20 Jahre Hartz-Bericht

Das Stigma Hartz IV

07:47 Minuten
Peter Hartz, Personalvorstand VW, Leiter Hartz-Kommission zusammen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder während einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Die Väter der Arbeitsmarkt-Reform: Peter Hartz (l.) und Bundeskanzler Gerhard Schröder. (Archiv) © IMAGO/Uta Wagner
Jürgen Schupp im Gespräch mit Nicole Dittmer |
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Leben auf Kosten der anderen, Zeit totschlagen vor dem Fernseher: Das Label Hartz IV ist zum Stigma geworden. Zu Unrecht, weiß der Arbeitsmarktexperte Jürgen Schupp. Die Arbeitsmarktreform selbst sieht er durchaus ambivalent.
Vor genau 20 Jahren legte die Hartz-Kommission dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ihren Bericht vor. Er wurde die Grundlage großer Arbeitsmarktreformen. Der Arbeitsmarktexperte Jürgen Schupp zieht heute ein ambivalentes Resümee der Reformen.
Die sogenannte Hartz-Reform habe einen signifikanten Anteil daran, dass die hohe Arbeitslosigkeit mit mehr als fünf Millionen Betroffenen abgebaut wurde, sagt Schupp. Darin sei sich die Arbeitsmarktforschung einig. Nicht minder relevant für diese Entwicklung waren laut Schupp aber auch die makroökonomischen Bedingungen.

Große Skepsis in der Bevölkerung

In der Bevölkerung sei die Skepsis gegenüber dem Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich Hartz IV genannt, allerdings „sehr sehr hoch“. Ein Grund: Das "Hartz- IV-System" habe "neue Zumutungen" geschaffen. Diese Zumutungen hätten vielfach auch zu einer Überforderung der Betroffenen geführt. „Insbesondere in Ostdeutschland, wo es schlicht und ergreifend keine Jobangebote oder offene Stellen gab.“
Überraschend sind vor diesem Hintergrund einige Ergebnisse einer Studie, die der Sozialwissenschaftler kürzlich mit Langzeitarbeitslosen durchführte. Schupp: „Insgesamt war die Zufriedenheit mit dem Hartz-IV-System und insbesondere mit den Jobcentern durchaus hoch.“

42 Prozent schämen sich, Arbeitslosengeld II zu beziehen

Allerdings würden sich laut der Befragung 42 Prozent „voll und ganz“ oder „eher“ dafür schämen, dass sie Arbeitslosengeld II beziehen. Sozialwissenschaftler Schupp sieht hier die Gesellschaft gefordert, falsche Klischees und Stereotype zu überwinden, wie etwa, „dass die Langzeitarbeitslosen ihren Tag mit Langeweile oder in der Hängematte“ verbringen. „Aus unserer Befragung wissen wir, dass 41 Prozent der Langzeitarbeitslosen mindestens einmal pro Woche einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen.“ Sie seien also „durchaus auch integriert und bemüht“, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.

Bürgergeld bringt Verbesserungen

Das jetzt geplante Bürgergeld sei bei den Befragten mehrheitlich auf Zustimmung gestoßen, berichtet Schupp. Der Arbeitsmarktexperte rechnet damit, dass mit der Reform auch ein „atmosphärischer Wandel“ stattfinden kann. Zudem würden manche Grundsätze bei der Jobvermittlung, die sich nicht bewährt hätten, abgeschafft. Der Experte erwartet, dass mit der Reform den Bedürfnissen der Langzeitarbeitslosen „auf eine nachhaltige Integration mehr Rechnung getragen wird“.  
(tmk)

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