Haus der Religionen in Hannover

40 Glaubensrichtungen in einer ehemaligen Kirche

Ein hoher Turm und daneben ein roter Backsteinbau
Beherbergt 40 Glaubensrichtungen: Das Haus der Religionen in Hannover. © Peter Steffen/dpa
Von Christian Röther · 16.12.2018
Auf verschiedenen Wegen Gott suchen - aber an einem gemeinsamen Ort. Seit den 1990er-Jahren pflegt man in Hannover den interreligiösen Dialog, seit 2005 in einem "Haus der Religionen". Das bekommt eine neue Bleibe in einer ehemaligen Kirche.
Es klingt wie in einer Kirche, sieht aus wie in einer Kirche, es ist aber keine Kirche – zumindest nicht mehr. "Wir stehen jetzt quasi unter einer der zukünftigen Wohnungen im Foyer", sagt der Religionswissenschaftler Sören Rekel-Bludau. Die evangelische Athanasiuskirche in der Südstadt von Hannover ist vor fünf Jahren entwidmet und später verkauft worden. Ein Investor will hier Wohnungen einbauen – und Räume für das Haus der Religionen.
Rekel-Bludau: "In dem, was jetzt der Altarraum ist, wird dann der größte Teil der Ausstellung untergebracht werden."
Sören Rekel-Bludau arbeitet beim Haus der Religionen – momentan noch eine Etage tiefer. Die Athanasiuskirche wurde in den 60ern gebaut, ganz modern mit dem Kirchensaal im ersten Stock. Darunter Gemeinderäume, in denen auch das Haus der Religionen Platz gefunden hat, vor mittlerweile 13 Jahren. Die Anfänge reichen noch weiter zurück.
Wolfgang Reinbold: "Es ist losgegangen mit ein paar engagierten Privatleuten, die sich zusammengeschlossen haben. Es gab überhaupt keine Struktur, kein Geld, gar nichts. Und jetzt haben wir ein eigenes Bildungszentrum mit einer Dauerausstellung, die wir multimedial gestalten werden. Also das ist natürlich ein riesiger Schritt für das Haus der Religionen und das ist für alle Beteiligten eine große Freude, dass das jetzt Wirklichkeit wird."

Klischees vermeiden und Gräben überwinden

Wolfgang Reinbold ist evangelischer Theologe und beim Haus der Religionen Vorsitzender des Trägervereins. Er sagt, das Haus solle die Vielfalt der Religionen in Hannover sichtbar machen – jenseits von Klischees. Es will gleichermaßen Kinder und Erwachsene erreichen und so das gesellschaftliche Miteinander fördern, erklärt Rajiny Kumaraiah:
"Die Arbeit ist auch für mich wichtig gerade durch die aktuelle politische Situation in der Diskussion – dass da nicht Religionen dafür da sind, Gräben zu graben, sondern miteinander zu leben."
Rajiny Kumaraiah stammt aus einer Hindu-Familie aus Sri Lanka. Sie engagiert sich seit einigen Jahren im Haus der Religionen, inzwischen auch als Mitglied im Vorstand. Ihr ist wichtig:
"Dass auch man trotz der Unterschiedlichkeit oder Konflikten miteinander freundschaftlich umgehen kann, vor allem respektvoll umgehen kann. Es gibt nicht: einer besser, der andere schlechter – sondern, dass der Nachbar, der anders ist, trotzdem ein normaler Mensch ist. Das wird hier im Haus der Religionen zum Anfassen dargeboten, ganz freiwillig."
Dabei spart man aber auch Konfliktthemen nicht aus, betont Wolfgang Reinbold – in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, aber auch intern.

Konflikte kommen auf den Tisch

Reinbold: "Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, es sei alles leicht und ohne Auseinandersetzung zu haben. Im Gegenteil werden hier im Rat der Religionen, der das Haus leitet, sehr viele Konflikte behandelt. Aber wir tun es auf eine sachliche, gute Art und Weise. Und wichtig ist immer, dass man am Ende zusammenkommt und gemeinsam etwas tut für die Stadt, für die Kommune."
Umgekehrt tut auch die Region Hannover etwas für das Haus der Religionen, durch finanzielle Unterstützung. Auch die evangelische Kirche und die Klosterkammer finanzieren den Umbau mit. Außerdem ist das Haus auf Spenden angewiesen – unter anderem, um einen Teil der Miete für die kommenden 20 Jahre im Voraus zu zahlen, als Sicherheit für den Investor. 1,2 Millionen Euro soll der Umbau insgesamt kosten. Aber der neue Platz wird dringend benötigt, sagt Sören Rekel-Bludau.
Rekel-Bludau: "Natürlich sind wir gewachsen. Wir haben angefangen mit sechs Gründerreligionen, das sind Juden, Muslime, Christen, Bahai, Buddhisten und Hindus. Inzwischen haben wir aber über 40 Gemeinschaften, die im Forum der Religionen aktiv sind."

Ausstellung der Glaubensformen

In der neuen Dauerausstellungen sollen sich neben den bisherigen sechs vier weitere Gemeinschaften präsentieren: Aleviten, Esiden, Sikhs, und als weitere Weltanschauung komme auch der Humanismus hinzu, erklärt Sören Rekel-Bludau. Auch durch die Zusammenarbeit mit dem Humanistischen Verband versuche das Haus der Religionen, Vorurteile abzubauen – in diesem Fall Vorurteile religiöser Menschen gegenüber Nicht-Religiösen. Man wolle zeigen, erklärt der Religionswissenschaftler:
"Dass auch Humanismus selbstverständlich von Werten geleitet ist, selbstverständlich auch Humanismus als Weltanschauung und als quasi Religionsäquivalent natürlich das Leben genauso prägen kann wie ein religiöser Glaube auch."
Dass die Humanisten und die verschiedenen Religionsgemeinschaften in einer ehemaligen Kirche über ihre Werte und Überzeugungen informieren werden, das kann man als Symbol deuten für den gesellschaftlichen und religiösen Wandel in Deutschland. Weniger Menschen gehen in die Kirchen, dafür sind andere Religionen hinzugekommen. Was bedeutet es für das Haus der Religionen, in einem ehemals christlichen Gebäude untergebracht zu sein?

Es kann nicht nur einen geben

Rajiny Kumaraiah: "Es ist ein bisschen ungewöhnlich festzustellen – weil eine Kirche für mich ja ein Gotteshaus ist, ein Gebetshaus – dass das dann umgewidmet wird als ein Haus der Religionen, das ist ja interreligiös – was man normalerweise ja nicht vorstellen kann, dass eine Religion das Haus aufgibt, um dann für andere Religionen auch Platz zu machen. Ich finde es sehr positiv, sehr schön."
Sagt die Hinduistin Rajiny Kumaraiah. Und Wolfgang Reinbold findet, dass das Haus der Religionen eine ideale Nachnutzung ist für die entwidmete Kirche.
Reinbold: "Denn es geht weiterhin um die großen Fragen: Gott, das Leben, der Sinn des Lebens, das Miteinander der Menschen. Und es wird hier zukünftig so betrieben werden, wie es für eine multireligiöse Gesellschaft in 2018 angemessen ist."
In zwei Jahren soll es fertig sein, das neue, größere Haus der Religionen in Hannover, eine Etage über dem alten. Rajiny Kumaraiah hofft:
"Dass dann jeder, wenn er wieder rausgeht, einen anderen Blick mitnimmt von der Religion oder über die Religion."
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