Hava Nagila unter der Disco-Kugel
In Berlin entwickelt sich eine jüdische Partyszene, die mit zahlreichen Veranstaltungen ein feierwilliges Publikum lockt. Immer mehr junge deutsche Juden wollen dem Nachtleben ihren eigenen Stempel aufdrücken.
"Ich finde die Party extrem gut, die Musik ist gemischt, das Publikum ist gemischt, ich kenne viele Leute und es ist einfach ne geile Party, geile Location und sehr entspannt."
"Also für mich war es zum ersten Mal, dass ich auf so einer jüdischen Party hier in Berlin war und ich fand es super, weil es eine witzige Mischung aus total trashiger Musik und orientalischem Sound war, sehr sehr tanzbar, und ich denke, das ist eine sehr einzigartige Mischung und das hat total Spaß gemacht."
"Ja, ich mag die Stimmung hier, es ist super locker, die Leute sind ganz, ganz arg lieb hier - also mich zieht es jedenfalls jeden Monat immer wieder hier her."
Freitagabend in einem Kellerklub im Berliner Bezirk Mitte: Die Musik ist laut, die Luft verraucht, die Stimmung ausgelassen. Zu den Klängen einer modernen Version von Hava Nagila tanzt das Publikum im Kreis, wirft die Arme in die Luft und klatscht eifrig mit. "Berlin Meschugge - The unkosher Jewish Night" lautet das Motto, unter dem hier einmal im Monat gefeiert wird.
Seit einiger Zeit scheinen jüdische Partys in der Hauptstadt zum Trend zu werden. So gibt es neben den Meschugge-Partys eine weitere Reihe, die sich "Sababba" nennt, dazu kommen mehrere Einzelveranstaltungen. Für DJ San Gabriel, einem Kenner des Nachtlebens und Berliner Juden, passt der Trend zur wachsenden Beliebtheit der Stadt bei jungen Israelis:
"Mittlerweile gibt es mehr als 10.000 Israelis, die gerade in Berlin leben. Und für die ist das natürlich auch eine Art Treffpunkt, unter seinen Leuten zu feiern. Das ist jetzt bei dieser Meschugge-Party, denke ich, so - das ist ja so ein bisschen auch eine schwule Party, wo denke ich mal auch viele schwule Israelis hingehen - oder Deutsche, die auf schwule Israelis stehen.
Und die Sababba-Party ist eher so eine Party, die aus den Reihen der Jüdischen Gemeinde kommt, wo auch viele nicht-jüdische Freunde hingehen. Dass man sich halt nicht verstecken muss und einfach mal seine Kultur näher bringt - in Musik und Party."
Die musikalische Kulturbotschaft kommt an: Bei der Meschugge-Party ist die Tanzfläche brechend voll. Hinter den Plattentellern steht Aviv Netter. Der 26-jährige Israeli und Meschugge-Initiator ist selbst das beste Beispiel für die Ausgelassenheit des Abends: Unter blau-weißen Wimpeln mit der Flagge Israels und einem leuchtenden Davidstern auf einer Stoffbahn hüpft er voller Energie auf und ab. Währenddessen dröhnen aus den Boxen israelische Chart-Hits, Klassiker und aktuelle Popsongs aus Tel Aviv. Netter glaubt, dass dieser Mix ein Grund für den Erfolg ist:
"Jüdische Musik ist gut! Und interessant – wie die Israelis. Sie wurde chic, warum auch immer."
Augenscheinlich ist Netters unbekümmerter Umgang mit dem Judentum: Er veranstaltet die Partys an einem Freitag, auf seinem Flyer laden Rabbis in Ninja-Pose zum Tanz. Dennoch sind gerade die Meschugge-Abende Ausdruck langer Überlegungen über seine Identität als Jude:
"Letztendlich ist das Judentum eine Religion. Religion und Nachtleben passen meist nicht zusammen. Doch viele Israelis, die nach Berlin kommen, fangen an, sich Fragen zu stelle, wie ich selbst. Und ich bin nicht religiös, glaube nicht an Gott. Was macht mich also eigentlich jüdisch? Meine Antwort: Es ist die Art, wie ich meine Kultur feiere - ein Urinstinkt, wenn etwa meine Finger anfangen zu schnippen, sobald ich hebräische Musik höre. Und ich suche nach neuen Wegen, meine jüdische Identität auszudrücken."
Zu diesen Wegen gehören für Aviv die Meschugge-Partys, die ein wild gemischtes Publikum aus zugezogenen Israelis, Einheimischen und Touristen anziehen. Ähnlich bunt sind die Sababba-Abende, auch wenn hier mehr Gäste aus den Reihen junger Berliner Juden kommen. Seit gut zwei Jahren werden sie von Vernen Liebermann und Daniel Stern organisiert und haben sich mit inzwischen regelmäßig zwischen 600 und 700 Besuchern im Nachtleben der Hauptstadt etabliert.
Für Liebermann gibt es neben der Gelegenheit zum ausgelassenen Feiern einen ganz besonderen Grund für den Sababba-Besuch:
"Die Leute, die zu uns kommen, die verspüren so ein bisschen Glückshormone, so ein bisschen Stolz. Und freuen sich allein an der Tatsache, dass es in Deutschland wieder Partys gibt, wo jüdische und nicht-jüdische Menschen zusammenkommen, um die jüdische Kultur und das Feierwesen zu befeiern."
Liebermann ist dieser Aspekt seiner Partys sehr wichtig, zudem böten sie die Gelegenheit für einen lockeren Austausch der jungen Berliner Juden. Und mehr noch:
"Man muss einfach heute in die Zukunft schauen, nicht mehr in Vergangenheit. Der normale Werdegang ist einfach, dass sich jüdische Menschen in Deutschland zeigen möchten, die möchten ihre Kultur zeigen. Die möchten anderen Leuten auch einfach mitteilen, wie wir feiern, wie wir so sind, und da sind einfach Partys ein guter Weg."
Dass das Feiern auch skurril anmuten kann, zeigt das Beispiel von Aviv Netter: Bei seinen Meschugge-Abenden greift er gerne mal zu einem aufblasbaren Plastikhammer mit der Flagge Israels, um ihn im Rhythmus der Bässe durch die Luft zu wirbeln. Das extravagante Bild ist durchaus gewollt, so Netter selbst:
"Ja, darum geht es doch: um das Bizarre. Wir wollen keine weitere langweilige Synagogen-Nacht. Wir wollen Spaß machen – und das gelingt uns denke ich sehr gut."
Es ist jung, wild, bunt, witzig, optimistisch und sicherlich nicht immer politisch korrekt: Das entstehende jüdische Nachtleben Berlins lädt zum Entdecken ein.
"Also für mich war es zum ersten Mal, dass ich auf so einer jüdischen Party hier in Berlin war und ich fand es super, weil es eine witzige Mischung aus total trashiger Musik und orientalischem Sound war, sehr sehr tanzbar, und ich denke, das ist eine sehr einzigartige Mischung und das hat total Spaß gemacht."
"Ja, ich mag die Stimmung hier, es ist super locker, die Leute sind ganz, ganz arg lieb hier - also mich zieht es jedenfalls jeden Monat immer wieder hier her."
Freitagabend in einem Kellerklub im Berliner Bezirk Mitte: Die Musik ist laut, die Luft verraucht, die Stimmung ausgelassen. Zu den Klängen einer modernen Version von Hava Nagila tanzt das Publikum im Kreis, wirft die Arme in die Luft und klatscht eifrig mit. "Berlin Meschugge - The unkosher Jewish Night" lautet das Motto, unter dem hier einmal im Monat gefeiert wird.
Seit einiger Zeit scheinen jüdische Partys in der Hauptstadt zum Trend zu werden. So gibt es neben den Meschugge-Partys eine weitere Reihe, die sich "Sababba" nennt, dazu kommen mehrere Einzelveranstaltungen. Für DJ San Gabriel, einem Kenner des Nachtlebens und Berliner Juden, passt der Trend zur wachsenden Beliebtheit der Stadt bei jungen Israelis:
"Mittlerweile gibt es mehr als 10.000 Israelis, die gerade in Berlin leben. Und für die ist das natürlich auch eine Art Treffpunkt, unter seinen Leuten zu feiern. Das ist jetzt bei dieser Meschugge-Party, denke ich, so - das ist ja so ein bisschen auch eine schwule Party, wo denke ich mal auch viele schwule Israelis hingehen - oder Deutsche, die auf schwule Israelis stehen.
Und die Sababba-Party ist eher so eine Party, die aus den Reihen der Jüdischen Gemeinde kommt, wo auch viele nicht-jüdische Freunde hingehen. Dass man sich halt nicht verstecken muss und einfach mal seine Kultur näher bringt - in Musik und Party."
Die musikalische Kulturbotschaft kommt an: Bei der Meschugge-Party ist die Tanzfläche brechend voll. Hinter den Plattentellern steht Aviv Netter. Der 26-jährige Israeli und Meschugge-Initiator ist selbst das beste Beispiel für die Ausgelassenheit des Abends: Unter blau-weißen Wimpeln mit der Flagge Israels und einem leuchtenden Davidstern auf einer Stoffbahn hüpft er voller Energie auf und ab. Währenddessen dröhnen aus den Boxen israelische Chart-Hits, Klassiker und aktuelle Popsongs aus Tel Aviv. Netter glaubt, dass dieser Mix ein Grund für den Erfolg ist:
"Jüdische Musik ist gut! Und interessant – wie die Israelis. Sie wurde chic, warum auch immer."
Augenscheinlich ist Netters unbekümmerter Umgang mit dem Judentum: Er veranstaltet die Partys an einem Freitag, auf seinem Flyer laden Rabbis in Ninja-Pose zum Tanz. Dennoch sind gerade die Meschugge-Abende Ausdruck langer Überlegungen über seine Identität als Jude:
"Letztendlich ist das Judentum eine Religion. Religion und Nachtleben passen meist nicht zusammen. Doch viele Israelis, die nach Berlin kommen, fangen an, sich Fragen zu stelle, wie ich selbst. Und ich bin nicht religiös, glaube nicht an Gott. Was macht mich also eigentlich jüdisch? Meine Antwort: Es ist die Art, wie ich meine Kultur feiere - ein Urinstinkt, wenn etwa meine Finger anfangen zu schnippen, sobald ich hebräische Musik höre. Und ich suche nach neuen Wegen, meine jüdische Identität auszudrücken."
Zu diesen Wegen gehören für Aviv die Meschugge-Partys, die ein wild gemischtes Publikum aus zugezogenen Israelis, Einheimischen und Touristen anziehen. Ähnlich bunt sind die Sababba-Abende, auch wenn hier mehr Gäste aus den Reihen junger Berliner Juden kommen. Seit gut zwei Jahren werden sie von Vernen Liebermann und Daniel Stern organisiert und haben sich mit inzwischen regelmäßig zwischen 600 und 700 Besuchern im Nachtleben der Hauptstadt etabliert.
Für Liebermann gibt es neben der Gelegenheit zum ausgelassenen Feiern einen ganz besonderen Grund für den Sababba-Besuch:
"Die Leute, die zu uns kommen, die verspüren so ein bisschen Glückshormone, so ein bisschen Stolz. Und freuen sich allein an der Tatsache, dass es in Deutschland wieder Partys gibt, wo jüdische und nicht-jüdische Menschen zusammenkommen, um die jüdische Kultur und das Feierwesen zu befeiern."
Liebermann ist dieser Aspekt seiner Partys sehr wichtig, zudem böten sie die Gelegenheit für einen lockeren Austausch der jungen Berliner Juden. Und mehr noch:
"Man muss einfach heute in die Zukunft schauen, nicht mehr in Vergangenheit. Der normale Werdegang ist einfach, dass sich jüdische Menschen in Deutschland zeigen möchten, die möchten ihre Kultur zeigen. Die möchten anderen Leuten auch einfach mitteilen, wie wir feiern, wie wir so sind, und da sind einfach Partys ein guter Weg."
Dass das Feiern auch skurril anmuten kann, zeigt das Beispiel von Aviv Netter: Bei seinen Meschugge-Abenden greift er gerne mal zu einem aufblasbaren Plastikhammer mit der Flagge Israels, um ihn im Rhythmus der Bässe durch die Luft zu wirbeln. Das extravagante Bild ist durchaus gewollt, so Netter selbst:
"Ja, darum geht es doch: um das Bizarre. Wir wollen keine weitere langweilige Synagogen-Nacht. Wir wollen Spaß machen – und das gelingt uns denke ich sehr gut."
Es ist jung, wild, bunt, witzig, optimistisch und sicherlich nicht immer politisch korrekt: Das entstehende jüdische Nachtleben Berlins lädt zum Entdecken ein.