Das okkupierte Feriendomizil
Es ist die Horrorvorstellung eines jeden Ferienhaus-Besitzers in Spanien: Man kommt zu seiner Immobilie und ein Fremder hat sich einquartiert. Schätzungen zufolge sind zurzeit knapp 90.000 Häuser und Wohnungen im Land besetzt.
Daniel Esteves ist im Dauerstress. Er klappert ein besetztes Haus nach dem anderen ab – in fast ganz Spanien. Für ein Interview – keine Zeit. Daniel ist der Chef von "Desokupa", einer Firma, die sich darauf spezialisiert hat, besetzte Gebäude zu befreien. Wie er das genau macht, verrät er nicht. Nur so viel: Ein Trupp Muskelmänner rückt an. Nach Daniels Worten "laden" sie die Besetzer dazu ein, freiwillig abzuziehen – alles ohne Gewalt. Bei Facebook berichtet der Firmenchef über seine Erfolge – hier zum Beispiel von einem Hotel in Lloret de Mar, das vor Saisonbeginn besetzt wurde.
"Die Besitzer haben uns kontaktiert und wir befreien das Gebäude in weniger als 24 Stunden. Meine Jungs sind gerade drin. Die gute Nachricht: Das Hotel kann im Sommer wieder öffnen, die Jobs von 100 Familien sind gesichert. Wir machen weiter, immer stark!"
Inzwischen bieten mehrere Firmen solche Dienste an. Auch Johannes Deuter aus Cochem an der Mosel hat sich vor ein paar Wochen an ein Räumungsunternehmen gewandt. Sein Ferienhäuschen in der Nähe von Santa Ponsa auf Mallorca war besetzt. Eine bescheidene, kleine Immobilie, wie er sagt, in die seine Haushälterin eines Tages nicht mehr hinein kam und die Familie alarmierte.
Die Polizei ist machtlos
"Ich hätte nie gedacht, dass es uns trifft. Also traf es mich wie ein Schlag. Wir haben den nächsten Flug genommen und sind nach Mallorca geflogen, dann zum Haus und wollten selber rein, standen dort nicht nur vor verschlossenen Türen, sondern auch vor einem Tor zur Einfahrt, das verriegelt war mit Fahrradschlössern ... und kamen gar nicht rein. Und riefen erst mal die Polizei."
Doch die Polizei war machtlos. Ohne richterliche Anordnung dürfen die Beamten nur in den ersten 48 Stunden nach einer Besetzung einschreiten; und im Fall des deutschen Hausbesitzers hatten sich die Eindringlinge schon länger dort aufgehalten. Die spanischen Gesetze sehen das Recht auf einen würdigen Wohnraum vor. Genau darauf berufen sich die meisten Hausbesetzer, sagt Joan Segura von der Initiative STOP Deshaucios, "Stoppt Zwangsräumungen". Die Gruppe unterstützt Hausbesetzer.
"Eine Wohnung ist für jeden lebensnotwendig. Ohne eine Wohnung fehlt Dir jegliche Lebensqualität. Daher ist es absolut legitim, dass eine Familie – wenn es nicht anders geht – eine Wohnung besetzt oder eine Sozialwohnung beansprucht."
Wenn das Geld nicht für die Miete reicht
In vielen Fällen besetzen Menschen Wohnungen in Spanien, die ihre eigenen vier Wände verloren haben – zum Beispiel, weil sie den Kredit für ihre Immobilie nicht mehr abbezahlen konnten und die Bank die Wohnung zwangsräumen ließ. Oder Geringverdiener, Arbeitslose, die sich die Miete für ein Haus oder eine Wohnung schlicht nicht leisten können. So ist es bei Miguel. Er lebt in einer Wohnung in Palma de Mallorca, die ihm nicht gehört.
"Ich will niemandem etwas wegnehmen. Ich habe immer gearbeitet, doch das Geld reicht einfach nicht für die Miete. Ich habe schon auf der Straße gelebt mit meinen Kindern. Ich musste einfach eine Wohnung besetzen."
Miguel kommt aus einer ländlichen Region in Andalusien, wo das Leben deutlich günstiger ist als in Palma de Mallorca. Doch auf der Insel gibt es mehr Jobs. Dass dort auch die Mietpreise höher sind, dürfte ihm nicht erst aufgefallen sein, als er auf der Insel ankam, meint der deutsche Hausbesitzer Johannes Deuter. Für ihn sind Geschichten wie die von Miguel kein Grund, eine fremde Wohnung zu beziehen.
"Ich ziehe ja jetzt auch nicht von Cottbus nach München und wundere mich dann, dass die Miete teurer ist und verschaffe mir kriminellen Zugang in fremdes Eigentum."
Dubiose Geschäftemacher mischen sich ein
Auf Mallorca sorgen außerdem organisierte Banden für Schlagzeilen, die Geschäfte mit Wohnungsbesetzungen machen: Sie halten Ausschau nach Luxusobjekten, die leer stehen und brechen dort ein. In vielen Fällen verkaufen sie dann den Schlüssel wieder an den echten Besitzer des Hauses. Manchmal aber auch an Arme oder Arbeitslose. So lief es möglicherweise auch im Fall von Johannes Deuter. Lückenlos kann er nicht nachvollziehen, ob tatsächlich die Person ins Haus eingebrochen hatte, die zuletzt auch darin wohnte. Jedenfalls hinterließen die Eindringliche ihre Spuren.
"Die Zimmer sind komplett ruiniert. Gerade Polstermöbel … die will man dann ja auch nicht mehr benutzen, wenn da die da gehaust haben, Wände sind beschmiert, das ist noch einmal ein fünfstelliger Betrag, den wir da in die Hand nehmen müssen, um das alles halbwegs bewohnbar zu machen. Und das ungute Gefühl, jedes Mal, wenn man abreist, bleibt natürlich."
Johannes Deuter zahlte auch einen fünfstelligen Betrag an die Räumungsfirma, erzählt er. Künftig soll es für Hausbesitzer einfacher sein, ihre Rechte zu verteidigen: Die spanische Regierung hat die entsprechenden Gesetze geändert, sodass eine Zwangsräumung leichter möglich ist – nämlich innerhalb von 20 Tagen. Noch in diesem Sommer sollen die neuen Regeln gelten. Räumungsfirmen wie die von Daniel Esteves könnte damit künftig weniger zu tun haben. Doch er bleibt zuversichtlich und beendet jedes seiner Facebook-Videos mit dem Satz "Wir machen weiter – immer stark". Was auch immer das genau heißen soll.