"Wir bekamen als Kinder jede Menge Geschenke und haben diese Geschenke immer in Nullkommanix zerstört. Und ich bin ein alter Küchenpsychologe und glaube, das schlechte Gewissen dieser ganzen deutschen Erwachsenen um uns herum hat sich auf uns Kinder übertragen, sodass wir eine sehr zerstörerische Natur bekamen."
Hans Frank und Arthur Brauner
Der Freiheitsplatz im polnischen Lodz, wo Arthur Brauner aufwuchs. Seine Familie floh noch rechtzeitig vor den Nationalsozialisten. © picture alliance / Arkivi / akpool
Vom Morden und Überleben - zwei Familiengeschichten
54:04 Minuten
Arthur Brauners Familie überlebte durch eine dramatische Flucht den Holocaust. Hans Frank wurde als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt. Ihre Kinder, Alice Brauner und Niklas Frank, erzählen im Essener Grillo-Theater die Geschichten ihrer Familien.
In den Wirren der Nachkriegszeit begegneten sich Arthur Brauner und seine spätere Frau Maria auf dem Bahnhof in Stettin. Es war Liebe auf den ersten Blick. Davon erzählt ihre Tochter, Alice Brauner in ihrem Buch "Also dann in Berlin". Doch auf dem Bahnhof in Stettin trennten sich auch ihre Wege wieder. Sie war auf dem Weg nach Lemberg, wo sie ihre Mutter zurückgelassen hatte. Als sich ihr Zug in Bewegung setzte, steckte Brauner ihr noch einen Zettel mit einer Adresse in Berlin zu. Dort wollten sie sich wiedertreffen.
Kindheit in Lodz
Seit Brauners Kindheit war das Kino seine große Leidenschaft. Er wurde im polnischen Lodz geboren, wo er in einer jüdischen Familie aufwuchs. Sein Vater war gut vernetzt und hatte einen florierenden Holzhandel. Als Kind ging Brauner täglich ins Kino. Lange hatte sein Vater die Gefahr, die von den deutschen Besatzern ausging, nicht wahr haben wollen. Als er sie erkannte, war es fast zu spät. In einer dramatischen Flucht entkommt die Familie dem Naziterror und flieht in die Sowjetunion.
Dort werden sie getrennt und verlieren sich aus den Augen. Zufälle führen sie immer wieder zusammen, bevor sie sich durch eine erneute Flucht wieder aus den Augen verlieren. "Der Zufall war ihr Schicksal", fasst Alice Brauner diese Zeit zusammen.
In Berlin begegneten sich Arthur und Maria tatsächlich wieder und heirateten. Brauner drehte bereits 1947 den Film "Morituri", der sich mit dem Holocaust auseinandersetzte. "Damals wollte kein Verleih den Film ins Kino bringen", sagt Alice Brauner. Es sei schon schwer gewesen ein Kino für die Premiere zu finden. "Vitrinen, in denen das Plakat und die Fotos hingen, wurden eingeschlagen", erzählt die Tochter.
Um Geld zu verdienen, verfilmte Brauner unter anderem die Karl May Geschichten oder Dr. Mabuse. Doch es war ihm ein Anliegen, Filme gegen das Vergessen zu produzieren. So entstanden die Filme "Hitlerjunge Salomon" oder "Zeugin der Anklage". Doch die Menschen in der jungen Bundesrepublik wollten sich mit ihrer Nazi-Vergangenheit nicht auseinandersetzen.
Der Sohn des "Schlächters von Polen"
Das galt auch für die Familie von Hans Frank, der der 'Schlächter von Polen' genannt wurde. Frank war Hitlers Generalgouverneur in den annektierten Gebieten Polens. Mit seiner Familie lebte er auf der Krakauer Burg Wawel, dem Stammsitz der polnischen Könige.
Sowohl die Krakauer Burg als auch seine Privatresidenz richtete Frank mit geplündertem Mobiliar und Kunstschätzen des polnischen Adels und der katholischen Kirche in Polen ein. Sein Sohn, der Journalist Niklas Frank, war damals 7 Jahre alt. Er sagt rückblickend, als Kinder hätten sie eine sehr zufriedenstellende Kindheit gehabt. Er habe damals gedacht, ganz Polen gehöre seiner Familie.
Zerstörerische Natur
Nach dem Krieg wurde Hans Frank von den amerikanischen Alliierten verhaftet. In der Haft schreibt Frank Briefe an seine Familie. Der Briefwechsel ist die Basis für Niklas Franks Buch "Meine Familie und ihr Henker".
Frank erinnert sich an den Tag, als er seinen Vater das letzte Mal sah. Schon vorher hatte der Verteidiger Franks der Familie gesagt, die Beweise gegen ihn seien erdrückend und die Familie müsse mit der Todesstrafe rechnen.
Niklas Frank hat schon früh mit seinem Vater gebrochen. "Mein Glück war, dass ich ihn nicht ausstehen konnte", sagt er. Sein Vater habe ihn stets als "Fremdi" bezeichnet, was seine Geschwister irgendwann übernahmen und ihn damit hänselten. Hans Frank unterstellte damit, dass Niklas nicht sein Sohn war. Er nahm an, dass sein bester Freund Karl Lasch ein Verhältnis mit seiner Frau gehabt hat und dass Niklas aus dieser Beziehung hervorgegangen ist.
"In dem Fall haben Sie nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie werden ein psychisches Wrack oder Sie bauen eine innerliche Distanz auf", sagt Frank. Das sei seine Rettung gewesen. Im Buch lautet sein Fazit, die Hinrichtung seines Vaters sei eine Erlösung gewesen, weil der Vater sein Hirn nicht mehr vergiften konnte.
Alice Brauner: "Also dann in Berlin..."
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021
336 Seiten, 22 Euro
Niklas Frank: "Meine Familie und ihr Henker"
Dietz Verlag, Bonn 2021
288 Seiten, 24 Euro