Ulrike Herrmann ist Wirtschaftsredakteurin bei der Berliner Tageszeitung "taz", für die sie seit 2000 arbeitet, zunächst als Leiterin der Meinungsredaktion und Parlamentskorrespondentin. Zu ihren Buchveröffentlichungen zählen: "Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam. Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen" (2013) und "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können." (2016)
Eine neue Bewegung der versprengten Linken
Hartz IV muss reformiert werden, findet die taz-Journalistin Ulrike Herrmann. Allerdings habe die SPD den richtigen Moment bereits verpasst, deshalb rechnet sie mit einer neuen Bewegung unter der Führung eines jüngeren SPD-Politikers.
Beim Juso-Bundeskongress in Düsseldorf erntete der Vorsitzende Kevin Kühnert viel Zustimmung. Er forderte den SPD-Nachwuchs dazu auf, Motor der Erneuerung für die kriselnde Partei zu sein. Kühnert kritisierte unter anderem das Hartz-IV-System als unwürdig für die Bürger, vor allem für Kinder.
Untergang der SPD
"Ich glaube, dass die SPD, wenn sie sich nicht reformiert, tatsächlich untergehen wird und zu einer Fünf-Prozent-Partei wird", sagte unser Studiogast, die taz-Journalistin Ulrike Herrmann, im Deutschlandfunk Kultur. Allerdings habe die Partei den Zeitpunkt zur Reform bereits verpasst, prognozierte Herrmann, die selbst Mitglied der Grünen ist. Sie rechne eher damit, dass ein jüngerer SPD-Politiker, ähnlich wie Emmanuel Macron in Frankreich, eine neue Bewegung gründet, um die ganzen versprengten Linken aus der SPD und Teile der Linkspartei zu versammeln.
"Das wird aber nicht die Bewegung von Sahra Wagenknecht sein", sagte Herrmann. Diese sei eine Funktionärin der Linkspartei, und eine solche Bewegung lasse sich nicht von oben gründen. Außerdem müsse dieser Politiker aus der linken SPD kommen und nicht aus der LINKEN, um alle zu versammeln. "Gut wäre Kevin Kühnert, aber der scheint das nicht zu wollen, soweit ich das wahrnehme."
Wie das Beispiel Macron zeige, müsse es ein jüngerer Politiker sein. Das zeige auch das Beispiel von Sebastian Kurz in Österreich auf der konservativen Seite. Als dessen Partei ÖVP total am Ende gewesen sei, habe Kurz eine eigene Liste gegründet und hinten als Bindestrich noch die ÖVP drangehängt. "Das zeigt, dass das im Moment das Modell ist, das Zukunft hat, und ich glaube, das wird auch der SPD passieren."
Verarmung unter Rot-Grün
Herrmann erinnerte noch einmal daran, was zwischen 1998 und 2005 unter der rot-grünen Regierung passiert sei. "Es ist nicht so, dass man nur Hartz IV eingeführt hätte, was eine Bestrafung der Arbeitslosen war", sagte Herrmann. "Man muss sich das klarmachen: Die Armen wurden noch weiter verarmt." Gleichzeitig habe die Regierung die Steuern für die Reichen extrem gesenkt. So sei beispielsweise der Spitzensatz bei der Einkommenssteuer von 53 Prozent auf 42 Prozent gesunken. Auch die Unternehmer seien steuerlich stark entlastet worden.
Mehr Ungleichheit geschaffen
"Das machen sich Deutsche bis heute nicht klar, aber jedes Jahr kosten die rot-grünen Steuerreformen 60 Milliarden Euro", sagte sie. Jedes Jahr bekämen "die Reichen in diesem Land dieses Geschenk und gleichzeitig hat man Hartz IV eingeführt." Diese Gleichzeitigkeit könne keine sozialdemokratische Partei überleben, denn deren Markenkern sei eigentlich soziale Gerechtigkeit. "Man muss wirklich sagen, in keiner Phase der bundesdeutschen Geschichte hat man so viele Fehler gemacht wie unter Rot-Grün, hat man so dramatisch die Ungleichheit erhöht", sagte Herrmann. Es sei auch in den Statistiken klar zu sehen, dass die Ungleichheit in Deutschland bis 2005 extrem gestiegen sei. (gem)