"Zeugnis einer dunklen Zeit"
Der Architekt Martin Reichert findet die Debatte um die Umgestaltung des Hauses der Kunst in München derzeit noch nicht differenziert genug und plädiert für einen entspannteren Umgang mit dem Baudenkmal aus der NS-Zeit.
Seit vor einigen Wochen die ersten Pläne für den Umbau des Hauses der Kunst in München durch das Architekturbüro von David Chipperfield bekannt wurden, gibt es eine Debatte über dieses Zeugnis der Monumentalarchitektur des NS-Staaten. Umstritten ist vor allem die Grundidee des Architekturbüros, das Baudenkmal wieder so in den Stadtraum wirken zu lassen wie zur Zeit seiner Eröffnung. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle lobte den Entwurf als einen "sehr demokratischen Umgang mit der Geschichte".
Die zweiten Seiten des Baudenkmals
"Ich glaube, das interessante an dem Haus ist diese Janusköpfigkeit", sagte der Architekt Martin Reichert, Partner im Architekturbüro Chipperfield, im Deutschlandradio Kultur. "Das ist auf der einen Seite ein unglaubliches monumentales Mausoleum von außen und der Inbegriff von Herrschaftsarchitektur." Im Inneren gebe es dagegen eine ganz andere, moderne Seite, die sehr sachlich und funktional sei, aber auch flexibel in der Grundrissgestaltung. Diese Zweiseitigkeit sei die Spannung, die das Haus bis heute ausmache.
Gegengewicht durch demokratische Nutzung
Reichert plädierte dafür, dass Baudenkmal wegen seines hohen Zeugniswertes vor allem zu erhalten und in der Interpretation nur leicht zu verändern. Er glaube, dass es richtig sei 60 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches das Haus der Kunst mit mehr Entspanntheit und Gelassenheit als "Zeugnis einer dunklen Zeit" zu akzeptieren. Durch die Nutzung des Museums, die sehr demokratisch und öffentlich sei, werde ein Gegengewicht gehalten, dass dieses Spannungsfeld aushalten könne. Reichert sagte, sein Architekturbüro sei noch in der Konzeptionsphase und er wünsche sich in München eine differenzierte Debatte über den Umgang mit dem Haus der Kunst und dessen Anbindung an die Innenstadt.