Happiness - nach einem Film von Todd Solondz
Als eine moderne Version von Tschechows "Drei Schwestern" hat das Thalia-Theater Todd Solondz "Happiness" angekündigt. Der Film gewann vor zehn Jahren in Cannes den Kritikerpreis. John von Düffel hat das Drehbuch weitgehend wortwörtlich auf die Bühne übertragen - doch restlos überzeugt der Stoff auch da nicht.
"Haben Sie Sex?" fragt der Psychiater bei der Supervisionssitzung den Psychotherapeuten Bill. Der ist mit der mittleren Schwester, Trish, verheiratet, hat drei Kinder und schon lange keinen Sex mehr. Oder doch nur heimlich: er narkotisiert und vergewaltigt die Schulfreunde seines Sohnes - sie sind erst elf. Am Ende wird er sogar seinen Psychiater anlügen und behaupten, es gehe ihm gut. Denn der Zwang, glücklich und erfolgreich zu scheinen, erstreckt sich längst auf unsere intimsten Bereiche. Frauenzeitschriften empfehlen Rollenspiele und schöne Stellungen, damit "es" mindestens die statistisch vorgeschriebenen zwei Mal pro Woche passiert und auch wirklich ganz toll ist. In "Happiness" bleiben die Beziehungen dabei auf der Strecke: Eine Ansammlung deformierter Menschen wandelt einsam durch einen wortreichen Theaterabend, und keiner hört dem anderen wirklich zu.
Die drei Schwestern sind nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, ihr Lebensmodell als das jeweils glücklichste darzustellen. Die älteste, Helen, erfolgreiche und umschwärmte Schriftstellerin, hat ständig Sex, fühlt sich aber wertlos und nicht geliebt. "Dir fehlt eben Familie" meint die mittlere, Trish. Und hält der jüngsten, Joy, einen Vortrag, was für eine Versagerin die doch sei: erfolglos als Rockmusikerin, erfolglos als Englischlehrerin. Auch von den Männern lässt Joy sich nur ausnutzen. Die Schwestern könnten wohl einander beistehen - müssten sie nicht ständig auf der anderen rumtrampeln, um sich selbst auf der privaten Erfolgsleiter eine Sprosse hochzuarbeiten. Mit der Geschlechtsreife beginnt auch der allgegenwärtige Leistungsdruck bis ins Schlafzimmer. Am Ende des Abends verkündet Trishs elfjähriger Sohn Billy, das ihm endlich gelungen sei, worum er sich auf Drängen der Klassenkameraden seit langem bemüht: "Ich bin gekommen." Willkommen im Sexterrorclub.
Bühnenbildner Thomas Rupert hat ein großes Gewächshaus gebaut mit vielen bunten Blumen und riesigen Schlingpflanzen. Hier sind schnelle Szenenwechsel möglich, können die Personen nach Herzenslust sich in Blumenerde wälzen, mit Wasser spritzen oder friedlich zwischen die Stiefmütterchen kriechen. Außerdem ist das Treibhaus die perfekte, wenngleich etwas wohlfeile Metapher für die Triebe, die wild in den Figuren wuchern.
Da gibt es nämlich auch noch Helens Nachbarn Allan, einen verklemmten Typen, der fremde Frauen mit Telefonsex terrorisiert. Und die Nachbarin Kristina, die den Nachtportier in handliche Portionen zerlegt hat, weil der sie vergewaltigt hat. Eine typisch amerikanische Geschichte: Jeder hat hier eine Leiche im Keller - oder im Kühlschrank. Doch während diese satirisch überspitzten Figuren im Film ziemlich abstoßend wirken, erwecken die Bühnenfiguren eher Empathie: Gerade Peter Moltzen als Allan, im Gegensatz zum dicklichen Film-Allan ein äußerlich ziemlich attraktiver Mann, zeigt allein durch sein Spiel solche seelischen Deformationen, dass der Zuschauer schwankt zwischen Ekel und Mitleid. Und Helmut Mooshammer als pädophiler Psychotherapeut Bill ist zehnmal abgründiger als sein glatt gescheiteltes Filmpendant. Damit spielen sie die drei Schwestern allerdings auch locker an die Wand: Sie werden hier zu eher blassen Nebenfiguren.
Es ist überhaupt das Problem von Todd Solondz' Film und damit auch von diesem Theaterabend, dass die interessanten Perversionen der Mitspieler sich vor das eigentliche Anliegen schieben, das mit der Geschichte der drei Schwestern transportiert wird: Beziehungslosigkeit und innere Hohlheit aufzudecken in einem Privatleben, das von außen betrachtet erfolgreich scheint. Die Familie wird zwar als sicherer Hafen vor den stürmischen Forderungen der Außenwelt beschworen, ist aber in Wahrheit ebenfalls längst ein Ort, an dem man das eigene Emporkommen in der Unterdrückung seines Nächsten sucht, wie es in Amerika seit Ausrottung der Indianer Tradition ist. Hätten Solondz und John von Düffel sich mehr auf diese unspektakuläre Familiengeschichte konzentriert, der Abend hätte vielleicht stärker berührt. Doch da müssen wir wohl auf eine Bühnenadaption von Jonathan Franzens "Die Korrekturen" warten. Eine typisch amerikanische Geschichte - über die wir lachen und den Kopf schütteln. Die Kürze des Schlussapplauses war ein Hinweis darauf, dass sie sich wohl nicht lange auf dem Spielplan halten wird.
Die drei Schwestern sind nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, ihr Lebensmodell als das jeweils glücklichste darzustellen. Die älteste, Helen, erfolgreiche und umschwärmte Schriftstellerin, hat ständig Sex, fühlt sich aber wertlos und nicht geliebt. "Dir fehlt eben Familie" meint die mittlere, Trish. Und hält der jüngsten, Joy, einen Vortrag, was für eine Versagerin die doch sei: erfolglos als Rockmusikerin, erfolglos als Englischlehrerin. Auch von den Männern lässt Joy sich nur ausnutzen. Die Schwestern könnten wohl einander beistehen - müssten sie nicht ständig auf der anderen rumtrampeln, um sich selbst auf der privaten Erfolgsleiter eine Sprosse hochzuarbeiten. Mit der Geschlechtsreife beginnt auch der allgegenwärtige Leistungsdruck bis ins Schlafzimmer. Am Ende des Abends verkündet Trishs elfjähriger Sohn Billy, das ihm endlich gelungen sei, worum er sich auf Drängen der Klassenkameraden seit langem bemüht: "Ich bin gekommen." Willkommen im Sexterrorclub.
Bühnenbildner Thomas Rupert hat ein großes Gewächshaus gebaut mit vielen bunten Blumen und riesigen Schlingpflanzen. Hier sind schnelle Szenenwechsel möglich, können die Personen nach Herzenslust sich in Blumenerde wälzen, mit Wasser spritzen oder friedlich zwischen die Stiefmütterchen kriechen. Außerdem ist das Treibhaus die perfekte, wenngleich etwas wohlfeile Metapher für die Triebe, die wild in den Figuren wuchern.
Da gibt es nämlich auch noch Helens Nachbarn Allan, einen verklemmten Typen, der fremde Frauen mit Telefonsex terrorisiert. Und die Nachbarin Kristina, die den Nachtportier in handliche Portionen zerlegt hat, weil der sie vergewaltigt hat. Eine typisch amerikanische Geschichte: Jeder hat hier eine Leiche im Keller - oder im Kühlschrank. Doch während diese satirisch überspitzten Figuren im Film ziemlich abstoßend wirken, erwecken die Bühnenfiguren eher Empathie: Gerade Peter Moltzen als Allan, im Gegensatz zum dicklichen Film-Allan ein äußerlich ziemlich attraktiver Mann, zeigt allein durch sein Spiel solche seelischen Deformationen, dass der Zuschauer schwankt zwischen Ekel und Mitleid. Und Helmut Mooshammer als pädophiler Psychotherapeut Bill ist zehnmal abgründiger als sein glatt gescheiteltes Filmpendant. Damit spielen sie die drei Schwestern allerdings auch locker an die Wand: Sie werden hier zu eher blassen Nebenfiguren.
Es ist überhaupt das Problem von Todd Solondz' Film und damit auch von diesem Theaterabend, dass die interessanten Perversionen der Mitspieler sich vor das eigentliche Anliegen schieben, das mit der Geschichte der drei Schwestern transportiert wird: Beziehungslosigkeit und innere Hohlheit aufzudecken in einem Privatleben, das von außen betrachtet erfolgreich scheint. Die Familie wird zwar als sicherer Hafen vor den stürmischen Forderungen der Außenwelt beschworen, ist aber in Wahrheit ebenfalls längst ein Ort, an dem man das eigene Emporkommen in der Unterdrückung seines Nächsten sucht, wie es in Amerika seit Ausrottung der Indianer Tradition ist. Hätten Solondz und John von Düffel sich mehr auf diese unspektakuläre Familiengeschichte konzentriert, der Abend hätte vielleicht stärker berührt. Doch da müssen wir wohl auf eine Bühnenadaption von Jonathan Franzens "Die Korrekturen" warten. Eine typisch amerikanische Geschichte - über die wir lachen und den Kopf schütteln. Die Kürze des Schlussapplauses war ein Hinweis darauf, dass sie sich wohl nicht lange auf dem Spielplan halten wird.