Hans Fallada: "Junge Liebe zwischen Trümmern"
Erzählungen
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Peter Walther
Aufbau Verlag. Berlin 2018
295 Seiten, 20 Euro
Leise, zärtlich und erschütternd
Der Aufbau Verlag hat 70 Geschichten, davon 27 bislang unveröffentlicht, von Hans Fallada neu herausgebracht. Es sind Geschichten von Konflikten, Widersprüchen und unverhofftem Glück, die den geborenen Erzähler Fallada neu entdecken lassen.
Fast vergessene, frisch abgestaubte Hans-Fallada-Texte neu herauszugegeben hat Konjunktur. Den Anfang machte vor sieben Jahren der Erfolgstitel "Jeder stirbt für sich allein". Der Aufbau Verlag gab das Originalmanuskript heraus, das wesentlich ausführlicher ist als die Ausgabe des Rowohlt Verlags.
Vor eineinhalb Jahren war es dann der Welterfolg "Kleiner Mann – was nun?" von 1932, den wiederum Aufbau neu und um fast 100 Seiten ergänzt publizierte. Und nun kann man den Erzähler Hans Fallada neu entdecken! Von den rund 70 Geschichten und kleineren Prosaarbeiten, die der Schriftsteller im Laufe seines Lebens geschrieben hat, ist ein nicht unerheblicher Teil den Lesern unbekannt. Der Fallada-Biograf Peter Walther hat sie aus dem Nachlass zu Tage gefördert und 27 bislang unveröffentlichte Erzählungen in einem Lesebuch vereint: Es bietet nicht nur neuen Lesestoff, sondern lässt in vielen Selbstauskünften Falladas auch einen Blick in das faszinierende und tragische Leben dieses Schriftstellers zu.
Getragen von einem warmen Grundton
Die Geschichten führen in vertraute Fallada-Welten. Noch deutlicher als seine Erfolgsromane enthält die Prosa aus den Jahren 1910 bis 1947 eine Mischung aus "Erfahrenem und Erfundenem". Gerade Falladas frühe Erzählungen aus er Gymnasialzeit sind Geschichten eines jungen, traurigen Mannes, voller Missverständnisse um Liebe und Anerkennung, ganz leise, fast zärtlich und erschütternd ehrlich erzählt. In den "Aufzeichnungen des jungen Rudolf Ditzen nach dem Scheinduell mit seinem Schulfreund" skizziert der junge Autor detailversessen den gemeinsam geplanten Selbstmord mit seinem Freund, den nur er, Rudolf Ditzen, der spätere Hans Fallada, schwer verletzt überlebt. Ein verstörender Text, in dem die Grenzen zwischen Verbürgtem und Stilwillen verschwimmen; der frühe Tod des besten Freundes bleibt der traumatische Kern seines Lebens und Schreibens.
Viele Geschichten widmen sich typischen Fallada-Themen: In dem "Kleine-Leute-Kosmos" geht es mal um das "prahlerische Glück, als großer Mann dazustehen", mal um das ständig verpasste Liebesglück eines "schüchternen Feiglings" und mal um ein junges Paar, das im rauen Nachkriegsberlin unverhofft Glück findet und inmitten der Trümmer mit Liebeszauber der Kälte trotzt. Allen Geschichten ist ein warmer Grundton eigen, auch, wenn Fallada von einer buckligen Leichenwäscherin mit einer Vorliebe für verstorbene Kinder erzählt. Eine abgründige, grausige Geschichte, wohl die überraschendste des Bandes.
Meister seines Metiers
Was den Erzählungsband "Junge Liebe unter Trümmern" zeitlos lebendig werden lässt, ist Falladas erzählerische Kraft. Er war ein Meister seines Metiers, er vermochte die Menschen genau und fein zu beschreiben und zeigt sie – mal sentimentaler, mal sarkastischer - mit viel Intuition inmitten der Widersprüche und Konflikte ihrer Zeit. Die Wucht eines geborenen Erzählers zeigen schon die frühen Geschichten.