Auftakt eines furiosen Soloabends
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Harald Schmidt kehrt in Stuttgart mit einer sechsteiligen Showreihe wieder auf die Bühne zurück. Unser Kritiker Michael Laages hat den als Impro-Show angekündigten einstündigen Auftritt gesehen und ihn in sehr guter Stimmung verlassen.
Er hat die Schauspielhaus-Bühne ganz für sich allein: Sechs Soloabende sind in dieser Spielzeit geplant, immer in einem der aktuellen Bühnenbilder des Hauses, zum Auftakt im riesigen Bierzelt wie auf der Cannstatter Was’n für Calixto Bieitos Inszenierung von Ödön von Horvaths "Italienische Nacht". Dieser Auftakt war furios.
Theatergen im Blut
Wer sich noch an Schmidts Mitternachtsshows erinnert, wird die Struktur wieder erkennen: ein längeres Brettlsolo zu politischen und gesellschaftlichen Fragen der Zeit stand da immer am Beginn, schnell und aktuell notiert mit Hilfe von zuliefernden Autoren wie ehedem Manuel Andrack und dann wie aus dem Ärmel geschüttelt, halt wie im klassischen Kabarett von Dieter Hildebrandts Kaliber.
Danach erst kamen die Gäste. Das Eröffnungssolo steht jetzt im Zentrum und füllt gut drei Viertel der schnellen Stunde. Zum Atemholen - und Gedankensortieren - hat Schmidt eine Liste musikalischer Schnipsel zur Hand, die ihm die Tontechnik des Hauses auf Zuruf zuspielt. Gegen Ende jeder Show stößt ein "Special Guest" hinzu. Bei der Eröffnung war das Cornelius Meister, der junge und überaus muntere Generalmusikdirektor von der Staatsoper nebenan.
Zurück nach Stuttgart
Was viele nicht wissen, wenn Harald Schmidt, die Medienikone, Theater spielt, dann kommt er "nach Hause". Der Junge aus Nürtingen ist mit Besuchen in Claus Peymanns Stuttgarter Theater Mitte der 70er-Jahre aufgewachsen. Sicher auch deshalb hat er hier Schauspiel studiert.
Als Schmidt sich dann erste Spielpraxis erwarb, hat ihn Kay Lorentz entdeckt, der Patriarch vom Düsseldorfer Kabarett "Das Kom(m)ödchen". Aus dieser Mischung erst ist das Talent zum freien, frechen Ton für die Late-Night-Show nach US-amerikanischem Fernsehvorbild gewachsen.
Im Gefolge der TV-Präsenz hat Schmidt bei Matthias Hartmann in Bochum "Warten auf Godot" gespielt, war zur Zeit von Hasko Webers Intendanz am Stuttgarter Schauspiel sogar richtig engagiert und kehrte im vorigen Jahr an die Oper der Stadt zurück. Nun also dieser Soloabend.
Fern von politischer Korrektheit
Natürlich wird auch bei dieser Rückkehr auf die Schauspielbühne nicht nur "improvisiert". Schmidt hat sortierte Notizen dabei und erinnert wie nebenbei an das Wort von Rudi Carrell: "Wenn ich was aus dem Ärmel schütteln soll, muss ich vorher was rein stecken" - oder so ähnlich. Das "wie nebenbei" aber entscheidet.
Schmidt erprobt und beweist die Möglichkeit der Erfindung des Denkens beim Sprechen. Wie auf der Achterbahn rasen Pointen bergauf und bergab, sie fügen sich dabei zu einem wunderbar flüchtigen Wimmelbild der Gedanken. Schmidt springt vom Hölzken aufs Stöcksken, sammelt Fundstücke aus Politiker- und Politikerinnenmund ein und müllt sie "wie nebenbei" auf die Bühne, zitiert sich die aktuell wichtigen Fragen herbei ("Wie vermeide ich CO2?"), flitzt mit Ecken und Kanten durch Weltpolitik und Wahngebilde, bleibt dabei fast immer unberechenbar und gern auch fern politischer Korrektheit.
Auch die Beziehung zwischen sich selbst, dem kabarettistischen Schlaumeier, und dem zu Allem und Jedem verführbaren Publikum spitzt er immer wieder zu. Das zum Beispiel unterscheidet Schmidt fundamental von den rein affirmativen Strategien aktueller Comedy. Schmidt erzählt extrem selten Witze, ist aber witzig. Das ist ein eminenter Unterschied.
Heimat und Jugendstadt
Und wo er schwächelt, schwächelt er halt. Aber auch das könnte ein Effekt sein im Spiel. Anzumerken ist Schmidt das pure Vergnügen – allein zu sein nur mit sich und gesammelten Gedankensplittern in Bieitos Bierzeltbild, alles in der Hand zu haben an jenem Theater, mit dem er vor mehr als 40 Jahren aufgewachsen ist. Überhaupt spielen Heimat, also Nürtingen, und Jugendzeit jetzt zum Auftakt eine große Rolle. Kein Wunder, auch der immerjunge Schmidt hat die runde 60 schon seit zwei Jahren hinter sich.
Als "Happiness Consultant", als Glücksberater, eröffnet er den Abend, ähnlich wie demnächst nebenan am Bahnhof "Baustellen-Buddies" das Publikum an die Hand nehmen. Und: Ja, das ist eine ziemlich gute Rolle für einen Kabarettisten und Entertainer wie Harald Schmidt. "Applaus, Applaus, Applaus" würde Kermit aus der "Muppet Show" rufen.