Harry Crews: "Florida Forever." Roman.
Aus dem Amerikanischen von Gunter Blank.
Herausgegeben von Gunter Blank und Simone Salitter.
Metrolit Verlag, Berlin 2015.
334 Seiten, 22,00 Euro.
Parade der Versehrten
Mit absurder Komik und einem unsentimentalen Blick auf den körperlichen Verfall des Alters erzählt der Roman "Florida Forever" eine Geschichte von Sex und Tod, Gewalt und Begehren. Harry Crews, der als Ikone des amerikanischen Undergrounds gilt, lässt seinen Figuren dennoch die Würde.
Der Sunshine State Florida gilt als unbeschwertes Rentnerparadies. Ein gänzlich anderes Bild entwirft Harry Crews in seinem gleichermaßen morbiden wie rasanten Spätwerk "Florida Forever". Der resignierte Koreakriegs-Veteran Stump hat sich in den Sümpfen Floridas ein Grundstück zugelegt und zu einem Trailerpark für Senioren ausgebaut. In der von ihm "Forever and Forever" getauften Siedlung fristen die gebrechlichen Alten ein kümmerliches Dasein in heruntergekommenen Wohnwagen und warten auf ihr baldiges Dahinscheiden. Hier leben Paare wie Johnson und Mabel Meechum, die sich seit 60 Ehejahren nichts mehr zu sagen haben und im stummen Hass nur noch den Gestank des anderen und den Geruch des nahenden Todes wahrnehmen. Stump, der bei einem Arbeitsunfall seine rechte Hand verloren hat, kommt diese Friedhofsruhe zupass, denn so kann er ungestört mit Bier und Whisky seine wiederkehrenden Alpträume betäuben.
Too Much hebt die Stimmung
Damit ist es vorbei, als die blutjunge Too Much auftaucht, die mit ihrer offensiven Sexualität und ihrem rotzigen, furchtlosen Auftreten nicht nur Stump die erloschenen Lebensgeister wieder einhaucht. Die depressive Stimmung in der Siedlung stinkt ihr gewaltig und sie setzt alles daran, die Bewohner aus ihrer Lethargie zu wecken und ihnen ein bisschen Lebensfreude wiederzugeben. Dabei schreckt sie auch vor drastischen Methoden nicht zurück.
Mit absurder Komik, einer ebenso derben wie plastischen Sprache und einem gänzlich unsentimentalen Blick auf den körperlichen Verfall des Alters setzt der als Kultautor geltende Südstaatenschriftsteller Harry Crews eine wahnwitzige Geschichte von Alter und Jugend, Sex und Tod, Gewalt und Begehren in Szene. Er bietet eine ganze Parade der Versehrten und Verstümmelten auf, Menschen, die körperlich und seelisch bis ins Mark zerrüttet sind. Doch hinter der Groteske und dem schwarzen Humor scheint bei Crews ein schonungsloser, schmutziger Realismus auf, der seinen Figuren bei aller Kaputtheit ihre Würde lässt und so die Normen und Wertvorstellungen der Mehrheitsgesellschaft infrage stellt.
Outsider des etablierten Literaturbetriebs
Der 2012 verstorbene Harry Crews war zeit seines Lebens ein Outsider des etablierten Literaturbetriebs, der jedoch mit seinen radikalen Geschichten über die Randgestalten an der dunklen Unterseite des amerikanischen Traums in den Achtzigerjahren zur Ikone der amerikanischen Underground-Szene aufstieg. In Deutschland ist er kaum bekannt, nur wenige Romane wurden vor einigen Jahren von einem Bremer Kleinstverlag ins Deutsche übertragen. Umso verdienstvoller ist nun die Arbeit des Herausgeber- und Übersetzerduos Gunter Blank und Simone Salitter. Mit ihrer glänzenden Übersetzung von Crews' letztem, 1998 veröffentlichten Roman und einem lesenswerten Nachwort starten sie in ihrer Noir-Reihe beim Berliner Metrolit Verlag einen erneuten Anlauf, ihn auch hierzulande einem größeren Publikum zu erschließen. Eine großartige Wiederentdeckung.