Heftige Kritik an Altmaier und Rösler
Vor dem Sondertreffen zur Strompreisentwicklung hat NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis90/Die Grünen) Bundesumweltminister Peter Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler kritisiert. Es gehe nicht an, sich hinter dem Rücken der Teilnehmer auf neue Positionen zu verständigen.
Ute Welty: Immerhin, zwei sind sich schon mal einig. Kurz vor dem Bund-Länder-Sondertreffen zur Begrenzung des Strompreises haben sich Bundesumweltminister Peter Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler tatsächlich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Ob die Verbraucher aber davon wirklich etwas haben, ist offen, denn die Gemengelage ist ausgesprochen schwierig:
Korrespondentenbericht von Christel Blanke (MP3-Audio) Bericht zum Sondertreffen von Christel Blanke
Und wir bleiben bei Grün, denn an dem Sondertreffen nimmt auch der grüne Umweltminister Johannes Remmel aus Nordrhein-Westfalen teil, guten Morgen!
Johannes Remmel: Ich grüße Sie!
Welty: Die Einigung des Umweltministers und des Wirtschaftsministers geht zulasten der energiereichen Industrie, aber auch zulasten von Windparks. Kann das im grünen Interesse sein?
Remmel: Zunächst einmal weiß ich gar nicht genau, was da heute Nacht passiert ist, das ist ja schon ein Stück aus dem Tollhaus, sozusagen wenige Stunden vor einem Treffen sich so zu verständigen, ohne dass das den Teilnehmern bekannt ist. Aber das ist jetzt Stilfrage, ist formale Frage. Uns geht es auch insbesondere um den Inhalt, deshalb sind wir heute hier.
Wir müssen zwei Dinge miteinander verbinden, das eine ist tatsächlich die Notwendigkeit, hier Bremsen einzuziehen, da haben wir Vorschläge gemacht. Zum anderen, wir dürfen aber auch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, es geht um Investitionssicherheit für Investitionen, die wir dringend brauchen auf dem Weg in die Energiewende, es geht um Investitionssicherheit und das, was das EEG immer ausgezeichnet hat, nämlich dass, wenn einmal ein Vertrag eingegangen worden ist, dieser auch hält. Und ich glaube, das ist der zentrale Punkt. Also, Begrenzung der Ausnahmen ja, Absenkung der Vergütung beispielsweise für Wind an ertragreichen Standorten ja, Streichung der Marktprämie ja, aber nicht Verunsicherung und Eingriff in den Bestand.
Welty: Sie müssen ja nicht nur im Sinne Ihrer Partei handeln, sondern auch im Sinne Ihres Koalitionspartners. Und gerade die SPD in Nordrhein-Westfalen versteht sich ja auch als jemand, der den Industriestandort und die Arbeitsplätze schützen will. Wie sehr setzt Sie das unter Zugzwang?
Remmel: Das ist nicht nur Interesse der SPD, sondern insbesondere auch meiner Partei und von mir selbst. Nordrhein-Westfalen ist ein Industriestandort mit sehr vielen energieintensiven Unternehmen, und deshalb ist es richtig und wichtig, dass es hier Ausnahmen gibt. Die Frage ist allerdings, wie weit gehen diese Ausnahmen? Wir waren mal bei 400 Unternehmen, die davon profitiert haben, mittlerweile sind es an die 2.000. Und diese 2.000 Unternehmen stehen nicht alle im internationalen Wettbewerb! Darum geht es, energieintensive Unternehmen auszunehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Und deshalb kann man die Zahl deutlich begrenzen, also die Hähnchenschlachterei …
Welty: Und wie wollen Sie den Bundeswirtschaftsminister davon überzeugen?
Remmel: Na ja, das werden wir heute diskutieren, hier eine Linie zu ziehen, die wir schon mal im Übrigen hatten, die dann ja ausgeweitet worden ist. Also, Hähnchenschlachtereien beispielsweise oder auch Rechenzentren, die müssen nicht von diesen Ausnahmen profitieren. Und die führen dazu, dass auch die EU-Kommission aufmerksam wird und diese Ausnahmen zurzeit prüft. Und wer die Ausnahmen behalten will, der muss sie beschränken, um auch rechtlich Bestand zu haben, im Übrigen auch, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten.
Welty: Wo verläuft Ihre strompreistechnische Schmerzgrenze? Welchen Anstieg akzeptieren Sie noch, welchen nicht?
Remmel: Ich glaube, dass die Debatte zurzeit politisch aufgeladen und verkürzt sich alleine auf den Strompreis bezieht, und die Bundesregierung ist gerade dabei, die Energiewende auch vor die Wand zu fahren, indem sie das alleine als Stromwende versucht darzustellen. Wir reden doch eigentlich um die Umgestaltung ganz vieler Lebensbereiche.
Wir reden überhaupt nicht über Mobilität, wir reden gar nicht – was wir dringend müssten! – über das Thema Energieeinsparung, das ist ein schlafender Riese. Experten und Expertinnen sagen, 30 Prozent unserer Energie, die wir verbrauchen – im Wärmebereich, aber auch im Strombereich –, könnten wir problemlos einsparen, ohne irgendeinen Komfortverzicht zu haben, und man kann damit auch noch Geld verdienen!
Im Übrigen, über Wärme wird überhaupt nicht gesprochen. Also, dass die Heizkosten beispielsweise durch den Anstieg von Gas und Öl steigen, ist mindestens ein genau so wichtiges Thema. Und deshalb müssen wir hier die Diskussion wieder auf die Füße stellen und nicht dauernd im Handstand diskutieren.
Welty: Ihre Verhandlungsposition, ob im Handstand oder auf den Füßen, ist so stark wie nie, denn Schwarz-Gelb ist auf die Kooperation der Länder im Bundesrat angewiesen, will man überhaupt etwas erreichen. Kann es im Interesse von Rot-Grün sein, der Bundesregierung im Wahljahr einen solchen Erfolg zu gönnen?
Remmel: Es geht nicht um einen politischen Misserfolg oder Erfolg, sondern hier geht es darum, im Interesse der Sache zu handeln. Es ist ja nicht neu, auch von unserer Seite immer wieder angesprochen worden, dass es beim Strompreis zu Begrenzungen kommen muss, damit das nicht weiter ansteigt und Fehlsteuerungen vermieden werden.
Die Diskussion führen wir seit einem halben Jahr, über die Ausnahmen, wir diskutieren seit einem halben Jahr über die Marktprämie, das sind immerhin 500 Millionen, die hier einfach mitgenommen werden. Die könnten wir und hätten das schon längst können sofort streichen, aber was viel wichtiger ist, ist, jetzt eine ruhige Atmosphäre zu schaffen – das ist vor der Wahl wahrscheinlich absolut schwierig –, um darüber zu reden, wie sieht die zukünftige Marktstruktur aus, wie sieht das Marktdesign aus, und daraus dann abgeleitet die Frage, wie ein zukünftiges Erneuerbare-Energien-Gesetz aussieht. Weil, den Zug in die Erneuerbaren, den dürfen wir und wollen wir nicht stoppen. Das ist die große Erfolgsgeschichte in der Bundesrepublik und das ist auch, davon bin ich überzeugt, unsere Zukunftschance.
Welty: Johannes Remmel, grüner Umweltminister in Nordrhein-Westfalen, vor dem Spitzentreffen zur Strompreisbremse. Ich danke fürs Gespräch und wünsche in unser aller Sinne viel Erfolg!
Remmel: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Korrespondentenbericht von Christel Blanke (MP3-Audio) Bericht zum Sondertreffen von Christel Blanke
Und wir bleiben bei Grün, denn an dem Sondertreffen nimmt auch der grüne Umweltminister Johannes Remmel aus Nordrhein-Westfalen teil, guten Morgen!
Johannes Remmel: Ich grüße Sie!
Welty: Die Einigung des Umweltministers und des Wirtschaftsministers geht zulasten der energiereichen Industrie, aber auch zulasten von Windparks. Kann das im grünen Interesse sein?
Remmel: Zunächst einmal weiß ich gar nicht genau, was da heute Nacht passiert ist, das ist ja schon ein Stück aus dem Tollhaus, sozusagen wenige Stunden vor einem Treffen sich so zu verständigen, ohne dass das den Teilnehmern bekannt ist. Aber das ist jetzt Stilfrage, ist formale Frage. Uns geht es auch insbesondere um den Inhalt, deshalb sind wir heute hier.
Wir müssen zwei Dinge miteinander verbinden, das eine ist tatsächlich die Notwendigkeit, hier Bremsen einzuziehen, da haben wir Vorschläge gemacht. Zum anderen, wir dürfen aber auch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, es geht um Investitionssicherheit für Investitionen, die wir dringend brauchen auf dem Weg in die Energiewende, es geht um Investitionssicherheit und das, was das EEG immer ausgezeichnet hat, nämlich dass, wenn einmal ein Vertrag eingegangen worden ist, dieser auch hält. Und ich glaube, das ist der zentrale Punkt. Also, Begrenzung der Ausnahmen ja, Absenkung der Vergütung beispielsweise für Wind an ertragreichen Standorten ja, Streichung der Marktprämie ja, aber nicht Verunsicherung und Eingriff in den Bestand.
Welty: Sie müssen ja nicht nur im Sinne Ihrer Partei handeln, sondern auch im Sinne Ihres Koalitionspartners. Und gerade die SPD in Nordrhein-Westfalen versteht sich ja auch als jemand, der den Industriestandort und die Arbeitsplätze schützen will. Wie sehr setzt Sie das unter Zugzwang?
Remmel: Das ist nicht nur Interesse der SPD, sondern insbesondere auch meiner Partei und von mir selbst. Nordrhein-Westfalen ist ein Industriestandort mit sehr vielen energieintensiven Unternehmen, und deshalb ist es richtig und wichtig, dass es hier Ausnahmen gibt. Die Frage ist allerdings, wie weit gehen diese Ausnahmen? Wir waren mal bei 400 Unternehmen, die davon profitiert haben, mittlerweile sind es an die 2.000. Und diese 2.000 Unternehmen stehen nicht alle im internationalen Wettbewerb! Darum geht es, energieintensive Unternehmen auszunehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Und deshalb kann man die Zahl deutlich begrenzen, also die Hähnchenschlachterei …
Welty: Und wie wollen Sie den Bundeswirtschaftsminister davon überzeugen?
Remmel: Na ja, das werden wir heute diskutieren, hier eine Linie zu ziehen, die wir schon mal im Übrigen hatten, die dann ja ausgeweitet worden ist. Also, Hähnchenschlachtereien beispielsweise oder auch Rechenzentren, die müssen nicht von diesen Ausnahmen profitieren. Und die führen dazu, dass auch die EU-Kommission aufmerksam wird und diese Ausnahmen zurzeit prüft. Und wer die Ausnahmen behalten will, der muss sie beschränken, um auch rechtlich Bestand zu haben, im Übrigen auch, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten.
Welty: Wo verläuft Ihre strompreistechnische Schmerzgrenze? Welchen Anstieg akzeptieren Sie noch, welchen nicht?
Remmel: Ich glaube, dass die Debatte zurzeit politisch aufgeladen und verkürzt sich alleine auf den Strompreis bezieht, und die Bundesregierung ist gerade dabei, die Energiewende auch vor die Wand zu fahren, indem sie das alleine als Stromwende versucht darzustellen. Wir reden doch eigentlich um die Umgestaltung ganz vieler Lebensbereiche.
Wir reden überhaupt nicht über Mobilität, wir reden gar nicht – was wir dringend müssten! – über das Thema Energieeinsparung, das ist ein schlafender Riese. Experten und Expertinnen sagen, 30 Prozent unserer Energie, die wir verbrauchen – im Wärmebereich, aber auch im Strombereich –, könnten wir problemlos einsparen, ohne irgendeinen Komfortverzicht zu haben, und man kann damit auch noch Geld verdienen!
Im Übrigen, über Wärme wird überhaupt nicht gesprochen. Also, dass die Heizkosten beispielsweise durch den Anstieg von Gas und Öl steigen, ist mindestens ein genau so wichtiges Thema. Und deshalb müssen wir hier die Diskussion wieder auf die Füße stellen und nicht dauernd im Handstand diskutieren.
Welty: Ihre Verhandlungsposition, ob im Handstand oder auf den Füßen, ist so stark wie nie, denn Schwarz-Gelb ist auf die Kooperation der Länder im Bundesrat angewiesen, will man überhaupt etwas erreichen. Kann es im Interesse von Rot-Grün sein, der Bundesregierung im Wahljahr einen solchen Erfolg zu gönnen?
Remmel: Es geht nicht um einen politischen Misserfolg oder Erfolg, sondern hier geht es darum, im Interesse der Sache zu handeln. Es ist ja nicht neu, auch von unserer Seite immer wieder angesprochen worden, dass es beim Strompreis zu Begrenzungen kommen muss, damit das nicht weiter ansteigt und Fehlsteuerungen vermieden werden.
Die Diskussion führen wir seit einem halben Jahr, über die Ausnahmen, wir diskutieren seit einem halben Jahr über die Marktprämie, das sind immerhin 500 Millionen, die hier einfach mitgenommen werden. Die könnten wir und hätten das schon längst können sofort streichen, aber was viel wichtiger ist, ist, jetzt eine ruhige Atmosphäre zu schaffen – das ist vor der Wahl wahrscheinlich absolut schwierig –, um darüber zu reden, wie sieht die zukünftige Marktstruktur aus, wie sieht das Marktdesign aus, und daraus dann abgeleitet die Frage, wie ein zukünftiges Erneuerbare-Energien-Gesetz aussieht. Weil, den Zug in die Erneuerbaren, den dürfen wir und wollen wir nicht stoppen. Das ist die große Erfolgsgeschichte in der Bundesrepublik und das ist auch, davon bin ich überzeugt, unsere Zukunftschance.
Welty: Johannes Remmel, grüner Umweltminister in Nordrhein-Westfalen, vor dem Spitzentreffen zur Strompreisbremse. Ich danke fürs Gespräch und wünsche in unser aller Sinne viel Erfolg!
Remmel: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.