Igor Levit und Florian Zinnecker: "Hauskonzert"
Hanser Verlag, München 2021
304 Seiten, 24 Euro
Ein Papier gewordener Podcast
09:28 Minuten
Der Journalist Florian Zinnecker begleitete Igor Levit durch die Konzertsaison 2019/20. Zusammen mit dem Pianisten verfasste er die Biografie "Hauskonzert". Viel Material, zu wenig Analyse, urteilt unser Musikredakteur.
Das Buch enthalte viele Geschichten, meint der Musikjournalist. Die meisten kenne man allerdings schon. Journalist Zinnecker fehle die kritische Distanz, urteilt er: In Zinneckers Biografie schreibe ein bedingungsloser Fan über sein Idol.
Man erfahre viel über Levits bisheriges Leben, über Erfolge und Misserfolge. Es werde aber keine chronologische Heldengeschichte erzählt. Zinnecker berichte in einzelnen Anekdoten von Levit. Doch die würden sich nicht zu einem Gesamtbild zusammenfügen, findet Pöllmann. Es sei im Buch immer vom "Menschen Levit" die Rede, doch es ginge kaum über die "Figur Levit" hinaus.
Statt eines flotten Schreibers wünsche man sich einen empathischen, psychologisch Geschulten, der auch eigene Erkenntnisse mit einbringe, der Widersprüche beleuchte, der Zweifel formuliere und Abgründe aufzeige, meint Kritiker Pöllmann.
Durch die Berühmtheit Levits und seine Rolle bei den Hauskonzerten 2020 hätte es die Chance für die Nahaufnahme eines Künstlers in dieser besonderen Situation gegeben. Pöllmann hätte sich eine Reflexionsebene darüber gewünscht, wie dieser Künstler die Situation und seine Rolle erlebt.
Die Maschinerie am Laufen halten
Stattdessen werde die nächste Anekdote erzählt. Es werde unendlich viel geredet: "Igor macht dies, Igor meint jenes, Igor ärgert sich über". Zinnecker schöpfe aus dem reichhaltigen Material Levits. In kurzen Abschnitten gebe es viele Dialoge, lange Zitate, aber keine Analyse.
Pöllmann kritisiert, Zinnecker sei lediglich "Reporter", kein "Interpret". Und so sei ein geschwätziges, redseliges Buch entstanden, ein Papier gewordener Podcast, dessen einziges Ziel wohl sei, die Maschinerie am Laufen zu halten.