Haute Couture für Paradiesvögel
Kunst und Mode, das ist ein Feld, auf dem der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Die Künstler lieben das Spiel mit dem Körper. Und die ach so vom Kommerz getriebenen Designer machen einfach mal, was sie wollen.
Der Name klingt spektakulär - verspricht aber nicht zuviel: denn das "Kettensägen-Kleid” ist zwar ein voluminöser Traum aus rotem Tüll, weist jedoch herbe Einschnitte auf: eine große Kerbe und ein kreisrundes Loch.
Tatsächlich ist dieses löchrige Kleid eine muntere und freche Form der Selbstbehauptung, mit der die mondäne Frau von heute auf jedem Opernball und auf jeder anderen überflüssigen Festivität mühelos auffällt. Annelie Lütgens, Kuratorin im Kunstmuseum Wolfsburg:
"Das wäre total toll, wenn man das tragen würde. Viktor & Rolf stehen in dieser Ausstellung für das Theatralische, für die Mode als Erzählung. Es sind Designer, die sich über das System Modewelt Gedanken machen. Sie bearbeiten verschiedene Fragen, die sie an die moderne Kultur stellen, zum Beispiel zur Schnelligkeit des Modesystems, indem sie eine Kollektion mit dem Namen ’No’ machen und die besteht dann aus ärmlichen Mänteln und anderen grauen Stücken. Und in der nächsten Saison entwerfen sie überbordende Tüllkleider. Aber sie können es nicht lassen und müssen auch da etwas Schräges reinbringen. Deshalb haben die eine Form, die aussieht, als ob man mit einer Säge durch diese irrsinnig vielen Tüllschichten hindurchgegangen ist."
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Zu den Designern, die sich auf der Suche nach Impulsen aus dem Fundus der bildenden Künste bedienen und gern mal Wege jenseits der kommerziellen Verwertbarkeit gehen, gesellen sich Künstler, die ihre sonst so geschätzte Autonomie vorübergehend verlassen und im Reich der Mode eine Spielart der angewandten Kreativität gefunden haben.
Mit Folgen: So ist mit Maske und bizarrem Kostüm jedem Bürger die Umwandlung in eine Biene möglich, durch ein Modell aus der Kollektion "Sex Clown”. Und wer will, kann mithilfe einer Art Weste Porzellan-Scherben auf seiner Brust spazieren führen. José Teunissen, Kuratorin in Rotterdam:
""Die Künstler und Designer wollen untersuchen, was mit Mode alles möglich ist. Sie hat auch mit Performance zu tun und sie hat Objekt-Charakter. Man kann nach dem Zusammenhang zwischen Gewand und Körper forschen - und was sich aus der Hülle so alles machen lässt. Einige dieser Stücke kann man tragen, sieht dann aber aus wie Lady Gaga und nicht wie eine reale Person. Aber die Stücke sind einzigartig, sind Zeichen - für ein Museum und die Fachpresse ist es die visionäre Seite, die hier Interesse weckt.”"
Es ist die Haute Couture für Paradiesvögel, die Lust am ständigen Experiment. Vielleicht sehen sie so ja aus, die Alpträume von Heidi Klum. In den skurrilen Anzügen des Tänzers Nick Cave wirkt der Erdenbürger wie ein Außerirdischer. Wichtiger noch ist, dass beim Gehen Geräusche entstehen, sofern die guten Stücke nicht in einem Museum ausgestellt werden.
Einige Ausflüge in die Kunstgeschichte haben in dieser Ausstellung Platz. Einen um 1946 entstandenen Flakon von Salvador Dalí hat man in die Nähe einer Pfeife gestellt, die - mit Anspielung auf Magritte - von Elsa Schiaparelli entworfen wurde und ebenfalls ein Duftwässerchen in sich aufgenommen hat. Lütgens:
""Elsa Schiaparelli hat diese Flakons in enger Zusammenarbeit mit den Surrealisten entwickelt. Dass es sich dabei um eine Pfeife handelt, hat natürlich mit Magritte zu tun.”"
Ein Flakon spielt auch eine Hauptrolle in einem aufwendigen, gut einminütigen Werbespot, in dem sich zwei schöne Frauen - die eine blond, die andere brünett -in gediegenem Interieur um den kostbaren Inhalt zanken. Ja, sie rangeln brutal auf dem Boden.
Das Parfum "Greed" / "Gier", für das hier geworben wird, existiert nicht in der Wirklichkeit- aber dem gestylten Film schaut man trotz oder gerade wegen seiner Klischees gerne zu, ist er doch von Roman Polanski inszeniert. Und in den weiblichen Rollen glänzen Natalie Portman und Michelle Williams.
Viele Facetten im Kunstmuseum Wolfsburg. Überraschend mag sein, in dieser Schau auch eine Arbeit von Louise Bourgeois zu finden, einen Kopf aus pinkfarbenem Stoff mit leicht verzogenem Mund. Lütgens:
""Für sie sind Kleider Teil von Erinnerungen. Dieser Kopf ist mit Fell bezogen, und dieses Fell hat Narben, so dass es fast schon etwas Brutales bekommt.”"
Gegen Ende sorgt diese Schau für haarige Höhepunkte. Eine schockfarbene Perücke in der Größe eines ausgedehnten Rechtecks heißt aus gutem Grund "Die rote Wand”. Dem Kinderschuh aus Wachs von Robert Gober nähert man sich wiederum vorsichtig, ist er innen doch mit Haaren übersät.
Für die meisten der hier gezeigten Objekte gilt das Motto, das die Nutzer eines Wollmantels von Viktor & Rolf vorne tragen: "Dream on” ist da zu lesen, und gleich daneben ist eine Schaufensterpuppe mit einem kostbaren Morgenmantel bekleidet und mit fest installierten Kissen gleich in Kopfhöhe. Art & Fashion also für Träumer - dies ist die Botschaft der originellen Wolfsburger Ausstellung. Teunissen:
""Alles bezieht sich direkt auf den Körper. Es ist nicht schwierig, ist nicht intellektuell. Geht man aufgeschlossen durch diese Ausstellung, wird man mit sich selber konfrontiert, mit dem eigenen Körper und seiner direkten Erfahrung. Mit dieser Einstellung wird man Gefallen am Gezeigten finden.”"
Tatsächlich ist dieses löchrige Kleid eine muntere und freche Form der Selbstbehauptung, mit der die mondäne Frau von heute auf jedem Opernball und auf jeder anderen überflüssigen Festivität mühelos auffällt. Annelie Lütgens, Kuratorin im Kunstmuseum Wolfsburg:
"Das wäre total toll, wenn man das tragen würde. Viktor & Rolf stehen in dieser Ausstellung für das Theatralische, für die Mode als Erzählung. Es sind Designer, die sich über das System Modewelt Gedanken machen. Sie bearbeiten verschiedene Fragen, die sie an die moderne Kultur stellen, zum Beispiel zur Schnelligkeit des Modesystems, indem sie eine Kollektion mit dem Namen ’No’ machen und die besteht dann aus ärmlichen Mänteln und anderen grauen Stücken. Und in der nächsten Saison entwerfen sie überbordende Tüllkleider. Aber sie können es nicht lassen und müssen auch da etwas Schräges reinbringen. Deshalb haben die eine Form, die aussieht, als ob man mit einer Säge durch diese irrsinnig vielen Tüllschichten hindurchgegangen ist."
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Zu den Designern, die sich auf der Suche nach Impulsen aus dem Fundus der bildenden Künste bedienen und gern mal Wege jenseits der kommerziellen Verwertbarkeit gehen, gesellen sich Künstler, die ihre sonst so geschätzte Autonomie vorübergehend verlassen und im Reich der Mode eine Spielart der angewandten Kreativität gefunden haben.
Mit Folgen: So ist mit Maske und bizarrem Kostüm jedem Bürger die Umwandlung in eine Biene möglich, durch ein Modell aus der Kollektion "Sex Clown”. Und wer will, kann mithilfe einer Art Weste Porzellan-Scherben auf seiner Brust spazieren führen. José Teunissen, Kuratorin in Rotterdam:
""Die Künstler und Designer wollen untersuchen, was mit Mode alles möglich ist. Sie hat auch mit Performance zu tun und sie hat Objekt-Charakter. Man kann nach dem Zusammenhang zwischen Gewand und Körper forschen - und was sich aus der Hülle so alles machen lässt. Einige dieser Stücke kann man tragen, sieht dann aber aus wie Lady Gaga und nicht wie eine reale Person. Aber die Stücke sind einzigartig, sind Zeichen - für ein Museum und die Fachpresse ist es die visionäre Seite, die hier Interesse weckt.”"
Es ist die Haute Couture für Paradiesvögel, die Lust am ständigen Experiment. Vielleicht sehen sie so ja aus, die Alpträume von Heidi Klum. In den skurrilen Anzügen des Tänzers Nick Cave wirkt der Erdenbürger wie ein Außerirdischer. Wichtiger noch ist, dass beim Gehen Geräusche entstehen, sofern die guten Stücke nicht in einem Museum ausgestellt werden.
Einige Ausflüge in die Kunstgeschichte haben in dieser Ausstellung Platz. Einen um 1946 entstandenen Flakon von Salvador Dalí hat man in die Nähe einer Pfeife gestellt, die - mit Anspielung auf Magritte - von Elsa Schiaparelli entworfen wurde und ebenfalls ein Duftwässerchen in sich aufgenommen hat. Lütgens:
""Elsa Schiaparelli hat diese Flakons in enger Zusammenarbeit mit den Surrealisten entwickelt. Dass es sich dabei um eine Pfeife handelt, hat natürlich mit Magritte zu tun.”"
Ein Flakon spielt auch eine Hauptrolle in einem aufwendigen, gut einminütigen Werbespot, in dem sich zwei schöne Frauen - die eine blond, die andere brünett -in gediegenem Interieur um den kostbaren Inhalt zanken. Ja, sie rangeln brutal auf dem Boden.
Das Parfum "Greed" / "Gier", für das hier geworben wird, existiert nicht in der Wirklichkeit- aber dem gestylten Film schaut man trotz oder gerade wegen seiner Klischees gerne zu, ist er doch von Roman Polanski inszeniert. Und in den weiblichen Rollen glänzen Natalie Portman und Michelle Williams.
Viele Facetten im Kunstmuseum Wolfsburg. Überraschend mag sein, in dieser Schau auch eine Arbeit von Louise Bourgeois zu finden, einen Kopf aus pinkfarbenem Stoff mit leicht verzogenem Mund. Lütgens:
""Für sie sind Kleider Teil von Erinnerungen. Dieser Kopf ist mit Fell bezogen, und dieses Fell hat Narben, so dass es fast schon etwas Brutales bekommt.”"
Gegen Ende sorgt diese Schau für haarige Höhepunkte. Eine schockfarbene Perücke in der Größe eines ausgedehnten Rechtecks heißt aus gutem Grund "Die rote Wand”. Dem Kinderschuh aus Wachs von Robert Gober nähert man sich wiederum vorsichtig, ist er innen doch mit Haaren übersät.
Für die meisten der hier gezeigten Objekte gilt das Motto, das die Nutzer eines Wollmantels von Viktor & Rolf vorne tragen: "Dream on” ist da zu lesen, und gleich daneben ist eine Schaufensterpuppe mit einem kostbaren Morgenmantel bekleidet und mit fest installierten Kissen gleich in Kopfhöhe. Art & Fashion also für Träumer - dies ist die Botschaft der originellen Wolfsburger Ausstellung. Teunissen:
""Alles bezieht sich direkt auf den Körper. Es ist nicht schwierig, ist nicht intellektuell. Geht man aufgeschlossen durch diese Ausstellung, wird man mit sich selber konfrontiert, mit dem eigenen Körper und seiner direkten Erfahrung. Mit dieser Einstellung wird man Gefallen am Gezeigten finden.”"