Der Mann mit den City-Toiletten
Der Unternehmer Hans Wall sieht sich ganz in der Tradition von Ernst Litfaß. Wie der Erfinder der Litfaßsäule hat auch Hans Wall etwas geschaffen, das aus Stadtlandschaft nicht mehr wegzudenken ist - das stille Örtchen im Großstadtgetümmel.
Die Kantstraße in Berlin, eine große Parallelstraße zum Kurfürstendamm – aber von der Pracht des berühmten Boulevards ist hier wenig zu spüren. Das übliche Berliner Gewusel und Kuddelmuddel herrscht hier. Der Verein "Denk mal an Berlin" hat seinen Sitz an der Kantstraße. Ein früheres Geschäft mit großem Schaufenster. Das passt. Der Mäzen, Werbe-Unternehmer und "Stadtmöbel"-Erfinder Hans Wall öffnet die Tür.
"Sind Sie vom Deutschlandradio?" / "Hallo, Herr Wall, grüß Sie." / "Kommen Sie rein."
Hans Wall, 73 Jahre alt, leger gekleidet mit einem bunten Pullover, dicker Freizeitjacke und dunkeln Jeans. Kaum eingetreten, zeigt er sofort auf das Modell einer Litfaßsäule. Sie steht, etwa so groß wie eine Sektflasche, auf einem weißen Konferenztisch.
"Also, darauf sind wir ja ein bisschen stolz, dass wir die Säule von Ernst Litfaß mit einer innovativen Beleuchtungstechnik ausgestattet haben. Meine Konkurrenten, die haben da so kleine Scheinwerfer mit 700 Watt. Und wir haben das entwickelt. Ist `ne kleine Funzel. 40 Watt! Da oben drin, wirft ihr Licht gegen den Spiegel. Und dann wird das alles taghell erleuchtet, hier die Außenseite. Und ich bin überzeugt: Wenn Ernst Litfaß das gesehen hätte, hätte er bestimmt gesagt: Gut gemacht, Hans!"
Ernst Litfaß ist Vorbild für Hans Wall, den Wahlberliner und Selfmademan aus dem Schwäbischen, den Außenwerber und Erfinder einer selbstreinigenden öffentlichen Toilette. Aber der richtige Ort, mit Hans Wall zu reden, ist nicht das Büro, sondern die Bushaltestelle, am besten gleich um die Ecke. Auf dem Weg dorthin schwärmt er von seinem Schätzchen, der "City-Toilette".
"Also mein Lieblingsobjekt, -produkt, `ne, obwohl ich mit Wartehallen angefangen hab‘, ist ja die ´Wall-City-Toilette`, die vollautomatische. Das ist mein totales Lieblingsprodukt. Mich freut’s auch, wenn ich heute so rein guck. Die sind schon 20 Jahre im Betrieb und verrichten immer noch ihren Dienst hervorragend. Und es gibt nichts Besseres auf dem Markt."
Am Stuttgarter Platz im Berliner Bezirk Charlottenburg steht eine "seiner" Bushaltestellen: überdacht, die Wände aus Glas, ein stilisiertes "W" prangt gut sichtbar darauf – und, ganz wichtig: Es gibt eine auch nachts beleuchtete Werbefläche. Das war die Geschäftsidee des Unternehmens, das Hans Wall vor 40 Jahren mit 18 Beschäftigten gegründet hat: Haltestelle bauen, sie von seinen eigenen Leuten reinigen lassen, und dort Tag und Nacht werben. Haltestellen und Reinigung, alles kostenlos für die Städte. Ein gutes Geschäft für die Stadt – und für Wall.
"Die Gestaltung ist wichtig. Wenn man morgens schon um 6.00 Uhr mit dem Bus fahren muss, und dann in einer dreckigen Wartehalle, die dann auch noch Werbung hat. Da wird man ja, da muss man ja aggressiv werden."
2014 wird Wall Mitglied der AfD
Als Hans Wall 2012 nach seinem 70. Geburtstag satzungsgemäß als Aufsichtsratsvorsitzender aus dem Unternehmen ausschied, lag der Umsatz bei über 100 Millionen Euro, mehr als tausend Beschäftigte hatte sein Unternehmen. Sein Sohn Daniel wurde der Vorstandschef der Wall AG, mittlerweile gehört sie zum großen französischen Konzern "JCDecaux". Mit seinem Sohn Daniel hat sich Hans Wall gestritten. Der Junior distanzierte sich öffentlich, per Pressemitteilung, vom Senior, als der 2014 der euroskeptischen AfD beitrat.
"Das trägt man doch nicht in der Öffentlichkeit aus. Das ist einfach unanständig. Das habe ich ihm sehr übel genommen."
Heute ist Hans Wall nicht mehr AfD-Mitglied. Wir gehen zur allerersten City-Toilette – sie liegt am Stuttgarter Platz. Jeder Rollstuhlfahrer bekommt auf Anfrage einen Schlüssel, mit dem er die Berliner Wall-Toiletten kostenlos nutzen kann. Auch Hans Wall hat einen solchen Schlüssel, ebenso wie Altbundeskanzler Gerhard Schröder übrigens. Vergoldet. Hans Wall öffnet die Toilette.
"Gehen wir mal rein. Na, da hat jemand wieder Papier auf den Boden geworfen. Das kommt natürlich vor. Das ist sowieso eine Problemtoilette hier, mit Spritzen und so weiter. Wenn da einer Papier nimmt und schmeißt es dahin … Ich hätte sie vorher sauber machen sollen, ich Simpel."
Wir gehen zurück ins Vereinsbüro von "Denk mal an Berlin". Hans Wall hat sich als Mäzen in der Hauptstadt betätigt, mit Millionen von Euro – sein jüngstes Projekt ist die im Krieg zerstörte Parochialkirche im Klosterviertel. Walls Verein unterstützt den Wiederaufbau der Kirchturmspitze. Dazu gehören 37 Glocken, die zukünftig wieder regelmäßig spielen sollen. Hans Walls Herz aber gehört eindeutig der Erinnerung an Ernst Litfaß, dessen verwildertes Grab er renovieren ließ. Morgen, an dessen 200. Geburtstag, will Hans Wall an Litfaß‘ Grab einen Kranz niederlegen. Wall ist so gern Mäzen wie seinerzeit Ernst Litfaß.
"Der ist ja das größte Vorbild in der Richtung. Der hat 30.000 Berliner eingeladen, Veranstaltungen gemacht. Der war unglaublich sozial eingestellt. Wissen Sie, da muss man einfach ein Herz dafür haben. Sonst macht das keinen Spaß. Wenn ein Unternehmen gut läuft, und mein Unternehmen war ja ein sehr starkes Unternehmen, dann ist man auch interessiert, was rings um das Unternehmen passiert, damit da auch die Welt in Ordnung ist. Dass man dazu beiträgt. Mir hat das viel Freude bereitet, `ne."