Haushaltsgeräte durch Gesten steuern

Von Thomas Gith |
Einige Computerspiele lassen sich bereits durch Bewegungen kontrollieren - und Ingenieure wollen die Technik nun auch für Haushaltsgeräte und Maschinen etablieren. In Berlin gab es bereits einen Workshop mit älteren Menschen.
Der 78-jährige Heinrich Suhr und der 14-jährige Johann stehen vor einer Spielkonsole: Kamera und Infrarotsensoren registrieren die Bewegungen der beiden, auf die Wand vor Ihnen wird ein Computerspiel projiziert.

Gemeinsam müssen sie ein Schlauchboot durch einen reißenden Fluss steuern. Mit einer seitlichen Bewegung können sie scharfen Klippen ausweichen, mit der Hand Bombardements von Steinen abwehren, durch Sprünge gefährliche Hindernisse im Fluss überwinden. Johann macht das sichtlich Spaß. Heinrich Suhr zeigt sich skeptisch, kommt ins Schwitzen - und macht schnell eine Pause.

"Was mir auch missfällt, aber das ist halt aufgrund der eigenen Lebenserfahrung, sind diese vielen zerstörerischen Momente, die diese Spiele enthalten, es explodiert was, man kriegt was gegen den Kopf, also diese im Grunde genommen Kampf- und Kriegssituationen kann ich schwer ertragen, das habe ich selber miterlebt, und aus diesem Grunde missfällt mir das sehr."

Für Heinrich Suhr ist es das erste Mal, dass er ein Spiel allein durch seine Bewegungen lenkt – ein Fan solcher gestengesteuerten Computerspiele wird er nicht, doch ihm kommen gleich Ideen für andere Anwendungen.

"Ich meine, ich kann mir auch vorstellen, dass man in einer Variante so eine Art Fitnessübung daraus machen kann. Und das man das dann mit mehreren zusammen machen sollte. Weil sich daraus dann erst der Spaß ergibt, nicht alleine, mit mehreren zusammen."

Für Christoph Nedopil und Sebastian Glende sind solche Ideen Gold wert. Zusammen betreiben die beiden die Berliner Firma YOUSE – ein Unternehmen, das technische Entwicklungen den Bedürfnissen der Nutzer anpassen will. Die Computerspiele sind für sie dabei nur Mittel zum Zweck: Sie wollen herausfinden, wie sich ältere Menschen mit der Gestensteuerung zurechtfinden. Hierauf könnten dann beispielsweise technische Pflegesysteme aufbauen, sagt Christoph Nedopil.

"Also, wir entwickeln gerade mit einem europäischen Forschungskonsortium einen Roboter, einen Kommunikationsroboter, der gerade für ältere Menschen gut sein soll, der die unterstützen soll. Und da geht es um Kommunikationsformen und auch, wie man mit dem Roboter reden kann.

Und man kann eben nicht nur verbal reden, sondern man kann auch durch Gesten reden. Und wir haben uns überlegt, wie kann man das aber lebhaft machen, und da kam uns die Idee: Spielen. Und die Spielkonsole ist genau der richtige Weg, um das einmal lebendig werden zu lassen."

Wie bei vielen Innovationen ist es auch hier die Technik, die neue Anwendungen möglich erscheinen lässt: Pflegeroboter oder gestengesteuerte Haushaltshilfen etwa, die alten Menschen kraftraubende Tätigkeiten abnehmen könnten. Nutzen ließe sich dafür die Technik, die im Unterhaltungsbereich bereits ausgereift ist.


Sebastian Glende: "Es gibt eben Kameratechnik, Infrarottechnik, die zusammengeschaltet wird und die merkt, welche Bewegungen man macht und die diese Bewegungen gut erkennen kann, oder auch ‘ne Mimik gut erkennen kann. Und wenn man dieser Technik vorher sagt, welche Bewegung zu welcher Bedeutung oder welchem Befehl führt, dann funktioniert das schon sehr, sehr gut."

Allerdings: Was einfach klingt, setzt viel Forschung und Entwicklung voraus. Informatiker, die gestengesteuerte Techniken programmieren, haben beispielsweise herausgefunden, dass es allein mehr als 20 Arten gibt, um eine Seite umzublättern. All diese Varianten als ein und dieselbe Absicht zu erkennen, ist schon schwierig genug. Und richtig kompliziert wird es, wenn sich eine Absicht durch verschiedene Gesten ausdrücken lässt.

"Okay, jetzt gucken wir mal, ob sie kurz eine Nachdenkpause brauchen oder ob es wieder so schnell geht."

Beim Workshop gibt es einen Laborversuch, in dem die verschiedenen Gesten identifiziert werden sollen. Cornelia Wendt fordert drei Senioren auf, Begriffe durch Bewegungen auszudrücken. "Nein": Das war für alle einfach und intuitiv. Jetzt wird es etwas komplizierter.

"Nehmen wir mal an, der Rasenmäher mäht und sie hätten es gerne schneller. Wie hätten sie es den gerne schneller. Ach, jetzt müssen sie alle nachdenken, drei, zwei, eins: Schneller!"

Eine Teilnehmerin klatscht in die Hände, die andere wedelt mit der linken Hand nach vorne - und Heinrich Suhr lässt seinen Arm im großen Bogen kreisen. Die Geste ist ihm spontan eingefallen - so wie bei den anderen Übungen auch.

"Das war gar nicht so wahnsinnig schwierig, weil man eigentlich zurückgreifen konnte auf eine ganze Menge Gesten, die man im Laufe seines Lebens gelernt hat. Also im Grunde genommen fiel mir ein, dass man die ersten Gesten so lernt, wenn man in die Schule geht und dann so hinter dem Lehrer versucht, ohne Sprache sich zu verständigen, und das ist eigentlich durch die Generationen gleich geblieben."

Gesten, die Menschen spontan einfallen, können eine Software allerdings überfordern – zumindest dann, wenn sie zu heterogen werden. Hinzu kommt, dass in der ganze Wohnung Kameras hängen müssten, wenn man die Tür mit einem Schnips schließen oder die Jalousie mit einem Fingerzeig hochfahren lassen möchte. Doch viele Menschen fühlen sich mit so einer permanenten Überwachung unwohl, sagt Sebastian Glende.

"Es gibt noch eine andere Möglichkeit, ich kann mir auch ein Sensor an meinen Finger machen, sozusagen, oder an meinem Arm, oder einen Handschuh anziehen, der irgendwie Elektroden in sich trägt und dann wird das über ein Magnetfeld zum Beispiel gemessen, das geht auch. Aber ich denke, das ist eher eine komplizierte Variante und von daher wahrscheinlich nicht so realisierbar."

Noch ist die Gestensteuerung im Alltag ohnehin eine Utopie – und wenn sie viel zusätzliche Technik erfordert und nicht intuitiv zu bedienen ist, dann wird sie es wohl auch bleiben. Hinzu kommt, dass die Gestensteuerung, die vor allem alten Menschen Erleichterung bringen soll, die Isolation fördert, glaubt Heinrich Suhr.

"Ich kann mir das auch wirklich nur in Extremsituationen vorstellen, wo ich mich nicht mehr richtig bewegen kann, sonst würde ich das nicht machen. Weil das Abenteuer liegt doch sozusagen in der sinnlichen Erfahrung. Man macht eine Tür auf, man drückt auf einen Knopf, und so weiter und so fort, und nicht in dem Ersatz durch Gesten. Mit Gesten kann man natürlich Abenteuer haben, wenn man mit anderen Leuten kommuniziert, aber nicht mit Geräten."