Programmtipp: Weitere Nachrufe und Gespräche in der Sendung "Fazit" (23.05 Uhr)
Missionar und großartiger Performer
Harry Rowohlt ist tot, er starb im Alter von 70 Jahren. "Er war ein richtiger Literatur-Junkie", meint die Kritikerin Maike Albath − und der erste Übersetzer, der durch seine Bühnenauftritte so berühmt geworden sei.
"Es ist natürlich ein ungeheurer Verlust, auch ein Verlust an Humor im Literaturbetrieb und an aufsehenerregenden Veranstaltungen, er hat wirklich die Massen mobilisiert", sagte die Literaturkritikerin Maike Albath im Deutschlandradio Kultur.
"Er war ein richtiger Literatur-Junkie und -Missionar, der immer wieder andere überzeugen wollte. (...) Er war ein großer Performer, und er war vielleicht sogar der erste Übersetzer, der so berühmt geworden ist und der durch seine Art der Interpretation auch der verschiedenen Stimmen, die er ja dann in unterschiedliche Sprachstile gebracht hat, so großartig agieren konnte auf der Bühne. Da hat man natürlich gemerkt, dass er ein Schauspielersohn ist."
Harry Rowohlt wurde als Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt 1945 in Hamburg geboren. Seine Mutter war die Schauspielerin Maria Pierenkämper. Seine Lehre als Verlagsbuchhändler absolvierte er aber nicht im Verlag des Vaters, sondern beim Suhrkamp Verlag.
Bekannt wurde Harry Rowohlt durch seine Übersetzungen englischer Literatur, unter anderem von Hemingway, James Joye, Flann O'Brien und David Sedaris.
Sein Markenzeichen war sein Bart und seine unverwechselbare Reibeisenstimme, mit der er unzählige Hörbücher veredelte, unter anderem die Geschichten von "Puh, der Bär".
Für die Wochenzeitung "Die Zeit" war Rowohlt als Kolumnist tätig und schrieb regelmäßig die Kolumne "Pooh's Corner". Außerdem wurde er einem größeren Publikum als Schauspieler bekannt durch seine Rolle des Obdachlosen Harry in der Serie "Lindenstraße". Im Deutschlandradio Kultur wirkte er auch in Hörspielen mit.
Der deutsch-irische Journalist Ralf Sotscheck kennt Harry Rowohlts ganzes Leben und sprach über seinen Freund im Deutschlandradio Kultur.
"Wir haben auch viele Lesungen zusammen gemacht, die dann meistens fünf Stunden dauerten, (…) weil ja auch die Flasche Whiskey erst mal gelehrt werden musste, die er zu jeder Lesung trank."
Sotscheck hat eine Biografie über ihn geschrieben mit dem Titel "Harry Rowohlt erzählt Ralf Sotscheck sein Leben von der Wiege bis zur Biege". Ob Rowohlt an die Biege, an den Tod dachte? Dazu Sotscheck:
"Ich hatte ihn noch zu seinem 70. Geburtstag Ende März angerufen, und da versprach er mir doch ein großes Fest zum 80. Geburtstag. (…) Er sagte ja auch immer, er sei kerngesund, so richtig Gedanken hat er sich darüber glaub' ich nicht machen wollen."
Nachruf von Arno Orzessek auf den "begnadeten Wortkünstler" und "deutschen Mehr-Generationen-Bär" mit vielen Originaltönen: