"Sind wir endlich nicht mehr allein im Universum?"
Die NASA macht mit ihrer Suche nach Exoplaneten weiter, auch die Europäische Raumagentur plant weitere Projekte. Letztlich hätten alle Missionen nur ein einziges Ziel, sagt der Astrophysiker Harald Lesch – zu erfahren, ob die Naturgesetze im ganzen Weltall gelten.
Dieter Kassel: Seit 2009 schon sucht das Weltraumteleskop Kepler nach sogenannten Exoplaneten und war dabei höchst erfolgreich. Aber die Kepler-Mission geht langsam zu Ende, und in der kommenden Nacht, um 0.32 Uhr unserer Zeit, startet die NASA eine neue Mission, TESS. Die Abkürzung steht für Transiting Exoplanet Survey Satellite, und damit ist schon klar, auch TESS wird nach Exoplaneten suchen.
Wir sprechen darüber jetzt mit Harald Lesch, Professor für Physik an der Universität München, Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie ebenda und dank seiner Vorträge, seiner Bücher und vor allen Dingen seiner Fernsehsendungen, sag ich jetzt mal einfach so, Deutschlands bekanntester Astrophysiker. Schönen guten Morgen, Herr Lesch!
Harald Lesch: Guten Morgen, hallo!
Kassel: Wir müssen das mal erklären, was heißt: Es wurden schon Exoplaneten gefunden. Ich hab jetzt bei Google Maps noch keine Karten entdeckt und genaue Bilder. Was heißt das denn, wenn so ein Teleskop, bisher eben Kepler, bald TESS, einen solchen Planeten sieht?
Lesch: Was die sehen, ist, dass die Helligkeit von Sternen etwas sich verändert, und zwar schlicht und ergreifend dadurch, dass ein Planet an dem Stern vorbeizieht. Deswegen "Transit". Das heißt also, man sieht den Vorbeizug eines Planeten an einem Stern. Dadurch wird die Helligkeit des Sterns etwas verändert, und deswegen muss man sehr genau hingucken, weil Helligkeitsänderungen von Sternen passieren nicht nur dadurch, dass etwas daran vorbeizieht, das ist ganz einfach, es verdunkelt sich einfach ein bisschen die Scheibe, sondern dass der Stern selbst seine Helligkeit verändert. Und dafür braucht man ein sehr genaues Instrument.
Kepler hat das über viele Jahre jetzt gemacht, und dem gehen, wie Sie gerade gesagt haben, eben langsam die Lichter aus, deswegen kommt hier was Neues. Und TESS wird viel genauer, noch viel empfindlicher und mit vier Teleskopen sogar noch einen größeren Raumbereich überprüfen.
Das heißt, das, was wir da sehen, ist nicht direkt ein Planet, so nach dem Motto, Mensch, zeig doch mal die Karte, Google Maps oder so was, sondern wir sehen immer nur die Wirkung davon, dass ein Stern von einem Planeten umkreist wird. Bis wir mal richtige Planeten sozusagen auf einem Foto sehen, da werden noch ein paar Jahre vergehen, da brauchen wir das Extremely Large Telescope, das in Chile gebaut wird.
Ein "Steckbrief" für jeden Planeten
Kassel: Aber wenn ich jetzt so Zahlen lese wie, dass allein Kepler 3.500 Exoplaneten gesehen haben soll, insgesamt waren es noch mehr, es gab ja andere Missionen. Aber wenn jetzt so eine Sichtung, wie Sie sie gerade beschrieben haben, stattfindet, wie wissen denn die Wissenschaftler, dass das ein neuer Exoplanet ist und nicht einfach einer, den wir schon mal beobachtet haben?
Lesch: Natürlich wird praktisch ständig überprüft, es wird mit großer Statistik gearbeitet, es werden Sterne immer wieder überprüft, und nicht nur durch die Methode, mit der man hier den Transit beobachtet, sondern man hat noch eine andere Methode, dass man das Licht der Sterne von erdgebundenen Teleskopen aus sieht, und dann kann man nämlich an dem Licht, an der Veränderung des Lichts des Sterns nicht nur sehen, dass da ein Planet um ihn herum kreist, sondern kann auch noch sehen, auf welcher Bahn, in welcher Entfernung er das tut und mit welcher Masse er das tut.
Man hat dann verschiedene Informationsquellen und kriegt auf diese Art und Weise langsam so den Steckbrief für den Planeten voll. Und dann kann man sehen, ist das einer, den wir schon kennen, oder ist das einer, den wir noch nicht gekannt haben.
Kassel: Welche Zahlen sind denn seriös? Wie viele Exoplaneten kennen wir denn inzwischen?
Lesch: Über einige Tausend kann man sicher sein.
Kassel: Und wie weit sind die zum Teil weg? Können Sie das mal so erklären, dass man als Laie eine Vorstellung kriegt, wie weit diese Teleskope gucken können?
Lesch: Na ja, Kepler hatte ja nur praktisch einen Blick auf eine Ecke. Kepler konnte nur in eine Ecke gucken, und die sind dann schon einige Tausend Lichtjahre weit weg. Ein Lichtjahr lässt sich leicht erklären. Ein Jahr hat 365 Tage, jeder Tag hat 86.400 Sekunden – mal 300.000 Kilometer pro Sekunde macht knapp zehn Billionen Kilometer. Ein Lichtjahr. Tausend davon wären dann eben tausend mal zehn Billionen Kilometer – manchmal findet man Planeten um Sterne herum direkt in unserer Nähe, da würde man als Astronom sagen, Mensch, direkt vor der Haustür, einige wenige Lichtjahre nur.
Aber wir finden eben dann auch schon mal Planeten um Sterne herum, die ein paar Tausend Lichtjahre entfernt sind. Und jetzt mit TESS wird man eben wieder ein paar Tausend entdecken. Der wird, glaube ich, 500.000 Sterne (Anm. d. Red.: laut Nasa-Website 200.000) untersuchen mit seinen vier Teleskopen, die da drauf sind, und das heißt, wir werden eine noch bessere Statistik bekommen und werden noch mehr Planeten in der Milchstraße entdecken.
"Kleine Felsenplaneten wie Mars und Erde"
Kassel: Ich hab als Laie immer diese Vorstellung gehabt, dass alle anderen Sonnensysteme, die es gibt im Weltall, also unendlich viele, dass die ganz prinzipiell genau so sind wie unseres: In der Mitte ist eine Sonne, und darum herum kreisen die Planeten, vielleicht wie bei uns, mal einer andersherum als die anderen, und es sind, hatte ich als Laie – fragen Sie mich nicht, wieso, ich hab immer gedacht, es sind immer so, zwischen fünf und 20 werden das immer so sein.
Was weiß man darüber? Ist unser Sonnensystem möglicherweise völlig untypisch, und die anderen sehen ganz anders aus?
Lesch: Bevor ich mich jetzt um Kopf und Kragen rede – immerhin, Sie haben schon mal gesagt, die Sonne in der Mitte, der Stern ist in der Mitte. Das ist ja schon mal was. Das stimmt also auch bei den anderen. Und das Weitere – da haben wir praktisch völlig geraten, da wir ja bis dahin nur unser eigenes System kannten, war der Erwartungswert, wir werden schon nichts so Besonderes sein.
Jetzt stellt sich aber raus, holla, unser Sonnensystem ist eher was Außergewöhnliches. Denn so kleine Felsenplaneten wie der Mars oder die Erde, die gibt es in anderen Systemen so gar nicht. Ich kann Ihnen sagen, da sollten wir vielleicht bei anderer Gelegenheit mal drüber reden, die Geschichte des Sonnensystems wird dadurch noch mysteriöser, dadurch, dass unser System so ganz anders ist als die meisten anderen Planetensysteme.
Kassel: Es gibt noch europäische und amerikanische Missionen, die relativ bald dann auch noch auf den Weg gebracht werden. Geht es da eigentlich auch um die Suche nach außerirdischem Leben?
Lesch: Da rede ich mich jetzt mal um Kopf und Kragen: Ja, es geht nur darum! Es geht einzig und allein darum, was – alles andere würde überhaupt keinen Sinn machen. Einfach nur zu wissen, um andere Sterne herum gibt es Planeten, ist ja nett. Aber woran wir wirklich interessiert sind, ist, gibt es Anzeichen, dass es auf anderen Planeten Leben gibt. Und zwar ganz unabhängig von irgendeiner Science-Fiction-Geschichte, dass man jetzt da hinfliegen will, geht es darum, zu überprüfen, ob die Naturgesetze, die bei uns auf der Erde zu Leben geführt haben, ob die überall im Universum gültig sind oder nicht.
Und bei dem Phänomen Leben sind wir ja nach wie vor auf unseren eigenen Planeten beschränkt. Es geht ganz stark darum – also namentlich TESS ist praktisch nur so ein Zwischenergebnis. Sie haben es gerade angesprochen, TESS wird Vorbereitungsuntersuchungen machen für das ganz große Teleskop, das in 2020 ja starten soll, dieses James-Webb-Teleskop.
Damit werden wir die Atmosphären von extrasolaren Planeten untersuchen. Und wenn sich dann in den Atmosphären so Anzeichen von Sauerstoff zeigen – und Sauerstoff wird ja normalerweise verbraucht, es rostet zum Beispiel –, aber wenn man dann Sauerstoff finden würde, dann könnte man ziemlich sicher sein, dass es einen globalen Mechanismus gibt, der Sauerstoff produziert.
Und Sauerstoff bei uns auf der Erde wird durch Photosynthese produziert, genau. Das wäre natürlich der Hinweis, wir wären nicht allein im Universum. Also Sauerstoff und Wasser, womöglich eines Tages vielleicht mal Ozonlinien gefunden – dann würden wir doch sagen, wir sind nicht allein im Universum, Hurra, Hurra! Das heißt, mit TESS werden die großen Missionen vorbereitet, mit denen man in Zukunft dezidiert nach Leben suchen will.
"Das Universum hält große Überraschungen bereit"
Kassel: Das heißt, all diese Einzelmissionen – voraussichtlich noch in diesem Jahr startet die Europäische Raumagentur die "Cheops"-Mission, dann folgt eine Mission namens "Plato", auch von den Europäern. Sie haben "Webb" erwähnt von der NASA. Die ergänzen sich schon gegenseitig sinnvoll? Das ist nicht einfach nur irgendeine Form von Weltraumkonkurrenz?
Lesch: Nein, nein. Das hat mit Konkurrenz gar nichts mehr zu tun. Ich meine, wenn man jetzt mal fragen würde, Nobelpreis, jawoll, könnte man eigentlich schon denjenigen geben, die 1995 die ersten Planeten gefunden haben. Das, was jetzt passiert, ist erst mal auf den ersten Blick so eine Art von Standardwissenschaft, es wird jetzt einfach immer besser und genauer gesucht.
Und irgendwann wird man einen ersten erdähnlichen Planeten um einen Stern so ähnlich wie die Sonne finden, und dann wird man einen ersten erdähnlichen Planeten um einen ähnlichen Stern wie die Sonne finden, der auch noch eine Atmosphäre hat mit möglicherweise Sauerstoff. Das ist jetzt eben genau das Faszinosum Wissenschaft: Immer genauer, immer präziser, immer detailreicher, und noch genauer, noch genauer, und irgendwann werden wir es festgenagelt haben.
Und deswegen ist das eigentlich eine wunderbare Form von nicht Konkurrenz oder Wettbewerb, sondern von Projekten, die sich wirklich gegenseitig wunderbar ergänzen.
Aber es geht auch gar nicht anders, denn stellen Sie sich mal vor, Sie wollen einen Planeten wie die Erde finden – wann würden Sie denn dann einen Erdtransit nur sehen um die Sonne herum? Eben, jedes Jahr. Und wir werden bei TESS Beobachtungsmethoden haben, die alle Monate sind, das heißt, da findet man nur Planeten, die sehr nah an dem Stern sind. Und das sind dann schon so Ergänzungsbeobachtungen, da eben genauer hinzugucken.
Aber wenn man dann eine Erde finden wollte in der sogenannten habitablen Zone um einen Stern herum, also in der bewohnbaren Zone, dann muss man sehr genau hingucken. Und das sind alles Vorbereitungen für die entscheidende Beobachtung, wo wir dann vielleicht eines Tages das Interview führen werden: Mein Gott, haben die das wirklich entdeckt, und ist es jetzt so weit, sind wir endlich nicht allein im Universum?
Kassel: Aber damit ich jetzt auch nicht schlau wirke in diesem Interview: Von einem Teleskop, dass dann wirklich Bilder von kleinen grünen Männchen liefert, die uns zuwinken, sind wir weit entfernt?
Lesch: Wissen Sie, ich werde so oft gefragt, sagen Sie mal, kann man denn eigentlich die Landestellen von den Apollo-Missionen nicht direkt mit einem Teleskop hier von der Erde aus beobachten? Sag ich, nee, das geht leider nicht. Aber immerhin haben wir inzwischen einen Orbiter, der den Mond umrundet, sodass man alle diese Stellen ziemlich genau sehen kann, mit Fußabdrücken und so weiter.
Bis wir mal ein direktes Foto von den Außerirdischen zu sehen kriegen, das wird sich noch hinziehen. Das wird man nicht von der Erde aus machen. Aber wer weiß? Das Universum hält genügend große Überraschungen für uns bereit.
Kassel: Und es wird ja daran gearbeitet. Heute Nacht zum Beispiel, in der kommenden Nacht um 0.32 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit startet die Rakete, die das neue Raumteleskop TESS in die Umlaufbahn befördern wird. Allein das, ehe es dann da wirklich stationär ist, dauert ungefähr zwei Wochen. Aber in Weltraumzeiträumen gesehen ist das natürlich der Bruchteil einer Sekunde.
Harald Lesch war unser Gesprächspartner. Herr Lesch, herzlichen Dank für dieses Gespräch, und ich freu mich jetzt schon aufs Nächste!
Lesch: Ja, bis bald, alles Gute! Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.