Hans Söllner irritiert Fans

Linker Beifang im Netz der Rechten?

10:53 Minuten
Hans Söllner mit Gitarre auf einer Bühne in Salzburg.
So liebt ihn das Publikum: Hans Söllner als anarchischer Rebell auf der Bühne. Zuletzt irritierte er mit seinen Äußerungen auf facebook. © imago / Manfred Siebinger
Eva Mair-Holmes im Gespräch mit Martin Böttcher |
Audio herunterladen
Hans Söllner wird von seinen Fans für seine systemkritischen Texte in bayerischem Dialekt gefeiert. Doch jüngste Kommentare bei Facebook irritieren Fans und auch sein Plattenlabel Trikont. Dessen Chefin distanziert sich von den Äußerungen deutlich.
Martin Böttcher: In über 40 Jahren hat sich Hans Söllner einen Ruf als anarchischer Rebell erarbeitet. Einer, der nicht nur in seinen Songs klar Stellung bezieht, sondern sich auch in permanenter Auseinandersetzung mit staatlichen Stellen befindet.
Oft ging es ums Kiffen. Aber er wurde auch wegen Beleidigung von Politikern angezeigt. Söllner hat sich für Tierrechte stark gemacht und auch für Geflüchtete. Und eigentlich schien die Sache klar: Söllner ist antiautoritär und gegen Rechts.
In letzter Zeit aber hat das Verhalten des mittlerweile 64-Jährigen irritiert. Auf seiner Facebook-Seite hat er zum Beispiel angesichts der Corona-Krise und der damit verbundenen Einschränkungen geschrieben: "Denunzianten, SA, Stasi und Gleichschritt und das passiert gerade. Man darf keine Vergleiche ziehen zum Dritten Reich. Aber das passiert gerade. Schaut euch um."
Sätze, die natürlich nicht unproblematisch sind und auch nicht unproblematisch für das Umfeld von Hans Söllner. Das Plattenlabel Trikont, wo Söllners Musik veröffentlicht beziehungsweise vertrieben wird, sah sich zu einer Distanzierung gezwungen. Und darüber habe ich vor der Sendung mit Trikont-Chefin Eva Mair-Holmes gesprochen. Wie ist denn gerade das Verhältnis zwischen Trikont und Hans Söllner? Sprechen Sie miteinander?
Eva Mair-Holmes: Ja, wir sprechen miteinander. Aber im Moment gibt es viel Gesprächsbedarf. Und eigentlich ist es eine Zeit, wo wir jetzt das Gefühl haben, wir müssen uns einfach mal in Ruhe an einen Tisch setzen, was wir all die Jahre immer gemacht haben. Es gibt immer mal wieder Konflikte zwischen Künstlern und Label und die kann man in der Regel auch lösen.
Jetzt in dieser zugespitzten Situation und vor allem auch jetzt dadurch, dass es mit dem Treffen noch immer sehr schwierig war, haben wir das ein bisschen vertagt. Aber es ist jetzt nicht so, dass er aus unserem oder wir aus seinem Leben verschwunden wären.
Böttcher: Sie haben sich öffentlich von Hans Söllner distanziert. Ich muss daraus kurz zitieren: "Wir schätzen ihn als Musiker sehr, insbesondere seine antiautoritäre und antifaschistische Grundhaltung. Wenn es allerdings um seine Äußerungen zur momentanen Situation gehört, distanzieren wir uns ausdrücklich. Diese spiegeln in keinster Weise unsere Meinung zur aktuellen Lage wieder. Seine Vergleiche mit dem Dritten Reich entbehren jeder Grundlage und verharmlosen den Terror des Nazi-Regimes in einer unerträglichen Weise." Das hört sich an, als seien Sie einigermaßen schockiert gewesen.
Mair-Holmes: Ja, es kam jetzt natürlich nicht so plötzlich. Man ist erschrocken und es gab wahnsinnig viele Gespräche, wirklich irre viele Gespräche dazu. Aber die Erfahrung, die ich mache und die ich nicht nur mit Hans Söllner mache, ist ja tatsächlich, dass wenn jemand durch eine bestimmte Brille auf diese Situation guckt, dass es wahnsinnig schwierig ist, mit dem, was man selber weiß oder an objektiven Fakten hat, zu überzeugen. Und das war mit Hans Söllner nicht anders.
Das ist bei ihm auch deswegen so wahnsinnig schwierig, weil das, was man bei ihm immer geschätzt hat, der Überbegriff, der über all seinen Arbeiten steht, ist ja Freiheit. Das ist das, wo immer klar war, das ist ein Gut, das dem Söllner nicht nur privat, sondern generell sehr wichtig ist.
Deswegen hat er Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Er hat wahnsinnig viel politisch auch gemacht und hat wirklich immer Menschen praktisch unterstützt. Und es stand immer groß "Freiheit" drüber. Das zu relativieren und zu sagen, ja, es gibt die persönliche Freiheit, aber die hört da auf, wo die des anderen anfängt und wo ist die Grenze? Das war das Problem, das zu vermitteln.

Man kann sich eine Parallelwelt aufbauen

Und dann kommen da natürlich wahnsinnig viele Sachen dazu. Er hat sich sehr früh schon gegen – "Impfgegner" ist so ein platter Begriff – aber, ja, da hat er sich auch schon sehr engagiert, was jetzt herüberschwappte, jetzt wo es um Impfungen ging. Und dann gab’s ja dieses blöde Gerücht um "Zwangsimpfungen" und "Impfpflicht" und dieser ganze Schotter. Und das Problem ist aber natürlich, er wird gehandelt in diesen Kreisen als einer, "der es endlich sagt". Und er wurde natürlich und wird zugeballert mit diesen Informationen.
Und das Erstaunliche ist, man kann sich mit dieser Art von Informationen eine vollkommene Parallelwelt aufbauen. Das tun die ja auch. Da ist er reingeraten. In manchen Sachen auch unwissend und manchmal auch leichtsinnig, weil er auch diese Links nicht überprüft hat, nicht wusste, wo kommen die her, überhaupt nicht nachgeguckt hat. Das war was, wo wir gemerkt haben, das nimmt jetzt Fahrt auf in eine Richtung, wo wir in irgendeiner Form nach Außen gehen müssen.

Söllner ist da reingerutscht

Böttcher: Was ich hier ganz interessant finde, Hans Söllner ist ja nicht nur gegen Impfungen oder gegen Zwangsimpfungen, er ist auch Tierrechtler, er ist Marihuana-Befürworter, CSU-Gegner, insgesamt so gegen "die da oben". Das hört sich ja fast so an, als wäre er die Personifizierung einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen. Das spiegelt doch so ziemlich genau dieses weite Spektrum wider, dass sich da bei diesen sogenannten Hygiene-Demos findet.
Mair-Holmes: Ja, das ist das Problem. Ich meine, das ist natürlich jetzt nicht nur Söllner, sondern das ist natürlich ein allgemeines Problem. Dass das jetzt tatsächlich ist, wie es noch nie war, dass sich Bewegungen in so einer Art vermischen, dass das Abgrenzen offensichtlich auch für die, die hingehen, immer schwerer wird.
Und natürlich gab’s das immer schon. Es gab immer schon bestimmte Ansätze, sei es in der Landwirtschaft, im Biobau, in vielen Bereichen, wo das immer wieder fast rüber schwappte, in so erzkonservative Ecken. Da musste man immer aufpassen.
Ja, und das ist halt jetzt was, wo Söllner wirklich reingerutscht ist. Also, dass er weiß Gott kein Faschist ist, das würde ich nach wie vor unterschreiben. Auf gar keinen Fall! Auf gar keinen Fall! Aber, diese Gratwanderung, die fällt ihm manchmal schwer.

"Jetzt läuft was total schief"

Böttcher: Ist er sich dessen denn bewusst, dass so Teile seiner Äußerung auch im rechten Lager anschlussfähig sind, merkt er das, bei wem er da so Anklang findet?
Mair-Holmes: Er hat’s natürlich erst mal nicht gemerkt. Er hat’s dann in unseren Streits gemerkt, weil ich es natürlich dann immer wieder thematisiert hab. Und er war sich immer eigentlich wahnsinnig sicher, dass doch eh klar ist, wofür er steht. Deswegen hat er ja dann auf seiner Facebook-Seite, das hatten wir besprochen, immer seine Songs spielt, die ja Statement genug sind.
Aber das hat natürlich irgendwann auch nicht mehr funktioniert, weil diese Songs zu spielen und dann trotzdem einen Link zu teilen, wo einem die Haare zu Berge stehen; es ging nicht.
Aber er war wahnsinnig erschrocken, als er das erste Mal so ganz öffentlich auch über Facebook in diese Richtung gestellt wurde. Und dann ging es los, dass ich gemerkt habe, dass hier Anfragen kommen von so rechten Blogs zu Interviews. Wo ich gemerkt habe, jetzt läuft was total schief.
Das war für ihn wirklich ein großes Erschrecken, weil das wollte er natürlich überhaupt nicht. Er will mit diesen Leuten nichts zu tun haben. Das kann man nur immer wieder sagen. Aber er tut sich schwer, das, was er darin sieht und was er befürchtet, so weit wegzuhalten von den anderen, mit denen er nichts zu tun haben will, dass das ersichtlich wird nach außen. Deswegen glaube ich, dass seine Entscheidung, jetzt erstmal auf Facebook rauszugehen, die Richtige war.

Problem für das Plattenlabel

Böttcher: Die Süddeutsche hat über Hans Söllner und auch über Sie, über das Trikont-Label geschrieben und da heißt es: "Für Trikont ist ein Künstler, der den Applaus Rechter anzieht, ein großes Problem, weil Trikont hervorgegangen ist aus der linken Protestbewegung der Sechziger und das Label hat sich mit seinen Künstlern immer klar gegen rechts positioniert." Was würden Sie sagen, wie gefährlich ist so eine Situation für Sie, für Trikont?
Mair-Holmes: Das ist jetzt natürlich ein bisschen aufgebauscht. Aber es ist natürlich schon so, dass für uns vollkommen klar war, dass wir mit dem, wofür wir stehen, nach außen gehen müssen. Das war für uns auch keine einfache Entscheidung. Wie macht man das?
Man muss natürlich auch sagen, wir sind so eine kleine Klitsche. Das sind ja alles auch Freundschaften zwischen uns und den Musikern. Und der Hans ist natürlich ein ganz, ganz, ganz langer Freund von mir. Das macht das alles ja noch komplizierter.
Nichtsdestotrotz war irgendwann einfach klar, wir müssen uns positionieren, um dieses Signal nach außen zu geben. Wir haben natürlich von vielen Leuten auch Reaktionen gekriegt, die gesagt haben, "wir haben eh nie vermutet, dass ihr das in irgendeiner Weise mittragt." Aber es war dann doch irgendwann ein Punkt, wo ich dachte, jetzt ist es wichtig. Es ist jetzt wichtig, auch nach außen Stellung zu beziehen.

Er hat nicht begriffen, dass das keine Bühne ist

Böttcher: Und wie geht es jetzt weiter? Also, er hat seine Facebook-Seite erst mal auf Eis gelegt, scheint nachzudenken. Und dann?
Mair-Holmes: Dann schauen wir mal, was er dann denkt und was dabei rauskommt. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht, aber ich denke, er hat natürlich auch viel verstanden darüber, wie soziale Medien funktionieren. Und das ist ja auch immer so ein Problem. Ich denke, viele Menschen kapieren es nicht. Und er hat einfach auch nicht begriffen, dass das keine Bühne ist, auf der er steht, wo 200 Leute unten stehen und wo er mit seinem Charme und mit einem Witz und vielleicht dann doch noch mit einer nachgeschobenen Erklärung die Dinge klarmachen kann.
Diese Verbreitung und diese Form, benutzt zu werden, das hat er, glaub' ich, vollkommen unterschätzt. Das ist tatsächlich, da merkt man, was da einsickert oder was da versucht, einzusickern auf Facebook. Deswegen war es eben jetzt sehr vernünftig, das mal dicht zu machen, bis sich vielleicht das alles da draußen beruhigt hat.
Also, das ist auch meine Hoffnung, ehrlich gesagt. In acht Wochen oder wie lange es auch immer dauern wird, wenn die Situation sich so weit klärt, dass vielleicht manche Demo und vielleicht auch manches Statement gar nicht mehr nötig ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema