Gegen die Kindersterblichkeit in den Slums
In Kenia ist die Kindersterblichkeit hoch. Viele schwangere Frauen haben kein Vertrauen zur staatlichen Versorgung in den Krankenhäusern. Sie wenden sich lieber an Hebammen wie Aisha, die im größten Slum Afrikas in Nairobi Kindern auf die Welt hilft.
Aisha Juma ist auf dem Weg zu einer Patientin. In ihrem langen schwarz-gelben Kleid mit afrikanischem Muster bahnt sich die Hebamme einen Weg zwischen den eng stehenden Hütten von Kibera. Der Slum ist der größte in Afrika. Mehrere hunderttausend Menschen leben hier. Doch in diesem Teil des riesigen Armenviertels kennt fast jeder Aisha.
Etwa 100 Kindern in Kibera hat sie schon auf die Welt geholfen. Jetzt will sie eine Mutter, die vor einigen Wochen entbunden hat, besuchen.
"Hallo, darf ich reinkommen", ruft sie. In der engen Hütte stehen drei Betten, ein paar Plastikstühle, ein durchgesessenes Sofa. Die kleine Faisa, drei Monate alt, mag es nicht, dass Besucher kommen.
Die Frauen vertrauen Aishas Wissen
Aisha, mit 35 Jahren inzwischen selbst Mutter von drei Kindern, beruhigt das Baby
"Ich muss bei diesem Kind immer wieder vorbeischauen, weil die Geburt schwierig war. Also komme ich und frage: Wie geht es der Kleinen?"
Für die Mutter Hadija Saidi ist die Kleine schon das zehnte Kind. Doch während der Geburt gab es Komplikationen.
Hadija:
"Die Nabelschnur hatte sich um den Hals gewickelt. Das haben wir erst ganz zum Schluss gemerkt."
"Die Nabelschnur hatte sich um den Hals gewickelt. Das haben wir erst ganz zum Schluss gemerkt."
Aisha:
Ich habe gesehen, dass sie alles versucht hat, um das Kind herauszupressen. Aber es ging nicht. Dann habe ich vorsichtig mit dem Mittelfinger nachgefühlt und gemerkt, dass die Nabelschnur um den Hals lag. Der Kopf war schon etwas draußen und ich konnte die Schnur vorsichtig lösen. So war das Kind frei und kam raus.
Ich habe gesehen, dass sie alles versucht hat, um das Kind herauszupressen. Aber es ging nicht. Dann habe ich vorsichtig mit dem Mittelfinger nachgefühlt und gemerkt, dass die Nabelschnur um den Hals lag. Der Kopf war schon etwas draußen und ich konnte die Schnur vorsichtig lösen. So war das Kind frei und kam raus.
Der Kleinen geht es gut, sie entwickelt sich prächtig. Ihre zehn Geburten hat die Mutter mal im Krankenhaus, mal mit der Hebamme erlebt.
"Der Unterschied im Krankenhaus ist, dass der Arzt nicht ständig bei dir ist. Eins meiner Kinder wäre darum fast gestorben. Darum habe ich entschieden, nie wieder dort hinzugehen. Sieben Kinder habe ich mit Aisha und ihrer Mutter bekommen."
Die staatlichen Krankenhäuser in Kenia sind vom Standard in Deutschland weit entfernt. Nur in den privaten Kliniken ist es besser – aber die können sich Frauen aus Kibera nicht leisten.
Schlechte Ausstattung der Krankenhäuser
Die Kindersterblichkeit ist hoch. Genauso wie die Zahl der Mütter, die eine Geburt nicht überleben. 2013 beschloss die kenianische Regierung darum, dass anders als zuvor Geburten, Vor- und Nachsorge in den staatlichen Kliniken kostenfrei sein sollten. Doch die Krankenhäuser wurden nicht entsprechend ausgestattet und konnten dem Ansturm nicht standhalten.
Hebammen wie Aisha und ihre Mutter sind darum gefragt. Und genießen gerade bei den Slumbewohnerinnen ein hohes Ansehen. Die beiden empfangen ihre Patientinnen im Wellblechhäuschen der Mutter, um das Hühner herumlaufen.
Die ältere Hebamme wird von allen in Kibera "Nyanya" genannt – Großmutter. Sie ist inzwischen bald 70. Eine kräftige Frau mit faltigem Gesicht.
"Die erste Geburt habe ich 1972 allein betreut. Dieses Kind ist inzwischen erwachsen – und hat auch bei mir entbunden."
Aisha lernte schon früh bei ihrer Mutter. Als Letztgeborene in der großen Familie war sie die einzige, die sich für die Arbeit als Hebamme interessierte.
"Als ich noch in der Schule war, brauchte meine Mutter manchmal Hilfe. Ich habe zum Beispiel die Frauen während der Geburt gestützt, damit sie besser pressen konnten. So habe ich gesehen, was meine Mutter machte."
Eine Frau ist bei ihnen noch nie während der Geburt gestorben, sagen die beiden. Aber es gab Kinder, die tot auf die Welt kamen. Die Hebammen leiden dann mit der Mutter. Aisha bildet sich fort, um möglichst gut für Mutter und Kind sorgen zu können.
"Ich habe sogar ein staatliches Zeugnis als geprüfte traditionelle Hebamme, erzählt sie."
Am frühen Morgen und am Nachmittag ist im Häuschen der Hebammen am meisten los. Frauen kommen zur Beratung vorbei und vor allem zur Massage. Von jeder Patientin nehmen die Hebammen 100 Shilling – umgerechnet etwas weniger als einen Euro. Eine Geburt kostet circa 25 Euro.
Die 32-jährige Latifa Minayo bekommt ihr viertes Kind. Für sie kommt es nicht in Frage, ins Krankenhaus zu gehen.
"Es ist besser mit einer Hebamme. Sie kümmert sich wirklich um dich. Nach der Geburt massiert sie dich mit warmem Wasser und versorgt das Kind. Sie gibt dir etwas zu essen, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Ich fühle mich bei ihr aufgehoben wie bei einer Mutter – ganz anders als im Krankenhaus."
Die werdende Mutter streckt sich auf einem Bett aus und Aisha massiert vorsichtig ihren Bauch. Der wölbt sich im fünften Monat bei der sehr schlanken Frau nur zögerlich. Die Massage soll dazu dienen, die Mutter zu entspannen. Vor allem aber kann Aisha so feststellen, ob mit dem Kind alles in Ordnung ist, sagt sie. Wie groß ist es, liegt es richtig. Und nicht nur das.
Sie könne sogar das Geschlecht des Kindes herausfinden, meint Aisha. Natürlich nur, wenn die Mutter das wissen will. Diese hier will.
Es wird ein Mädchen, sagt die Hebamme voraus. Ob das stimmt, wird sich in etwa vier Monaten herausstellen.