Heavy Metal in Jordanien

Es müssen Satanisten sein

Heavy Metal Fans auf dem Wacken Open Air.
Heavy Metal Fans auf dem Wacken Open Air. © dpa / picture alliance / Axel Heimken
Von Philipp Eins |
Heavy Metal-Musiker werden in Jordanien verdächtigt, Satan anzubeten und Tierblut zu trinken. Dabei wollen die Mitglieder der Band "Exile" nur eines: Musik machen. Zu Besuch in einem Proberaum in der Hauptstadt Amman.
Fünfmal am Tag ruft der Muezzin der al-Husseini-Moschee in der Altstadt von Amman zum Gebet. Männer mit knielangen Gewändern und Gebetskappen drängen sich am Eingang, auf dem Vorplatz räumen fliegende Händler ihre Waren zusammen. Es ist Abendzeit. Im traditionellen Amman geht der Tag zu Ende. Das Leben kommt zur Ruhe.
Am anderen Ende der Stadt, im Nordwesten nahe der Universität, fängt das Leben für die Mitglieder der Band Exile erst richtig an. In ihrem Proberaum, den man über eine Wendeltreppe im düsteren Hinterzimmer einer Videothek erreicht, bereiten sich die vier Musiker Nader, Mahmoud, Ibrahim und Sultan auf ihren nächsten Auftritt vor. Arabische Laute, orientalische Gesänge? Damit haben sie gar nichts zu tun.
Schnelle Gitarrenriffs, peitschende Beats und dröhnender Gesang: In Amman ist das Repertoire der Heavy-Metal-Band Exile besonders fremd. Gerade mal sechs Metal-Bands gibt es in ganz Jordanien. Für die vier Musiker von Exile aber, alle zwischen Mitte 20 bis Mitte 30, trifft es ein Lebensgefühl, sagt Sänger Nader:
"Heavy Metal drückt unsere Emotionen aus, unsere Wut! Das ist es, was wir an dieser Musik mögen. Popmusik oder arabische Musik, damit können wir nichts anfangen. Das interessiert uns gar nicht!"

Wunsch nach politischer Veränderung

In ihrem Alltag gehen die Metal-Musiker hochdotierten Jobs nach. Sänger Nader ist Berater für eine Tabakfirma, Drummer Mahmoud arbeitet als Umwelttechniker in einem Krankenhaus. Die anderen beiden Bandmitglieder sind als Programmierer und Elektrotechniker tätig. Es ist nicht nur der westliche Stil, der sie verbindet, sondern auch der Wunsch nach politischer Veränderung, sagt Bassgitarrist Ibrahim.
"Einige unserer Songs sind sehr politisch, handeln von den Sorgen des Alltags hier in Jordanien. Zum Beispiel dem Krieg in den Nachbarstaaten Syrien und Irak, oder die politische Korruption in unserem Land. Aber auch globale Themen wie Umweltverschmutzung und Diskriminierung, die Konflikte zwischen Arm und Reich kommen in unseren Songs vor. Wir wollen ausdrücken, was uns wichtig ist und die Menschen mit Themen erreichen, die sie vielleicht sonst nicht wahrnehmen."
6000 Fans haben die Musiker von Exile inzwischen auf Facebook – nicht schlecht für eine Heavy Metal-Band in Amman. In den arabischen Ländern hat das Genre eine vergleichsweise junge Geschichte. Erstmals kam Metal in den 1990er-Jahren auf, begleitet von reichlich Ärger mit der Polizei. Bei einer Razzia in Ägypten wurden damals 70 Fans verhaftet, in Marokko stürmten Sicherheitskräfte ein Konzert, nahmen 14 Jugendliche fest. Auch in Jordanien gab es zwischen 1999 und 2000 kurzzeitige Verhaftungen. Die Behörden befürchteten, Metal-Musik untergrabe den muslimischen Glauben.

Metal untergräbt den Glauen, fürchten Kritiker

"Heavy Metal ist in Jordanien nicht akzeptiert, weil die Menschen uns missverstehen. Wenn wir erzählen, was wir machen, ist jeder erst mal skeptisch. Metal – das klingt halt sehr düster, sehr aggressiv. Aber wir versuchen zu zeigen, dass wir im Alltag ganz normale Menschen sind. Wir sind freundlich, haben sichere Jobs, wir trinken keinen Alkohol und nehmen keine Drogen. – Na gut, wir trinken manchmal, aber Drogen nehmen wir wirklich nicht!"
Doch noch immer halten sich alte Gerüchte, nach denen Metal-Fans Tierblut trinken oder Satan anbeten. Besonders Nader wird gelegentlich darauf angesprochen. Mit seinem spitzen Kinnbart und den lockigen Haaren, die ihm bis über die Schulter reichen, fällt er auf.
"Die Leute fragen mich immer wieder: Betet ihr den Teufel an? Ich sage dann, nein, natürlich nicht. Ich bin ein Mensch wie du, ich will dir nichts Böses. Ich will einfach nur Musik machen – mehr nicht!"
Vor den Behörden fürchten sich die Metal-Musiker von Exile nicht. Die Sicherheitskräfte sind vor den Konzerten zwar alarmiert, Verhaftungen gibt es aber seit Jahren nicht mehr. Exile kann unbehelligt auftreten, wie zuletzt im Dezember im Rainbow Art House Theatre in der Innenstadt von Amman. Die Politiker hören ihre Musik eh nicht, sagt Nader und lacht: Solange sie nicht Songs über Satan schreiben, ist alles okay.
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