Mit Lässigkeit den Kulturraum vernetzen
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Die 13. Havanna-Biennale steht unter dem Motto "La Construcción de lo Posible" - das Bauen des Möglichen. Sie ist eine Plattform für Künstler aus der Karibik und Südamerika, wie der Kunstkritiker Werner Bloch berichtet.
Der Kunstkritiker Werner Bloch ist aktuell auf Kuba und berichtet, die politische Lage sei "ein bisschen gespalten". Einerseits berichteten die Medien von einer großen Krise, die auf Kuba zurolle, auch die Regierung befürchte offen eine "zweite Spezialperiode", die erste habe nach dem Zerfall der Sowjetunion geherrscht, als Lieferungen ausblieben und das Land in eine Krise stürzte. Und heute komme eben vieles aus Venezuela, das selbst auf eine Krise zusteuert.
Andererseits spüre man von dieser Krise in der Stadt und auf der Biennale nichts. Hier herrsche eine Lässigkeit. Es handle sich um eine tropische, entspannte Biennale, erklärt Bloch. "Man spürt einen anderen Geist. Es gibt nicht diese aufgeregten Kunstleute, die wie bei uns aufgeregt hin und her laufen und Handouts verteilen, es gibt diesen ganzen Apparat nicht." Alles sei manchmal ein bisschen chaotisch, dafür sei aber die Kunst toll.
"Dieses Chaos gehört unbedingt dazu. Man trifft hier auch nicht unbedingt feste Verabredungen, man geht irgendwohin, aber da passiert dann immer was. Im richtigen Augenblick tauchen die richtigen Fragen und auch die richtigen Menschen auf, die das beantworten können."
"Anspruch, führende intellektuelle Macht zu sein"
Für Kuba und ganz Lateinamerika sei diese Biennale sehr wichtig. Ein ganzer Kontinent stehe dahinter, sehr viele Künstler aus Chile, Mexiko und Puerto Rico stellten hier aus. Es handle sich sozusagen um eine Plattform, auf der diese Künstler zusammenkommen können. "Das ist ein großer Kulturraum, den wir eher immer isoliert sehen. Der Anspruch von Havanna, die führende intellektuelle Macht nach der Revolution von Fidel Castro im gesamten Gebiet der Karibik und Südamerika zu sein - dieser Anspruch ist immer noch da."
Die gezeigte Kunst sei sehr reichhaltig, doch sei eine klare Tendenz zum Antiamerikanismus zu beobachten. So werde zum Beispiel ein Film von Ryan Mendoza gezeigt, in dem eine Skulptur von George Washington mit einem Baseballschläger zerschmettert werde, der bekanntermaßen selbst Sklavenhalter gewesen sei und diese auch schlecht behandelt habe. Trotzdem sei er eine Lichtgestalt der amerikanischen Verfassung. Täglich sei zudem in einer bekannten Tageszeitung zu lesen, man müsse sich verteidigen und Widerstand leisten gegen den großen Feind im Norden.
"Wunderbare Anti-Venedig-Biennale"
Die Zeit der Entspannung unter Obama sei nun vorbei und damit auch jene Hoffnung darauf, dass Kuba "leger überführt wird in einen offenen Staat". Im Moment herrschten schlimme Befürchtungen vor. Doch in der Kunst spiegle sich das nur bedingt wider. Diese sei humorvoll, ironisch und nicht konfrontativ. Bei der Havanna-Biennale handle es sich um "eine wunderbare Anti-Venedig-Biennale. Wir könnten uns eine ganze Menge hier abgucken", sagt Bloch.
Sicher gebe es den Versuch, die Biennale politisch zu steuern, was aber nicht gelinge. "Die Künstler finden dann eben doch ihre Sprache, ihre Werke." So habe die Regierung mit der Einführung des Artikels 349 versucht, alle Werke von Künstlern einer vorausgreifenden Zensur zu unterziehen. Nach heftigem Protest von kubanischen Künstlern seien dann aber der Staatspräsident und der Kulturminister zurück gerudert und hätten bekräftigt, dass man hiermit keine Zensur vorgehabt habe, sondern einfach nur Geschmacklosigkeiten im Vorfeld verhindern und etwas gegen den grassierenden Machismo unternehmen wollte.
Dieses Vorhaben sei nun auf der Biennale humorvoll und ironisch aufgegriffen worden, indem ein Künstler Inspektorenausweise für Zensoren verteilt habe. Jetzt gebe es also echte und unechte Inspektoren auf der Biennale.
"Öffnung Richtung Unendlichkeit"
Die Biennale findet an verschiedenen Orten in Havanna statt. Ein großer Schwerpunkt liege in der Altstadt, berichtet Bloch, dort könne man in Cafés sitzen und Kunst betrachten. Aber auch der "Malecon", die Uferstraße, die das Meer von der Altstadt trennt, werde bespielt. Bloch verweist auf die Ausstellung mit dem Titel "Detrás del Muro", zu Deutsch: "Hinter der Mauer", und erklärt, hier gehe es um eine Öffnung Richtung Unendlichkeit, also darum, wie es in Zukunft auf der Insel weitergehe.
Auch der Titel der Biennale "La Construcción de lo Posible", also "Das Bauen des Möglichen", zeige, dass man in die Zukunft blicken wolle. Inoffiziell gehe der Titel mit den Worten "y de lo Imposible" weiter, übersetzt: "und des Unmöglichen". Und "dafür ist die Kunst ein guter Scheinwerfer, der schon mal vorweg zeigt, wo es lang gehen könnte."