Bromance auf dem Schrottkahn
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In einer Netflix-Dokureihe renovieren Fynn Kliemann und Olli Schulz das schrottige Hausboot des verstorbenen Musikers Gunter Gabriel. Für die Medienwissenschaftlerin Maren Haffke eine voyeuristische Vorher-Nachher-Show in einer reinen Männerwelt.
Der Heimwerker-Youtuber Fynn Kliemann und der Entertainer Olli Schulz haben das Hausboot des verstorbenen Sängers Gunter Gabriel gekauft. Und eigentlich wollten sie, so die Erzählung, nur "ein bisschen renovieren", um daraus einen Ort für Kreative zu machen. Doch der Kahn ist Schrott, jede weitere abgetragene Schicht legt noch mehr Mängel offen und am Schluss wird daraus ein ausuferndes Projekt. Auf dem Boot bleibt fast nichts, wie es war.
In vier Folgen dokumentiert Netflix in der Reihe "Das Hausboot", wie Kliemann und Schulz das Boot überarbeiten. Die beiden würden aber nur in zweiter Linie ein Hausboot renovieren und in erster Linie "Content" produzieren, urteilt die Medienwissenschaftlerin Maren Haffke, die die Serie bereits gesehen hat:
"Zwei Jahre lang war diese Baustelle Boot eine sehr, sehr produktive Plattform für Cross-Marketing, für allerhand Veröffentlichungen der beiden in den Social Media, im Podcast und jetzt eben in dieser Netflix-Serie. Das ist eine sauber durchmonetarisierte Komplettinszenierung, die durchaus einen etwas faden Beigeschmack hat."
Kleinbürgerlicher Voyeurismus
Schulz und Kliemann träten als "sentimentale Nachlassverwalter" auf, sagt Haffke. Die Dokumentation folge dabei der Logik einer Vorher-Nachher-Show, unablässig werde der schlechte Zustand des Schiffes thematisiert. Die Medienwissenschaftlerin sieht hier einen "zynischen Kern" der Produktion:
"Dieser Verfallsgrad des Schiffs wird mit so einem Voyeurismus abgefilmt, der durchaus was Moralistisches hat, eigentlich fast etwas Kleinbürgerliches." Dies erinnere trotz der zur Schau gestellten Ironie an das sogenannte "Unterschichtenfernsehen": also an Sendungen über beispielsweise Messies und "das vermeintlich elende Leben am Rande der Gesellschaft", mit denen sich die Mittelschicht ihrer selbst vergewissert habe, dass sie selbst nicht in so einem Dreck lebte.
"Schulz und Kliemann schaffen das nie ganz, sich von diesem Gestus zu distanzieren, wenn sie sich den Nachlass von Gabriel aneignen und aus diesem eigentlich abrissreifen Schiff dann so einen sauberen, maximal generischen Coworking-Space machen, wie so eine zur Männerfreundschaft geronnene Gentrifizierungsmetapher."
Norddeutsche Männerwelt
Inszeniert werde das Ganze außerdem als Buddy-Komödie: Olli Schulz gebe seine Rolle des liebenswerten, norddeutschen Zynikers, der ebenfalls norddeutsche Fynn Kliemann kontere dessen Art mit manischer Geschäftigkeit. "Das Hausboot" zeige eine reine, heteronormative Männerwelt: Bier, Kippen, Deine-Mudder-Witze, dazu Besuch von anderen berühmten norddeutschen Männern wie Bjarne Mädel und Tim Mälzer.
Der Reiz der Serie liege darin, eventuell gerne mit den Protagonisten Zeit zu verbringen – oder eben auch nicht. "Das Feeling der Serie ist ungefähr so, als würde man am Vatertag ein Abteil im Regionalexpress teilen mit einem Betriebsausflug aus der Medienbranche", so Maren Haffke. "Und wenn man das nach einem Jahr Pandemie reizvoll findet, dann Schiff ahoi."
(jfr)