Heide Schwochow über "Deutschstunde"

"Es ist wichtig, dass man den Kern des Buches erhält"

06:49 Minuten
Heide Schwochow bei der Premiere des Kinofilms Deutschstunde auf dem 27. Filmfest Hamburg 2019 im Cinemaxx Dammtor, aufgenommen am 28.09.2019
Heide Schwochow bei der Premiere des Kinofilms Deutschstunde auf dem 27. Filmfest Hamburg 2019 im Cinemaxx Dammtor. © imago images/Future Image
Heide Schwochow im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 02.10.2019
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Siegfried Lenz' "Deutschstunde" kommt ins Kino. Für die Figur des Malers in dem Roman diente Emil Nolde als Vorbild. Dessen Rolle im Nationalsozialismus war zwiespältig. Dass der Film darauf nicht eingeht, verteidigt die Drehbuchautorin Heide Schwochow.
Siegfried Lenz' "Deutschstunde": im Westen ein Bestseller, den buchstäblich jedes Kind kannte, denn das Buch gehört seit Jahrzehnten zum Kanon der Schullektüre. Und in Ostdeutschland? Die aus Rügen stammende Drehbuchautorin Heide Schwochow kam jedenfalls erst spät zur "Deutschstunde":
"Lies das mal", habe ihr Sohn, der Regisseur Christian Schwochow, eines Tages zu ihr gesagt und ihr das Buch in die Hand gedrückt. "Wow, was ist denn das?", war ihre Reaktion. "Es war so eine Stimmung, da waberte immer so etwas, was aus diesen autoritären Strukturen kam, es wurde aber nicht ausgesprochen. Und das hat mich irgendwie unglaublich gefesselt."

Ein Kind gerät zwischen die Fronten

Jetzt haben Mutter und Sohn den Roman gemeinsam neu verfilmt. Ihre Version der "Deutschstunde" kommt am Tag der Deutschen Einheit in Kinos. Der Film konzentriert sich vor allem auf die Hauptfigur, den jungen Siggi. Der Junge wächst in der Zeit des Nationalsozialismus auf und bekommt von seinem Vater, einem Polizisten, den Auftrag, einen unter Malverbot stehenden expressionistischen Maler zu bespitzeln.
"Wir haben versucht, wirklich so eine Kerngeschichte raus zu erzählen, die fast etwas Archaisches hat", sagt Heide Schwochow. "Da wird ein Junge, ein Kind zerrieben zwischen zwei Männern, die unterschiedliche Prinzipien haben und das fand ich unglaublich interessant und unglaublich stark." Denn egal, was Siggi mache, es könne immer nur das Falsche sein.
"Er hat diesen Vater, dann den väterlichen Freund, und wenn er irgendwas tut, was der eine möchte, dann verrät er den anderen."

"Warum einen Film über Nolde?"

Kein Thema hingegen ist im Film ist die ambivalente Rolle Emil Noldes während des Nationalsozialismus. Nolde diente Siegfried Lenz als Vorbild für die Figur des Malers "Deutschstunde". Doch während er dort einzig als Opfer des Nationalsozialismus dargestellt wird, war der wirkliche Emil Nolde zwar als "entarteter Künstler" verfemt, aber gleichzeitig ein überzeugter Nationalsozialist und Antisemit.
"Warum einen Film über Nolde?", verteidigt Heide Schwochow ihr Vorgehen. "Es ist ja wichtig, dass man so einen Kern eines Buches auch irgendwo erhält. Und das hätte ich falsch gefunden, es hätte mich auch nicht interessiert. Ich würde eher dann einen Film über Nolde machen, aber dann nicht die 'Deutschstunde'."
Und obwohl sich Lenz an Nolde orientiert habe, sei der Maler in der "Deutschstunde" letztlich doch eine fiktive Figur.
(uko)
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