Hebräisch ist Pflicht
Einmalig in Deutschland kann die rabbinische Ausbildung nun auch an einer staatlichen Hochschule stattfinden. Und zwar an der School of Jewish Theology, die Teil der Universität Potsdam ist. Rund 50 Studierende sind dort derzeit für den Bachelor-Studiengang eingeschrieben. Ein Master wird im kommenden Sommer eingerichtet.
"Die Haskala, das ist die jüdische Aufklärung, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begonnen hat, ist eine Reaktion auf die Herausforderung und die Chancen, die die Modernisierung für die traditionelle jüdische Gesellschaft bedeutet."
Markus Krah steht an der Tafel des Vorlesungsraumes im Neuen Palais in Potsdam. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Potsdam School for Jewish Theology will seinen Studenten vermitteln, in welcher Situation sich die jüdischen Gemeinden in Deutschland vor rund 200 Jahren befanden.
Nach Jahrhunderten der Aus- und Abgrenzung nahm der Kontakt mit der nichtjüdischen Umgebung immer mehr zu – und damit der Druck, sich der christlichen Mehrheitskultur anzupassen. Und viele Gemeinden taten das. Als Beispiel liest eine Studentin aus der Gründungsurkunde des israelitischen Tempelvereins in Hamburg von 1817 vor:
"Auch soll ein religiöser Akt eingeführt werden, durch den die Kinder beiderlei Geschlechts, nachdem sie in der Glaubenslehre einen angemessenen Unterricht erhalten haben, als Bekenner der mosaischen Religion eingesegnet werden sollen."
Krah: "Genau, was ist der Begriff dafür, den Sie auch gelesen haben, christlicher Begriff, den wir kennen?"
Student: "Konfirmation."
Krah: "Konfirmation, genau."
Der jüdische Tradition dagegen kenne keine Konfirmation, ergänzt Max Feldhake, der einzige Student, der im Seminar die Kippa trägt, im Judentum gebe es nur die Bar Mitzwa.
Max: "Es ging nicht darum, dass man etwas mit Konfirmation macht oder so was, sogar wenn man kein Bar Mitzwa macht, man war Bar Mitzwa, so ab 13, ist halt so, das war eher gesetzlich als ein Ritual."
Krah: "Können Sie das vielleicht aus dem Wort ableiten: Bar Mitzwa, was heißt Bar Mitzwa?"
Max: "Bar ist Sohn, aramäisch, und Mitzwa ist Gebot, Gesetz."
Krah: "Genau. Ich glaube, dass man daran den Unterschied schon am deutlichsten machen kann. Konfirmation hat etwas mit Glauben zu tun, Bar Mitzwa hat etwas mit Verhalten zu tun, Einhalten der Gebote, der Religionsgesetzlichkeit, das heißt hier sehen wir eine ganz starke Orientierung an den christlichen Kategorien, von Bar Mitzwa zur Konfirmation, das ist ein gutes Beispiel genau dafür."
Das Seminar von Krah ist Teil des neuen Bachelor-Studiengangs Jüdische Theologie, im Sommer kommt der Master-Studiengang dazu. Bislang sind für den Bachelor knapp 50 Studenten aus Deutschland, Israel, den USA und verschiedenen Ländern Europas eingeschrieben - Juden wie Nichtjuden. So unterschiedlich die Herkunftsländer, so unterschiedlich die Vorkenntnisse, betont Zofia Nowak, die den Studiengang an der Uni Potsdam koordiniert.
"Daher ist unsere Aufgabe in den ersten Semestern in die Grundlagen einzuführen sowohl der jüdischen Religionsgeschichte als auch der jüdischen Philosophie. Es fängt das Studium auch mit intensiven Hebräisch-Kursen vom ersten Semester an. Das heißt die Studenten vor allem sind aufgefordert, die ersten vier Semester intensiv den Spracherwerb zu betreiben."
Markus Krah steht an der Tafel des Vorlesungsraumes im Neuen Palais in Potsdam. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Potsdam School for Jewish Theology will seinen Studenten vermitteln, in welcher Situation sich die jüdischen Gemeinden in Deutschland vor rund 200 Jahren befanden.
Nach Jahrhunderten der Aus- und Abgrenzung nahm der Kontakt mit der nichtjüdischen Umgebung immer mehr zu – und damit der Druck, sich der christlichen Mehrheitskultur anzupassen. Und viele Gemeinden taten das. Als Beispiel liest eine Studentin aus der Gründungsurkunde des israelitischen Tempelvereins in Hamburg von 1817 vor:
"Auch soll ein religiöser Akt eingeführt werden, durch den die Kinder beiderlei Geschlechts, nachdem sie in der Glaubenslehre einen angemessenen Unterricht erhalten haben, als Bekenner der mosaischen Religion eingesegnet werden sollen."
Krah: "Genau, was ist der Begriff dafür, den Sie auch gelesen haben, christlicher Begriff, den wir kennen?"
Student: "Konfirmation."
Krah: "Konfirmation, genau."
Der jüdische Tradition dagegen kenne keine Konfirmation, ergänzt Max Feldhake, der einzige Student, der im Seminar die Kippa trägt, im Judentum gebe es nur die Bar Mitzwa.
Max: "Es ging nicht darum, dass man etwas mit Konfirmation macht oder so was, sogar wenn man kein Bar Mitzwa macht, man war Bar Mitzwa, so ab 13, ist halt so, das war eher gesetzlich als ein Ritual."
Krah: "Können Sie das vielleicht aus dem Wort ableiten: Bar Mitzwa, was heißt Bar Mitzwa?"
Max: "Bar ist Sohn, aramäisch, und Mitzwa ist Gebot, Gesetz."
Krah: "Genau. Ich glaube, dass man daran den Unterschied schon am deutlichsten machen kann. Konfirmation hat etwas mit Glauben zu tun, Bar Mitzwa hat etwas mit Verhalten zu tun, Einhalten der Gebote, der Religionsgesetzlichkeit, das heißt hier sehen wir eine ganz starke Orientierung an den christlichen Kategorien, von Bar Mitzwa zur Konfirmation, das ist ein gutes Beispiel genau dafür."
Das Seminar von Krah ist Teil des neuen Bachelor-Studiengangs Jüdische Theologie, im Sommer kommt der Master-Studiengang dazu. Bislang sind für den Bachelor knapp 50 Studenten aus Deutschland, Israel, den USA und verschiedenen Ländern Europas eingeschrieben - Juden wie Nichtjuden. So unterschiedlich die Herkunftsländer, so unterschiedlich die Vorkenntnisse, betont Zofia Nowak, die den Studiengang an der Uni Potsdam koordiniert.
"Daher ist unsere Aufgabe in den ersten Semestern in die Grundlagen einzuführen sowohl der jüdischen Religionsgeschichte als auch der jüdischen Philosophie. Es fängt das Studium auch mit intensiven Hebräisch-Kursen vom ersten Semester an. Das heißt die Studenten vor allem sind aufgefordert, die ersten vier Semester intensiv den Spracherwerb zu betreiben."
Walter Homolka ist die treibende Kraft hinter dem neuen Studiengang
Neben der theoretischen Auseinandersetzung an der Uni kommt für einige noch ein praktischer Teil dazu. Knapp die Hälfte der Studenten studiert jüdische Theologie mit dem Schwerpunkt Rabbinat oder Kantorat und besucht deswegen neben den Lehrveranstaltungen an der Universität auch Kurse am Abraham-Geiger-Kolleg, das der Universität angeschlossen ist. Das liberale Rabbiner-Seminar und vor allem sein Rektor, Walter Homolka, sind auch die treibende Kraft hinter dem neuen Studiengang.
"Der Ruf nach der jüdischen Theologie geht auf die 30er-Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Auf der Basis des Emanzipation des Judentums und der beginnenden bürgerlichen Bewegung, auch der staatsbürgerlichen Emanzipation der Juden, forderte 1836 Abraham Geiger die Errichtung einer jüdisch-theologischen Fakultät."
Die Emanzipation der Juden sei erst dann vollendet, war Geiger überzeugt, wenn die Ausbildung der jüdischen Geistlichen der der Pfarrer und Priester gleichgestellt sei - und an einer deutschen Universität stattfände. Knapp 200 Jahre später ist es nun so weit: Die School of Jewish Theology ist Teil der Universität Potsdam. Sie ist zwar keine eigene Fakultät, wie sich Geiger gewünscht hatte, sondern "nur" ein Institut der Philosophischen Fakultät, doch zugleich besitzt sie mehr Autonomie als die anderen Institute. Vor allem was Promotions- und Habilitationsverfahren sowie die Berufung von Professoren angeht, ist das neue Institut mit weitgehenden Mitspracherechten ausgestattet.
Im Unterschied zum benachbarten Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft verfolgt die Jüdische Theologie einen bekenntnisorientierten Ansatz: Sie will die Religion aus der Innen- und nicht der Außenperspektive betrachten. Aber dennoch geht es nicht darum, schlicht göttliche Wahrheiten zu vermitteln, das neue Fach ist den gleichen wissenschaftlichen Methoden und kritischen In-Frage-Stellungen unterworfen wie jeder andere Studiengang.
"Es ist meines Erachtens notwendig, dass es da keine heiligen Kühe gibt. Alles ist auf dem Prüfstand, alles wird hinterfragt, und die Zusicherung Abraham Geigers, dass man genau durch dieses Wissen zu einem geläuterten Glauben kommt, das ist die Arbeitshypothese der School of Jewish Theology."
Eine Einschätzung, die auch Max Feldhake teilt. Der 24-Jährige US-Amerikaner, der seit über einem Jahr in Deutschland lebt, hat sich ganz bewusst für das liberale Abraham-Geiger-Kolleg und das Studium der Jüdischen Theologie entschieden.
"Wenn man als liberaler Rabbiner irgendwo in der Welt heutzutage tätig sein möchte, muss man Judentum, die jüdische Religion, etwa kritisch gegenüber sehen auch. Wenn man nicht kritisch mit religiösen Sachen umgeht, es lohnt sich überhaupt nicht."
Doch das liberale oder Reformjudentum ist nicht die einzige Strömung, die den neuen Studiengang unterstützt. Am Sonntag wird in Berlin das konservative Zacharias Frankel College eröffnet. Ab nächsten Sommer werden hier konservative Rabbiner ausgebildet - auch sie werden in Potsdam Jüdische Theologie studieren. Dadurch wächst die Zahl der Geistlichen, die zukünftig in jüdischen Gemeinden tätig werden können: Vor allem in Deutschland gibt es gegenüber liberalen Rabbinern und Rabinnerinnen in einigen Gemeinden nach wie vor große Vorbehalte.
Doch auch diejenigen Studenten, die kein geistliches Amt anstreben, haben gute Chancen, nach dem Studium nicht ohne Job dazustehen, betont Studienkoordinatorin Zofia Nowak.
"Es ist auch wichtig zu sagen, dass die meisten Studenten, wie bei den christlichen Theologien, über die religionsbezogenen Berufe hinaus, in verschiedenen Bereichen tätig werden können, bspw. Unternehmensberaterinnen, Verlagsleiter, Journalisten. Lektoren, Mitarbeiter im Personalwesen, alles Bereiche, von denen wir wissen, dass die Absolventen der christlichen Theologien sehr erfolgt und sehr nachgefragt sind."
"Der Ruf nach der jüdischen Theologie geht auf die 30er-Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Auf der Basis des Emanzipation des Judentums und der beginnenden bürgerlichen Bewegung, auch der staatsbürgerlichen Emanzipation der Juden, forderte 1836 Abraham Geiger die Errichtung einer jüdisch-theologischen Fakultät."
Die Emanzipation der Juden sei erst dann vollendet, war Geiger überzeugt, wenn die Ausbildung der jüdischen Geistlichen der der Pfarrer und Priester gleichgestellt sei - und an einer deutschen Universität stattfände. Knapp 200 Jahre später ist es nun so weit: Die School of Jewish Theology ist Teil der Universität Potsdam. Sie ist zwar keine eigene Fakultät, wie sich Geiger gewünscht hatte, sondern "nur" ein Institut der Philosophischen Fakultät, doch zugleich besitzt sie mehr Autonomie als die anderen Institute. Vor allem was Promotions- und Habilitationsverfahren sowie die Berufung von Professoren angeht, ist das neue Institut mit weitgehenden Mitspracherechten ausgestattet.
Im Unterschied zum benachbarten Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft verfolgt die Jüdische Theologie einen bekenntnisorientierten Ansatz: Sie will die Religion aus der Innen- und nicht der Außenperspektive betrachten. Aber dennoch geht es nicht darum, schlicht göttliche Wahrheiten zu vermitteln, das neue Fach ist den gleichen wissenschaftlichen Methoden und kritischen In-Frage-Stellungen unterworfen wie jeder andere Studiengang.
"Es ist meines Erachtens notwendig, dass es da keine heiligen Kühe gibt. Alles ist auf dem Prüfstand, alles wird hinterfragt, und die Zusicherung Abraham Geigers, dass man genau durch dieses Wissen zu einem geläuterten Glauben kommt, das ist die Arbeitshypothese der School of Jewish Theology."
Eine Einschätzung, die auch Max Feldhake teilt. Der 24-Jährige US-Amerikaner, der seit über einem Jahr in Deutschland lebt, hat sich ganz bewusst für das liberale Abraham-Geiger-Kolleg und das Studium der Jüdischen Theologie entschieden.
"Wenn man als liberaler Rabbiner irgendwo in der Welt heutzutage tätig sein möchte, muss man Judentum, die jüdische Religion, etwa kritisch gegenüber sehen auch. Wenn man nicht kritisch mit religiösen Sachen umgeht, es lohnt sich überhaupt nicht."
Doch das liberale oder Reformjudentum ist nicht die einzige Strömung, die den neuen Studiengang unterstützt. Am Sonntag wird in Berlin das konservative Zacharias Frankel College eröffnet. Ab nächsten Sommer werden hier konservative Rabbiner ausgebildet - auch sie werden in Potsdam Jüdische Theologie studieren. Dadurch wächst die Zahl der Geistlichen, die zukünftig in jüdischen Gemeinden tätig werden können: Vor allem in Deutschland gibt es gegenüber liberalen Rabbinern und Rabinnerinnen in einigen Gemeinden nach wie vor große Vorbehalte.
Doch auch diejenigen Studenten, die kein geistliches Amt anstreben, haben gute Chancen, nach dem Studium nicht ohne Job dazustehen, betont Studienkoordinatorin Zofia Nowak.
"Es ist auch wichtig zu sagen, dass die meisten Studenten, wie bei den christlichen Theologien, über die religionsbezogenen Berufe hinaus, in verschiedenen Bereichen tätig werden können, bspw. Unternehmensberaterinnen, Verlagsleiter, Journalisten. Lektoren, Mitarbeiter im Personalwesen, alles Bereiche, von denen wir wissen, dass die Absolventen der christlichen Theologien sehr erfolgt und sehr nachgefragt sind."