Hören Sie Dylans Nobelpreisrede hier im Wortlaut:
"Er klaut, wo er's nur kriegen kann"
Lange mussten wir auf Bob Dylans Nobelpreis-Vorlesung warten - dann kam sie, und alle fanden sie gut. Doch Dylan hat offenbar gemogelt. Kein Grund für den Sprachwissenschaftler und Dylianer Heinrich Detering, am nuschelnden Sänger zu zweifeln.
"Außerordentlich" und "eloquent" lobte die Vorsitzende der Nobel-Akademie Sara Danius, ein "kleines Meisterwerk" urteilte Germanistik-Professor Heinrich Detering über Bob Dylans Nobelpreisrede. Im Interview mit dem "Kompressor" sagte er ehemals, Dylan habe aus der Tiefe seines Herzens und mit seiner ganzen Lese- und Songerfahrung gesprochen.
Nun wirft die US-amerikanische Journalistin Andrea Pitzer dem nuschelnden Sänger Plagiat vor. Dylan habe Zitate und Wissen nicht aus Büchern zusammen gesammelt, sondern von der Website "SparkNotes" - einer Interpretationshilfe für Schüler. Genial oder peinlich?
Kreatives Klauen
Wir haben Heinrich Detering noch einmal angerufen. Und er geht mit Dylan einerseits hart ins Gericht:
"Er klaut, wo er's nur kriegen kann, und nach wie vor verschweigt er uns, wo er es geklaut hat."
Als Dylianer sei man Kummer mit Quellenangaben gewohnt, sagte der Sprachwissenschaftler im Deutschlandfunk Kultur.
Dylan habe hier wieder mal gemogelt - erst im letzten Jahr habe er Gemälde ausgestellt und behauptet, er habe sie alle an Ort und Stelle irgendwo in der amerikanischen Provinz gemalt. Bei mindestens drei der Werke habe man dann aber sofort zeigen können, dass sie von Standbildern aus einem Wim Wenders-Film abgemalt worden seien.
Dennoch, und hier kommt Deterings "Aber" und das "andererseits":
"Man muss hier, glaube ich, unterscheiden zwischen intellektueller Redlichkeit, an der er es hat mangeln lassen, und Kreativität."
Für Detering bleibt die Rede ein "großartiger Text", dieser sei "unverändert eindrucksvoll". Denn Dylan habe auf der Grundlage von Mogelei etwas völlig Eigenständiges und Überraschendes geschaffen, sagte Detering. (ahe)