesen Lachskonzernen schmieren – das ist inzwischen auch eine gigantische Steuereinnahme – und erlauben diese Farmen, obwohl sie genau wissen, dass es eine hochgiftige Angelegenheit ist. Da ist zu viel Geld im Spiel.
Norwegen dominiert das Geschäft
Kassel: Wobei dies ganze Lachsgeschäft fast komplett in der Hand von Norwegen ist. Also selbst die Lachsfarmen – hab ich durch Sie gelernt, das war mir nicht klar – vor der kanadischen Küste gehören oft ganz oder zum Teil norwegischen Konzernen und die allermeisten Farmen gibt es überhaupt vor der Küste Norwegens. Sie durften eine dieser Farmen besuchen und haben eine Drehgenehmigung bekommen, ganz weit oben im Norden von Norwegen. Was für einen Eindruck hatten Sie da, haben Sie das Gefühl gehabt, 'Na ja, wenn man sich Mühe gibt, dann funktioniert es doch'?
Jaenicke: Wir haben neun Monate Hunderte von Farmen angeschrieben, um eine Drehgenehmigung zu bekommen, die haben wir nicht bekommen. Wir haben dann von einem Anbieter namens Grieg Seafood – das ist einer der größeren norwegischen Anbieter – die Erlaubnis bekommen, auf einer noch nicht eröffneten Musterfarm zu drehen. Man muss dazusagen – ich möchte diesen Leuten jetzt nichts unterstellen, die haben uns tatsächlich da sehr offen und großzügig drehen lassen – aber das ist eine noch nicht eröffnete Musterfarm, und das ist natürlich ein bisschen auch eine Propagandaveranstaltung. Eine Farm auf diesem Hightech-Niveau gibt es weltweit bislang nur in dieser Finnmark, wo wir gedreht haben. Ansonsten ist es eine ganz dreckige Angelegenheit, man kann es nicht anders sagen. Wir haben ja Bilder im Film von einem Unterwasser-Kameramann aus Kanada, der zeigt, was unter diesen Fischgehegen los ist, und das ist halt wirklich eine ökologische Katastrophe.
China im Kommen
Kassel: Wenn Sie gesagt haben, wie viele Absagen Sie bekommen haben, wie viel da geblockt wurde: Ich kann mir vorstellen, wenn man sich – und das tun Sie ja mit Ihrem Team auf eine gewisse Art und Weise in diesem Film –, wenn man sich mit der Nahrungsmittelindustrie anlegt, ist es bei der Recherche und bei der Arbeit nochmal ein bisschen härter als bei den anderen Projekten, die Sie bisher hatten, wo Sie sich natürlich auch bei Leuten unbeliebt gemacht haben gelegentlich. Aber jetzt Nahrungsmittelindustrie? Die verstehen doch eigentlich bei solcher Kritik nicht viel Spaß.
Jaenicke: Der heikelste Film war der über die Haiflossen, ein Film über Haie: Das ist weitestgehend chinesisches Geschäft, da mussten wir alles mit versteckter Kamera drehen, weil das ist einfach zu gefährlich. Jetzt in diesem Fall war es so, dass wir viele Farmen mit Drohnen illegal gedreht haben, aber wir wollten halt auch in eine Farm rein, und die einzige, die uns reingelassen hat, war diese besagte Farm in der Finnmark. Man muss dazusagen, die Norweger sind noch monopolistisch unterwegs, aber die Chinesen holen sehr schnell auf. In Chile, wo die Umweltauflagen extrem lasch sind, kaufen und bauen die Chinesen jetzt in ganz großem Stil die Lachsfarmen. Also, der nächste Player werden die Chinesen.
Komplettverzicht auf Lachs?
Kassel: Gegen Ende dieses Films sitzen Sie in einer Sushibar und greifen anstatt zum Lachs-Sushi zu dem, ich glaube, mit Gurken, irgendwas Grünes auf jeden Fall. Sie sagen, Fazit Ihrer Arbeit kann nur eines sein: Man darf keinen Lachs mehr essen. Man sollte es nicht mehr tun. Ist es wirklich so extrem? Ich kann doch auch Lachs kaufen in Deutschland mit einem Biosiegel, mit diversen anderen Siegeln, die mir erzählen, es ist nicht so schlimm. Ist das alles nicht wahr? Muss ich, wenn ich vernünftig sein will, wirklich komplett auf Lachs verzichten?
Jaenicke: Wenn ich ganz ehrlich bin, ja! Der Biolachs ist natürlich für den Endverbraucher etwas gesünder, weil da mit weniger aggressiven Chemikalien und Medikamenten gearbeitet wird. Trotzdem stehen auch die Biolachsfarmen im Fjord oder im Meer und haben genau die gleichen fatalen Auswirkungen auf den Wildlachsbestand wie konventionelle Farmen. Ein weiteres Problem, was wir auch im Film drin haben: Es büxen immer noch unglaublich viele Zuchtlachse aus. Sobald die sich mit dem Wildlachsbestand vermischen, so dass sogenannte Hybridlachse dabei herauskommen, kollabiert der Wildlachsbestand. Norwegen war mal das lachsreichste Land der Erde, mittlerweile gibt es nur noch 450.000 Wildlachse – und 500 Millionen, sprich eine halbe Milliarde, Zuchtlachse. Die Flüsse sind leer: In Kanada, in Norwegen – der Wildlachs ist weg. Die Orca-Population an der Westküste der USA verhungert, die reduziert sich in einem atemberaubenden Tempo, weil es keinen Wildlachs mehr gibt. Und das ist immer eine Folge der Zuchtfarmen.
Manchen Filme bewirken was und manche verpuffen
Kassel: All das ändert nichts daran, dass die Menschen Lachse so toll finden. Man lernt viel darin im Film, unter anderem, dass die Lachse nicht mehr rot sind, weil sie es sind, sondern weil sie meistens gefärbt werden. Es ist alles ziemlich irre, was man bei Ihnen da sehen kann. Zurück zum Anfang: Sie machen das seit zwölf Jahren, haben sich immer eingesetzt für von menschlichem Verhalten bedrohte Tierarten – haben Sie eigentlich das Gefühl gehabt, durch Ihre Arbeit und die von Kollegen, die Ähnliches machen, ändert sich was?
Jaenicke: Das kann ich nur hoffen, sonst würde ich das nicht machen. Ich meine, wir haben den Haifilm gedreht – der hat tatsächlich zu Gesetzesänderungen geführt. Es gibt Aktivisten in den USA, die sind mit unserem Filmmaterial von Pazifikstaat zu Pazifikstaat, und fast in allen Pazifikanrainerstaaten ist mittlerweile schon der Besitz einer Haiflosse illegal. Also: Man kann mit dem Filmen immens bewegen und manchen Film haben wir gemacht, der ist völlig verpufft. Wir haben einen Film gemacht über Eisbären und Polkappenschmelze, und trotzdem ist das meistverkaufte Auto in Deutschland der SUV. Es gibt Filme, die bleiben wirkungslos, und es gibt Filme, die tatsächlich was bewegen. Und ich bin ziemlich sicher, dass der Lachsfilm den ein oder anderen Fischliebhaber zum Nachdenken anregen wird. Ich habe witzigerweise gestern die erste Morddrohung gehabt. Da schreibt ein Typ: 'Herr Jaenicke, ich glaube, Personenschutz wird für Sie jetzt nicht reichen, besorgen Sie sich mal eine gepanzerte Limousine.' Das muss irgendjemand sein aus der Lachsindustrie. Ich krieg ständig solche Mails. Da scheinen wir einen echt wunden Punkt der Nahrungsmittelindustrie getroffen zu haben.
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