Digitalisierung der Schulen "ist extrem kurz gedacht"
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Brauchen wir Schulen voll Tablets und Laptops? Soziologe Harald Welzer bezweifelt das. Es sei "vollkommener Unfug", ein lang erprobtes System auf etwas sehr Kurzlebiges umzustellen, bloß weil es eine "unfassbar erfolgreiche Reklame der Digitalwirtschaft" gebe.
Bund und Länder haben sich geeinigt: Der Bund darf den Länder finanzielle helfen bei der Digitalisierung. Fünf Milliarden Euro des Bundes sollen für die Ausstattung der Schulen mit digitalen Geräten und Lernprogrammen genutzt werden. So sieht es der sogenannte Digitalpakt vor.
Für den Sozialpsychologen Harald Welzer kein Grund zu jubeln. "Das ist sicher ein zeitgemäßer Schritt, aber vielleicht reflektiert der Umstand, dass wir das jetzt plötzlich so sensationell finden, eigentlich nur, wie vernachlässigt die Schulen in den letzten Jahren und Jahrzehnten wurden. Dichte Dächer und benutzbare Klos scheinen mir prioritär."
Sind Jugendliche medienkompenter als ihre Lehrer?
Ganz davon abgesehen bezweifelt Welzer generell, ob eine Digitalisierung der Schulen wünschens- und erstrebenswert ist: "Diese ganze Digitalwirtschaft redet ja die ganze Zeit davon, dass die Entwicklung ja so wahnsinnig schnell ist, eine Innovation peitscht die nächste. Und wenn die recht hätten, dann ist es ja vollkommener Unfug, ein lang erprobtes System umzustellen auf etwas, was offensichtlich sehr kurzlebig ist. Und insofern ist es meines Erachtens nach extrem kurz gedacht, jetzt die Schulen zu digitalisieren."
Viele Argumente, die für ein digitales Lernen ins Feld geführt werden, hielten außerdem keiner Prüfung stand, meint Welzer. Beispielsweise die Hoffnung, hierdurch Schülerinnen und Schülern Medienkompetenz zu vermitteln.
"Wir alle, die zur Schule gegangen sind, wissen doch: Wenn das Personal etwas nicht hat, dann ist das Kompetenz in Bezug auf Medien und technische Geräte. Kein Lehrer konnte jemals den Videorekorder bedienen." Und mit digitalen Medien würde die junge Generation sehr viel souveräner umgehen, da sie mit diesen aufgewachsen sei.
Das "erfolgreiche Schulsystem" nicht einfach austauschen
Auch glaubt Welzer, dass viele Jugendliche digitalen Medien sehr viel kritischer gegenüberstehen als die vorherigen Generationen. Weil für die Jugendlichen die neuen technischen Möglichkeiten selbstverständlich seien, würden sie negative Aspekte der digitalen Welt viel sensibler wahrnehmen.
"Man soll ein über alle dynamischen Zeitveränderungen hinweg erfolgreiches Schulsystem jetzt nicht an der Theke abgeben, bloß weil es eine unfassbar erfolgreiche Reklame der Digitalwirtschaft ist, dass das nun alles unsere Zukunft sein soll."
(lk)