Hauptsturmführer in Adenauers Kabinett
Er war NSDAP-Mitglied, Hauptsturmführer der SA, Gauamtsleiter der NSDAP, Träger des goldenen Parteiabzeichens - und nach Ende des Zweiten Weltkriegs Vertriebenenminister im Kabinett Adenauers: Theodor Oberländer. Erst 1960 wurde seine NS-Vergangenheit zum Politikum. Oberländer musste zurücktreten.
Theodor Oberländer ist einer der prominentesten Altnazis, die unter Bundeskanzler Adenauer in Bonn Karriere gemacht haben.
"Herr Bundesminister Doktor Oberländer: Sind Sie bereit, den Eid zu leisten?"
"Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe."
1953, als Oberländer zum ersten Mal an Adenauers Kabinettstisch geholt wird, haben die Unionsparteien ihren ersten großen Wahlsieg errungen. Die Hemmschwelle, auch Altnazis in die Regierung aufzunehmen, ist in den Jahren des Kalten Krieges gesunken. Der RIAS berichtet:
"Theodor Oberländer, Bundesminister für Vertriebene, war höherer SA-Führer und rechtfertigte als Professor während des Naziregimes eine offensive Ostpolitik."
1923 hatte Oberländer an Hitlers Putschversuch in München teilgenommen, 1933 war er in die NSDAP eingetreten. Hauptsturmführer der SA, Gauamtsleiter der NSDAP, Träger des goldenen Parteiabzeichens, Ostexperte der Partei.
In den 50er-Jahren ist all das kein Hinderungsgrund, um Bundesminister zu werden. Denn Oberländer ist der starke Mann des "Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten" (BHE). Konrad Adenauer braucht die Stimmen der Vertriebenen-Partei im Bundestag, um mit Zweidrittelmehrheit Verfassungsänderungen für die Wiederbewaffnung durchzusetzen. Der ehrgeizige und machtbewusste Oberländer nutzt die Gelegenheit, um Vertriebenenminister zu werden. Für dieses Amt ist er wie geschaffen.
"In weiten Staatsbürgerkreisen machen sich nur wenige eine Vorstellung davon, dass das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte mit fast elf Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen, dazu seit einem Jahr gewiss nicht sehr viel weniger Kriegssachgeschädigten, rund zwei Fünftel der Bewohner der Bundesrepublik zu betreuen hat."
Oberländer lässt keinen Zweifel daran, dass die Vertriebenen eines Tages in ihre alte Heimat zurückkehren sollen. Vor allem die Vertriebenenjugend soll heimkehrfähig erzogen werden.
"Heimkehrfähig bedeutet, dass sie so charakterfest, ein so gutes Fachwissen und so einen starken Lebenswillen hat, dass sie die großen kolonisatorischen Aufgaben, die an sie dann herantreten, wenn wir diese Gebiete dem Abendland zurückgewinnen, dass sie diese lösen können."
Zugleich ackert Oberländer für die Integration der Vertriebenen. Er lässt Wohnungsbauprogramme auflegen, um Flüchtlinge aus den Lagern zu holen. Die Integration der Vertriebenen ist eine der größten Herausforderungen der 1950er-Jahre - und Oberländer als Vertriebenenminister leistet einen maßgeblichen Beitrag, dass dieser soziale Sprengstoff entschärft wird.
1959/60 ändert sich jedoch die politische Großwetterlage in der Bonner Republik. Die Bundesrepublik droht international als Hort von Altnazis in Verruf zu geraten. Die DDR-Staatssicherheit wirkt kräftig daran mit. Theodor Oberländer wird in Ostberlin ein Schauprozess gemacht. Ihm wird Mitschuld an einem Massaker vorgeworfen, dem 1941 in Lemberg zahlreiche Juden zum Opfer fielen. Am 29. April 1960 wird er in Abwesenheit verurteilt.
"Der Angeklagte wird wegen fortgesetzt begangenen Mordes, fortgesetzter Anstiftung zum Mord, fortgesetzter Teilnahme an Verbindungen, die Verbrechen gegen das Leben bezwecken, und wegen fortgesetzt begangener Aufforderung anderer zur Begehung von Verbrechen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt."
Auch wenn für Oberländers Schuld - wie die deutsche Justiz nach 1990 feststellen wird - keine Beweise zu finden sind, nehmen die bundesdeutschen Medien jetzt seine braune Vergangenheit aufs Korn. Die SPD fordert ultimativ den Rücktritt des Vertriebenenministers, der inzwischen CDU-Mitglied ist. Der RIAS berichtet:
"Sollte sich jedoch der zugesicherte Rücktritt Oberländers bis zum 5. Mai nicht vollzogen haben, werde man den Angriff auf Oberländer und die Bundesregierung mit voller Schärfe eröffnen."
Unter diesem Druck erklärt Minister Oberländer am 3. Mai 1960 seinen Rücktritt. Was in den 50er-Jahren die Öffentlichkeit nicht aufregte, wird jetzt zum Skandal. Die NS-Vergangenheit kann nicht mehr so einfach verdrängt werden. Personelle Konsequenzen sind jedoch noch die Ausnahme. Adenauers umstrittener Staatssekretär Hans Globke etwa bleibt bis zum Rücktritt Adenauers 1963 im Amt.
"Herr Bundesminister Doktor Oberländer: Sind Sie bereit, den Eid zu leisten?"
"Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe."
1953, als Oberländer zum ersten Mal an Adenauers Kabinettstisch geholt wird, haben die Unionsparteien ihren ersten großen Wahlsieg errungen. Die Hemmschwelle, auch Altnazis in die Regierung aufzunehmen, ist in den Jahren des Kalten Krieges gesunken. Der RIAS berichtet:
"Theodor Oberländer, Bundesminister für Vertriebene, war höherer SA-Führer und rechtfertigte als Professor während des Naziregimes eine offensive Ostpolitik."
1923 hatte Oberländer an Hitlers Putschversuch in München teilgenommen, 1933 war er in die NSDAP eingetreten. Hauptsturmführer der SA, Gauamtsleiter der NSDAP, Träger des goldenen Parteiabzeichens, Ostexperte der Partei.
In den 50er-Jahren ist all das kein Hinderungsgrund, um Bundesminister zu werden. Denn Oberländer ist der starke Mann des "Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten" (BHE). Konrad Adenauer braucht die Stimmen der Vertriebenen-Partei im Bundestag, um mit Zweidrittelmehrheit Verfassungsänderungen für die Wiederbewaffnung durchzusetzen. Der ehrgeizige und machtbewusste Oberländer nutzt die Gelegenheit, um Vertriebenenminister zu werden. Für dieses Amt ist er wie geschaffen.
"In weiten Staatsbürgerkreisen machen sich nur wenige eine Vorstellung davon, dass das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte mit fast elf Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen, dazu seit einem Jahr gewiss nicht sehr viel weniger Kriegssachgeschädigten, rund zwei Fünftel der Bewohner der Bundesrepublik zu betreuen hat."
Oberländer lässt keinen Zweifel daran, dass die Vertriebenen eines Tages in ihre alte Heimat zurückkehren sollen. Vor allem die Vertriebenenjugend soll heimkehrfähig erzogen werden.
"Heimkehrfähig bedeutet, dass sie so charakterfest, ein so gutes Fachwissen und so einen starken Lebenswillen hat, dass sie die großen kolonisatorischen Aufgaben, die an sie dann herantreten, wenn wir diese Gebiete dem Abendland zurückgewinnen, dass sie diese lösen können."
Zugleich ackert Oberländer für die Integration der Vertriebenen. Er lässt Wohnungsbauprogramme auflegen, um Flüchtlinge aus den Lagern zu holen. Die Integration der Vertriebenen ist eine der größten Herausforderungen der 1950er-Jahre - und Oberländer als Vertriebenenminister leistet einen maßgeblichen Beitrag, dass dieser soziale Sprengstoff entschärft wird.
1959/60 ändert sich jedoch die politische Großwetterlage in der Bonner Republik. Die Bundesrepublik droht international als Hort von Altnazis in Verruf zu geraten. Die DDR-Staatssicherheit wirkt kräftig daran mit. Theodor Oberländer wird in Ostberlin ein Schauprozess gemacht. Ihm wird Mitschuld an einem Massaker vorgeworfen, dem 1941 in Lemberg zahlreiche Juden zum Opfer fielen. Am 29. April 1960 wird er in Abwesenheit verurteilt.
"Der Angeklagte wird wegen fortgesetzt begangenen Mordes, fortgesetzter Anstiftung zum Mord, fortgesetzter Teilnahme an Verbindungen, die Verbrechen gegen das Leben bezwecken, und wegen fortgesetzt begangener Aufforderung anderer zur Begehung von Verbrechen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt."
Auch wenn für Oberländers Schuld - wie die deutsche Justiz nach 1990 feststellen wird - keine Beweise zu finden sind, nehmen die bundesdeutschen Medien jetzt seine braune Vergangenheit aufs Korn. Die SPD fordert ultimativ den Rücktritt des Vertriebenenministers, der inzwischen CDU-Mitglied ist. Der RIAS berichtet:
"Sollte sich jedoch der zugesicherte Rücktritt Oberländers bis zum 5. Mai nicht vollzogen haben, werde man den Angriff auf Oberländer und die Bundesregierung mit voller Schärfe eröffnen."
Unter diesem Druck erklärt Minister Oberländer am 3. Mai 1960 seinen Rücktritt. Was in den 50er-Jahren die Öffentlichkeit nicht aufregte, wird jetzt zum Skandal. Die NS-Vergangenheit kann nicht mehr so einfach verdrängt werden. Personelle Konsequenzen sind jedoch noch die Ausnahme. Adenauers umstrittener Staatssekretär Hans Globke etwa bleibt bis zum Rücktritt Adenauers 1963 im Amt.