Die Ausstellung "Haroon Mirza – hrm199 Ltd." ist bis zum 6. September 2015 im Museum Tinguely in Basel zu sehen.
Höllenlärm und Lichtspektakel
Der Brite Haroon Mirza ist bekannt für Kooperationen mit anderen Künstlern. In Basel mischt er nun mit seinen Klang- und Lichtinstallationen das Museum Tinguely auf und bedient sich dabei auch der Werke von Kollegen.
Ein bisschen Nerven braucht man schon für diese Schau. Zum Beispiel hier, in einem kleinen dunklen Raum, schmal wie ein Flur. An der Wand ein Parabolspiegel, vor dessen Brennpunkt ein Lautsprecher von der Decke hängt. Minutenlang brummt und wummert es, ein aggressives Geknatter wie von einem Hubschrauber, dann werden die Frequenzen langsam hochgejagt zu einem Höllenlärm.
Es sieht so aus, als ob der Spiegel den Schall reflektiere, doch das ist eine jener Wahrnehmungstäuschungen, mit denen Haroon Mirza gerne spielt. Das Spiegelobjekt hat er sich übrigens ausgeliehen von seinem berühmten Kollegen Anish Kapoor und quasi als Rohstoff für ein neues Werk benutzt, sagt Museumschef Roland Wetzel:
"Das war jetzt fast ein Jahr im Atelier von Haroon Mirza, und er hat damit experimentiert und hat das eigentlich von einem Objekt, das vor allem sich ans Auge richtet, zu einem Objekt transformiert, das Klang besonders bündelt."
Sonnensinfonie der Marmorbrocken
Dieses Geben und Nehmen hat bei Mirza Methode. Das fängt schon draußen an, im kleinen Park vor dem Museum. Zwei ziemlich rohe Steinskulpturen stehen dort, die der italienische Bildhauer Mattia Bosco etwas in Form gebracht hat, und Mirza hat die Marmorbrocken mit eingelassenen Leuchtdioden und verborgenen Lautsprechern optisch und akustisch aufgepimpt, um – wie es heißt – eine "Sonnensinfonie" aufzuführen.
"Das Ganze wird gesteuert durch ein Solarpaneel, und je nach Sonnenstand ist das Spiel von Licht und Ton ein anderes. Und das kann man jetzt auch beeinflussen natürlich."
Na ja, Spielzeug irgendwie, die Melodie klingt eher nach Sonnenstich. Doch Mirza hat auch Raffinierteres zu bieten:
"Das ist ein Hallraum. Das Ganze, der Boden, die Decke, die Wände sind mit einem Lack überzogen, der sehr stark den Schall reflektiert. Also wenn man in die Hände klatscht, dann hallt es sekundenlang nach: Klatsch – Klatsch."
Nicht Klatschen, sondern fließendes Wasser aus einem Duschkopf ist allerdings nun in dem Raum zu hören; ein Geräusch, das man angesichts der LED-Beleuchtung mit einem elektronischen Rauschen assoziiert – und wieder hat man sich getäuscht.
Optische und akustische Spektakel
So geht es weiter durch die Schau mit ihren optischen und akustischen Spektakeln. Mirza entlockt einer mobilen Metallplastik von Alexander Calder mit einem Ventilator ein sanftes Geklimper (wofür sie ursprünglich auch gedacht war) und lässt seinem technischen Spieltrieb freien Lauf – mit LED-Lichtbändern und Filmprojektionen, Lautsprechern, Verstärkern, Lichtsensoren, Wasserpumpen, Mischpulten, Mikrophonen oder elektronischen Platinen.
In einem großen, abgedunkelten Raum treffen wir auf eine laborartig inszenierte Multimedia-Kettenreaktion, die am Ende buchstäblich in einem Eimer landet.
Auch das Geflatter von Fledermäusen auf einem Bildschirm spielt dabei eine Rolle.
"Es geht auch um diese Irritation, dass man annimmt, es ist ein natürliches Geräusch, tatsächlich ist es ein elektronisch erzeugtes Geräusch. Es ist unsere Wahrnehmung, die es dann einordnet, an einem Ort, wo es anders interpretiert wird."
Relativität der Wahrnehmung
Und eben darum geht es Haroon Mirza, um das Verhältnis von Hören und Sehen, um die Relativität unserer Wahrnehmung. In einer dreiteiligen Raumsequenz benutzt Mirza das legendäre Youtube-Video, in dem die isländische Musikerin Björk erklärt, wie ein Fernseher funktioniert.
Dass Mirza dabei Verfremdungseffekte einsetzt, ist Konzept, sagt Roland Wetzel.
"Primär ist er Tonkünstler. Er arbeitet ja auch als DJ, und ich glaube, die Verfahren, die man als DJ braucht, die scheinen auch immer wieder in seinen Werkprozessen auf, wie er Dinge übernimmt, verfremdet, in andere Kontexte einfügt. Also das sind Verfahren, die er von seinem DJing eigentlich schon sehr gut kennt."
Die Schau ist spannend, unterhaltsam und manchmal auch verblüffend. Doch Mirzas Praxis, sich die Werke anderer Künstler anzueignen und als Material zu benutzen, hat gelegentlich auch etwas Übergriffiges, z.B. wenn er den schauerlichen "Mengele Totentanz" von Jean Tinguely im Museum mit zusätzlichen Klang- und Lichteffekten noch schauerlicher machen will und das Werk durch diese Zutat seiner Zeitgenossenschaft beraubt.
Tinguely hat solches "Tuning" eigentlich nicht nötig. Es käme ja auch keiner auf die Idee, etwa ein Bild von Rembrandt zu überpinseln, um es dadurch zeitgemäßer zu machen.