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Armut und Vorurteile - die Sicht der Betroffenen
Unserer Hörerin Anna Schmidt hat sich nicht nur über Jens Spahns Aussage, dass Hartz IV zum Leben ausreiche, beschwert. Sondern auch über uns. Sie empfängt Hartz IV und kritisierte, wir würden nur mit Leuten über Armut sprechen, die nicht betroffen sind. Wir haben sie eingeladen und gemeinsam mit der Linken-Politikerin Inge Hannemann über Abstiegsängste im Hartz-IV-Zeitalter gesprochen.
Rund sechs Millionen Menschen sind in Deutschland heute Hartz IV-Empfänger. Von ihnen suchen rund 1,6 Millionen einen neuen Arbeitsplatz – oftmals vergebens. Unser Studiogast, die gelernte Bürokauffrau Anna Schmidt, ist eine von ihnen. Sie hatte sich über Facebook an uns gewandt, weil sie mit der Diskussion über Hartz IV ohne die Sicht der Betroffenen unzufrieden ist.
Mit ihr im Studio war heute die Linken-Politikerin und frühere Mitarbeiterin im Job-Center Inge Hannemann, die ebenfalls aus der Praxis erzählte.
Schwieriger Einstieg
Inge Hannemann klagte darüber, dass Hartz IV-Empfänger bei der Arbeitssuche oft stigmatisiert würden. "Die Arbeitgeber agieren häufig mit Vorurteilen", sagte sie im Deutschlandfunk Kultur. Arbeitssuchende würden oft als faul angesehen. Auch Behinderungen oder chronische Krankheiten stießen keineswegs auf Verständnis. "Da kommt dann alles Mögliche und die Arbeitgeber wissen natürlich, wenn ich einen Eingliederungszuschuss beantrage und den bekomme, dann stelle ich den ein - wenn ich ihn nicht bekomme, stelle ich ihn nicht ein."
"Man muss gleich funktionieren"
Anna Schmidt, die an einer Rheumaerkrankung leidet, bestätigte diese Erfahrung. Viele Arbeitgeber wünschten sich Leute, die schon eingearbeitet seien und hohe Leistungen, die Aufgaben eines Chefbuchhalters, teilweise machen", sagte sie. Dabei sei das aus Haftungsgründen schon rechtlich problematisch. "Man muss gleich funktionieren", klagte die Hartz IV-Empfängerin.
Skepsis gegenüber alten Ideen
Angesichts von Vorschlägen, wie dem von Berlins Regierendem Oberbürgermeister Michael Müller zum solidarischen Grundeinkommen, zeigte sich Inge Hannemann skeptisch. "Es ist eine Wiederauflage eines bestehenden Konzeptes", kritisierte sie. "Das haben wir seit Jahren, das nennt sich Förderung von Arbeitsverhältnissen." Sie nannte "Ein Euro Jobs" oder das Bundesprogramm "Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt". Das sei nichts Neues. Diese Programme hätten immer nur befristet etwas gebracht. Die Linken-Politikerin setzt sich stattdessen für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein.