Hasstiraden gegen Helfer

Ein Angriff auf das Gemeinwesen

04:27 Minuten
Helfer mit Schaufeln und Eimer auf einer zerstörten Strasse in Kreuzberg nach der Hochwasserkatastrophe. NRW, 20.07.2021.
Nach der Hochwasserkatastrophe: Anwohner und Helfer räumen gemeinsam auf. © AFP / Christof Strache
Beobachtungen von Daniel Hornuff · 02.08.2021
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Feuerwehr, Bundeswehr oder THW: Die Helfer engagieren sich bis zur Erschöpfung – zuletzt in den Flutgebieten. Dass sie auch zum Ziel von Hass und Hetze werden, darf keinesfalls ignoriert werden, warnt der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff.
Kürzlich auf Twitter. Gepostet wurde ein Foto aus einem der deutschen Flutgebiete. Das Bild zeigte etliche Helferinnen und Helfer, vor allem Personen des THW, des Deutschen Roten Kreuzes und der Bundeswehr. Wohl, um sich zu verpflegen, waren sie in einer längeren Schlange aufgereiht.
Neben dem Foto versammelte der Account Kommentare sogenannter Querdenker. Die Einlassungen bezogen sich auf die helfenden Menschen – und sie strotzten vor Hass und Hetze.

Fluthelfer als "Politmarionetten" beschimpft

Die Rede war von "egoistischen, hirnamputierten, widerlichen, dreckigen Kreaturen". Andere sprachen von "Versagern" und "abhängigen Schlafschafen", fabulierten über "Arbeitslager", schwafelten von einem "Fettfressen auf Kosten anderer". Und eine Userin formulierte: "Kommt auf meine nächste Hassliste: Polizei, Feuerwehr, THW etc.
Helfer und Anwohner räumen vor einem zerstörten Haus in Kirchsahr auf. Hochwasserkatastrophe in NRW am 20.07.2021.
Vor einem zerstörten Haus in Kirchsahr, NRW© AFP / Christof Stache
Insinuiert wurde, dass man es hier mit mehrfach Geimpften zu tun habe – mit Menschen also, deren Gehirn durch einen Impfstoff derart in Mitleidenschaft gezogen worden sei, dass sie nur noch als Befehlsempfänger dienen könnten. Entsprechend handele es sich um "Politmarionetten", die ein "schändliches, obrigkeitstreues Gebaren" zeigten.
So wurde den Helfenden in einer Mischung aus esoterischem Geschwurbel und fortgesetzter Allmachtsfantasie zugeblökt: "Tut einmal das Richtige. Nämlich den wahren Dienst an der Menschheit. Folgt endlich Eurem Herzen."

Eine Variante des politischen Extremismus

Der Hass, den die Querdenker in die Gesellschaft treiben, ist kein spezifischer Querdenker-Hass. Er mag sich zwar an den Corona-Maßnahmen entzündet haben. Aber er war nie auf sie beschränkt. In seiner antisemitischen, verschwörungsmythischen Ausrichtung erweist er sich als offene Demokratiefeindschaft. Der Hass der Querdenker ist eine Variante des politischen Extremismus.
Indem sich dieser Hass systematisch entgrenzt, richtet er sich gegen jede Person, die als Vertreterin des abgelehnten Systems gedeutet wird. Daraus folgt, dass dieser Hass eingesetzt wird, um sich an sich selbst zu berauschen.
Die genannten Hasskommentare durchzieht ein Überbietungswettbewerb der Diskriminierungen. Es wird nach immer härteren Formulierungen gesucht, immer weitere Hemmungen fallen – bis schließlich Gewaltfantasien gepostet werden.
Und ein weiterer Brandbeschleuniger kommt hinzu: Hass gegenüber Helferinnen und Helfer ist keine neue Erscheinung. Berichte, wonach Rettungskräfte auch andernorts angegangen werden, häufen sich. Viele von ihnen erzählen, dass sie im Dienst bespuckt, an ihrer Arbeit gehindert, mitunter geschlagen werden.
Wer Berufskleidung trägt, wer einer Organisation angehört, wer beauftragt ist, zu helfen, steht unter Verdacht, Handlanger des Systems, ein sogenannter "Systemling", ein Ausführender der politischen Staatsmacht zu sein. Unter dem Deckmantel der guten Tat werde die Unterdrückung der Bevölkerung vorangetrieben.

Den Hass genauer in den Blick nehmen

Nein, die Querdenker sind kein isoliertes und auch kein isolierbares Phänomen. Sie sind das schrille Resultat einer antidemokratischen, extremistischen Gesinnung, die nach immer weiteren Gelegenheiten sucht, das Gemeinwesen zu destabilisieren.
Mit dem ersehnten Abebben der Pandemie wird kein Hass aus der Gesellschaft schwinden. Im Gegenteil: Die Anfeindungen in den deutschen Flutgebieten zeigen: Der Hass sucht neue Anlässe.
Umso wichtiger ist es gerade jetzt, Formen und Formate dieses Hasses noch genauer, noch umfassender in den Blick zu nehmen. Ihn zu ignorieren, wird dazu beitragen, seine Ausbreitung zu begünstigen.

Daniel Hornuff ist Professor für Theorie und Praxis der Gestaltung an der Kunsthochschule in der Universität Kassel. Zuletzt erschienen von ihm "Hassbilder. Gewalt posten, Erniedrigung liken, Feindschaft teilen" im Verlag Klaus Wagenbach sowie "Krass! Beauty-OPs und Soziale Medien" bei J.B. Metzler.

Porträtfoto von Daniel Hornuff
© Felix Grünschloß
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