Haruki Murakami

Wortkarger Literaturstar

Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami in Barcelona, anlässlich der Verleihung des 23. Catalunya International Awards, aufgenommen am 8.6.2011.
Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami hält sich in der Öffentlichkeit zurück. © picture alliance / dpa
Von Michaela Vieser |
Der japanische Bestsellerautor Haruki Murakami ist seit langem Anwärter auf den Literaturnobelpreis. Da er keine Interviews gibt, haben wir uns mit seinen Weggefährten getroffen. Sie gaben auch Privates von ihm preis.
Sehr gerne hätte ich den japanischen Anwärter auf den Literaturnobelpreis persönlich getroffen, doch sein deutscher Verleger blockt sofort ab: Haruki Murakami gibt keine Interviews. Wenn ich etwas wissen wolle, solle ich doch auf die Webseite "Murakamis place" gehen, da habe der Autor im Januar 2015 Fragen seiner Fans beantwortet.
Und tatsächlich, nichts, auf was der 66-Jährige nicht geantwortet hätte: Ob Katzen klug sind, was man tun soll, wenn die Ehefrau rülpst oder wie das mit Affäre ist, darf man? Das macht mich richtig neugierig. Einer der Menschen, von denen ich annehme, dass sie Murakami persönlich kennen, ist Takahashi Genichiro - selbst einer der wichtigsten Autoren Japans.
Takahashi Genichiro: "Er und ich wir haben fast zur selben Zeit mit dem Schreiben begonnen. Es ist sogar so, dass er sein Debüt-Stück in einer Zeitschrift veröffentlichte und ich las an genau diesem Tag die Zeitschrift. Und was mich sofort frappierte, war die Erkenntnis, da denkt einer genauso wie du! Das war 1979. Im Juni war das."
Es war in der japanische Zeitschrift "Gunzo", in der Murakamis Roman "Wenn der Wind singt" erstmals erschien und ihm den Durchbruch bescherte. Anders als in der klassischen japanischen Literatur, in der Autoren wie Kawabata oder Mishima fast immer Ästhetik und den Wert der schönen Dinge thematisieren, schreibt Murakami über seine Generation, verklärt nichts, sondern schreibt so, wie er sie empfindet.
Takahashi Genichiro: "Es mag sein, dass die Welt, über die wir schreiben, wie ein Traum wirkt, aber gleichzeitig ist es ein Bildnis der modernen Gesellschaft. Das schreiben viele Kritiker aus der heutige Zeit. Aber es ist ein Gefühl, dass noch aus der Zeit stammt, als Murakami und ich junge Autoren waren, in den Achtzigerjahren, als die Realität uns wie ein Traum erschien. Und ich glaube, die Art und Weise, wie wir unsere Phantasie benutzten, um sie darzustellen, darin ähnelten wir uns."
"Er ist ein lockerer Mensch, überhaupt nicht schwierig"
Tatsächlich aber hat Genichiro Haruki Murakami persönlich nie gesprochen. Also treffe ich Kyoichi Tsuzuki. Er suchte zusammen mit Murakami in den 1980er und 1990er seltsame, der Realität entrückte Orte in Japan auf. Tsuzuki war damals Redakteur für ein Lifestyle Magazin, Murakami ein unbekannter Autor. Aus ihren Reiseerlebnissen machten sie ein Buch.
Kyoichi Tsuzuki: "Wir reisten zusammen für diese Zeitschrift nach Deutschland, wir verbrachten mehrere Wochen dort. Wir besuchten München, Hamburg und Berlin - noch vor der Maueröffnung war das. Haruki spazierte durch Ost-Berlin, schrieb alles auf. Eine schöne Kurzgeschichte über Deutschland entstand so."
"Lederhosen" heißt sie. Noch während wir plaudern, erwähnt Tsuzuki, Murakami sei gerade in Tokio, sonst wohnt er außerhalb, am Meer, wo er gut laufen könne. Aber gerade erst habe er ihn getroffen, um die Fortsetzung ihres Japanbuches zu planen. Da wird mir klar, viele seiner 50 Bücher sind gar nicht übersetzt.
Trotzdem ist Murakami ein Weltstar. Dabei hält er sich nicht an die Spielregeln des Literaturbetriebs, sondern schreibt und publiziert wann und wo er will. Er ist keinem Verleger treu.
Die japanischen Kritiker verübeln ihm das oft, und so gibt er ihnen auch kaum Interviews. Seine Fans hingegen pflegen Webseiten, in denen minutiös jedes Lied gelistet ist, das in seinen Büchern auftaucht. Sie besuchen die Stätten seines Schaffens, den Stadtteil Sendagaya, wo einst seine Jazz-Bar "Peter Cat" war.
Oder das Baseball-Stadion JinguMae im Zentrum Tokyos. Am 1. April 1978 war Haruki Murakami dort, als sich um 13.30 Uhr sein Leben änderte.
"Es war in genau diesem Moment, dass mich der Gedanke traf: Weißt Du was, Du könntest doch ein Buch schreiben. Ich kann mich noch genau an diesen weiten blauen Himmel erinnern, dieser Duft von frischem Gras und der befriedigende Schlag des Baseballschlägers. In diesem Moment berührte mich etwas vom Himmel, und ich akzeptierte es, was auch immer es war."
Erzählte Murakami 2008 dem amerikanischen Magazin "The New Yorker". Wie er überhaupt in den USA sehr gerne und oft Interviews gibt. In Japan dagegen gilt Murakami als verschlossen und schwierig. Vielleicht gibt sich der Literaturkritiker Motoki Mawatari auch deshalb so wortkarg.
Mawatari: "Am liebsten mag ich sein Buch 'Mister Aufziehvogel'. Es hat einen hohen Grad an Vollkommenheit, den seine anderen Bücher meiner Meinung nach nicht erreichen."
Murakami aber habe diese Distanz zur Öffentlichkeit absichtlich gewählt, sagt Kyoichi Tsuzuki, um in Ruhe schreiben zu können.
Tsuzuki: "Er ist ein lockerer Mensch, überhaupt nicht schwierig. Er will nur nicht einer gewissen Gesellschaft angehören. Er möchte unabhängig sein. Ihm ist seine Arbeit wichtig, nicht das Trinken gehen mit Kritikern und Medienleuten. Darum mag ihn das literarische Umfeld auch nicht so sehr, denn es ist ziemlich offensichtlich, dass er sich davon distanziert."
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