Harald Welzer ist der Direktor von "Futurzwei – Stiftung Zukunftsfähigkeit" und Honorarprofessor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg. In diesem Jahr ist sein Buch "Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen" erschienen.
"Man unterschätzt, was für ein staatstragender Akteur er ist"
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Seit gestern ist Jan Böhmermann SPD-Mitglied. Das angestrebte Amt des Parteichefs werde er aber nicht bekommen, meint der Soziologe Harald Welzer. Obwohl Böhmermann politisch "sehr ernst" zu nehmen sei - und seine Satire im Grunde politische Bildung.
Macht Jan Böhmermann jetzt den Beppe Grillo? Zumindest den ersten Schritt hat er geschafft: Über den Köthener Ortsverein der SPD ist der Kölner in die sozialdemokratische Partei aufgenommen worden. Und strebt natürlich gleich den vakanten Posten des SPD-Vorsitzenden an. Alles nur Satire?
Nein, meint der Soziologe Harald Welzer. Die Aktion sei genau auf der Kante zwischen ernst gemeint und nicht. "Im Grunde ist es eine klassische politische Methode der paradoxen Intervention. Also, man spielt nach den Spielregeln und füllt diese Spielregeln noch mal mit einem eigenen Twist und einem eigenen Inhalt."
Satire als politisches Bildungsprogramm
Politisch sei Böhmermann durchaus ernstzunehmen, sagt Welzer. "Was man bei Böhmermann unterschätzt, ist, dass er wirklich ein staatstragender Akteur im öffentlichen Raum ist." Sein Video "Ich hab Polizei" zum Beispiel mache klar, wieso es in einer Demokratie Polizei gebe und wieso Polizei auch gut sei. "Und da gibt es ja viele solcher Sachen, wo er versucht, mit seinen medialen Mitteln im Grunde genommen politische Bildung zu machen."
Chancen auf den SPD-Vorsitz habe Böhmermann aber natürlich nicht, da es der SPD am Willen fehle, wirklich einmal etwas fundamental Neues zu machen. Dabei wäre Böhmermann sogar ein Modernisierungsfaktor für die Partei, meint Welzer. "Ich persönlich wäre der Auffassung, Jan Böhmermann hätte auf dem intellektuellen Niveau der SPD viel Gutes zu tun und würde eigentlich das etwas höher legen."
Interventionen, die einer Demokratie gut anstehen
Eine Gefahr, dass Akteure wie Jan Böhmermann oder der Youtuber Rezo mit seiner harschen Videokritik der CDU eine Grundverachtung für die politischen Eliten schürten oder verstärkten, sieht Welzer nicht. Im Gegenteil:
"Ich glaube, beide machen eigentlich politische Interventionen, wie sie in einer Demokratie wie der unseren den Bürgern gut anstehen, nämlich zu sagen, was getan werden müsste."
(uko)
Hören Sie hier die gesamte "Studio 9 - Der Tag mit"-Sendung mit Harald Welzer:
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